BERLIN. Der Präsident des Deutschen Lehrerverbands, Heinz-Peter Meidinger, hat ein Aussetzen der Inklusion an den Schulen gefordert. «Was wir jetzt brauchen, ist ein Moratorium bei der Inklusion», sagte Meidinger der Zeitung „Die Welt“. Meidinger erklärte, er sei zwar Anhänger des Inklusionsgedankens. «Aber in vielen Bundesländern haben wir den zweiten Schritt vor dem ersten gemacht, also Förderschulen geschlossen, ohne die Regelschulen auf Inklusion vorzubereiten.» Nötig sei eine Bestandsaufnahme: «Was funktioniert, und was funktioniert nicht?» Widerspruch erntete Meidinger aus Berlin und Schwerin.
Bei einer ehrlichen Bestandsaufnahme, so Meidinger, werde man zu dem Schluss kommen, dass es ohne massive zusätzliche Finanzmittel nicht gehe. «Im Endeffekt braucht jede Klasse, die Inklusionsschüler hat, eine Zweitlehrkraft.» Wenn die Leistungsheterogenität eine gewisse Schwelle überschreite, dann stelle sie nicht nur das Lehrpersonal vor Herausforderungen. Sie gefährde mit Sicherheit den Lernfortschritt aller.
Berlins Bildungssenatorin Sandra Scheeres trat Meidingers Forderung entgegen. «Berlin braucht kein Moratorium bei der Inklusion», sagte die SPD-Politikerin auf Anfrage. «Wir sind hier auf einem guten Weg.» Scheeres erklärte: «Wir haben im Vergleich mit anderen Bundesländern früh mit der Inklusion begonnen und gehen stufenweise vor. Dabei nehmen wir auf den Elternwunsch Rücksicht.» Förderzentren würden nur geschlossen, wenn es zu wenige Schüleranmeldungenfür eine Schule gebe. «Für die Inklusion bekommen Schulen zusätzliche Mittel, es gibt auch die entsprechende Beratungsstruktur.» Inklusive Pädagogik sei Bestandteil der Lehrerausbildung und Weiterbildung.
“Gut aufgestellt”
Auch aus Mecklenburg-Vorpommern kam Widerspruch. Das SPD-geführte Bildungsministerium bekannte sich am Montag zu Zielen und Wegen der inklusiven Pädagogik. Ein Sprecher verwies auf die im Land über Parteigrenzen hinweg vereinbarte Inklusionsstrategie bis zum Jahr 2023. «Damit ist Mecklenburg-Vorpommern gut aufgestellt», sagte er. Anders als in anderen Ländern sollen in Mecklenburg-Vorpommern allerdings nicht alle Förderschulen aufgelöst werden. Ende 2016 hatte es im Land noch 79 davon gegeben. Wie viele bleiben sollen, wurde nicht festgelegt. Parallel sollen an den Regelschulen speziell ausgebildete Lehrer eingestellt werden, die den Förderbedarf der betroffenen Schüler abdecken. Kritiker meinen, dass die bis 2023 in Aussicht gestellten 237 Extra-Stellen landesweit dafür nicht ausreichen. Die AfD hatte eine radikale Abkehr vom bisherigen Konzept der Inklusion und den Erhalt aller Förderschulen gefordert.
Aus Kiel kam dagegen Zustimmung zu Meidingers Vorstoß – zumindest, was eine Bestandsaufnahme betrifft. Schleswig-Holsteins Bildungsministerin Karin Prien (CDU) erklärte, ein solcher Schritt sei jetzt richtig und wichtig. «Die qualitative Ausstattung und Organisation der Zusammenarbeit zwischen Regelschulen und Förderzentren muss so verbessert werden, dass das Inklusionskonzept allen Schülerinnen und Schülern gerecht werden kann und Lehrkräfte nicht dauerhaft überfordert werden», sagte Prien. News4teachers / mit Material der dpa