MAGDEBURG. Für Förderschüler soll es künftig auch eigene Klassen an Sekundar-, Gesamt- und Gemeinschaftsschulen geben. Das schlägt Sachsen-Anhalts Bildungsminister Marco Tullner in einem neuen Konzept für Förderschulen vor. So soll unter anderem der Wechsel in die Regelschule vereinfacht werden. Bisher sind Förderschulklassen an allgemeinbildenden Schulen nicht möglich. Das Schulgesetz müsste entsprechend geändert werden. Zudem plant der CDU-Politiker, dass künftig mehrere Schwerpunkte an einer Förderschule unterrichtet werden können.
In Sachsen-Anhalt ist der Anteil der Schulabbrecher im bundesweiten Vergleich besonders hoch. Viele Förderschüler gehen ohne Abschluss ab. Das neue Konzept soll den Anteil mit Abschluss erhöhen. Nach Angaben des Ministeriums gibt es derzeit rund 14.800 Kinder und Jugendliche mit besonderem Förderbedarf. Die Spanne reicht von Seh- und Hörbehinderungen über körperliche und geistige Handicaps bis hin zu auffälligem Verhalten oder besondere Lernschwäche. Zwei Drittel der Betroffenen lernen in Förderschulen, die anderen im gemeinsamen Unterricht an den allgemeinbildenden Schulen.
Fraglich ist allerdings, ob die Idee von Förderschulklassen an Regelschulen tatsächlich der UN-Behindertenrechtskonvention entspricht, die der Bundestag 2009 ratifiziert und damit in deutsches Recht überführt hat. In Artikel 24 heißt es wörtlich: „Die Vertragsstaaten anerkennen das Recht von Menschen mit Behinderungen auf Bildung. Um dieses Recht ohne Diskriminierung und auf der Grundlage der Chancengleichheit zu verwirklichen, gewährleisten die Vertragsstaaten ein integratives Bildungssystem auf allen Ebenen und lebenslanges Lernen (…)“. In einem Gutachten, das der Völkerrechtler Prof. Dr. Claus Dieter Classen (Universität Greifswald) im Auftrag der Landesregierung von Mecklenburg-Vorpommern erstellt hat, heißt es bezüglich der konkreten Anforderungen, die sich daraus ergeben: „Sicherstellung der qualifizierten Einbeziehung aller Kinder in den gemeinsamen Unterricht (‚zieldifferenter Unterricht‘)“. Und von gemeinsamem Unterricht kann in speziellen Förderklassen ja keine Rede sein.
So lehnt der Leiter der unabhängigen Monitoring-Stelle beim Deutschen Institut für Menschenrechte, Valentin Aichele, Sonderklassen an Regelschulen ausdrücklich ab. In einem Interview mit News4teachers erklärte er, darauf angesprochen: „Die Konvention spricht klar von ‚einem inklusiven System‘ und nicht noch einem Parallelsystem. Dafür, dass die UN-Behindertenrechtskonvention die Sondereinrichtungen nicht umfasst, spricht auch die Entstehungsgeschichte. Inklusion heißt: zusammen, von Anfang an, unabhängig von Art und Schwere der Beeinträchtigung.“ Aichele ist in Sachen Inklusion nicht irgendwer: Als Chef der Monitoring-Stelle ist er vom Bundestag beauftragt, den Reformprozess in Deutschland zu beobachten – und den Vereinten Nationen (UN) darüber Bericht zu erstatten. N4t/mit Material der dpa