DÜSSELDRF. Neun von zehn Grundschullehrkräfte in Deutschland sind weiblich. Um die immer schwerer zu besetzenden Rektorenposten für Frauen attraktiver zu machen, wagt Nordrhein-Westfalens Schulministerin Gebauer ein bundesweit einmaliges Experiment – allerdings erst mal nur ein kleines: Die Schulleiter-Position soll, zunächst an fünf Grundschulen, in Teilzeit übernommen werden können. Der VBE und die GEW erklären unisono, dass mehr passieren muss, um die Aufgabe insbesondere an Grundschulen attraktiver zu machen.
Nordrhein-Westfalens Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) will neue Wege erproben, um den Schulleitermangel zu bekämpfen: Führungsverantwortung in Teilzeit. «In der heutigen Zeit muss es möglich sein – auch gerade für Frauen – dass sie Führungsaufgaben in Teilzeit übernehmen», begründete Gebauer am Donnerstag in Düsseldorf ihren Vorstoß.
Damit geht die FDP-Politikerin auf eine langjährige Forderung der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) ein. Die früheren NRW-Führungsfrauen, Ex-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) und die damalige Schulministerin Sylvia Löhrmann (Grüne), hätten diese Forderung nicht umgesetzt, sagt die GEW-Landesvorsitzende Dorothea Schäfer. Vor allem beamtenrechtliche Bedenken hätten bislang blockiert, was etwa in skandinavischen Ländern längst möglich sei. Die Grünen monieren hingegen in einer Mitteilung, jetzt sei «zielgerichtetes Handeln gefragt, keine zaghaften Suchbewegungen».
In NRW ist jede siebte der 5105 öffentlichen Schulen ohne regulären Leiter. Über alle Schulformen hinweg sind 707 Chefsessel und 939 Vize-Posten vakant. Bei den regulären allgemeinbildenden Schulformen haben Grund-, Haupt- und Realschulen besonders hohen Bedarf.
Vom kommenden Schuljahr an soll zunächst an bis zu fünf Grundschulen des Regierungsbezirks Arnsberg die Leitung mit jeweils zwei Teilzeitkräften erprobt werden. Die Besonderheit: Um mehr Interessenten anzusprechen und auf verschiedene Teilzeitbedürfnisse eingehen zu können, gibt es für die teilnehmenden Schulen bis zu 20 Prozentpunkte Stellenzuschlag auf den Chefposten. Dadurch wären Aufteilungen 50:50 ebenso möglich wie 60:70 oder 80:40, erläuterte Gebauer. «Um eine Ausweitung des Topsharing-Modells auf andere Regierungsbezirke zu ermöglichen, werden wir für den Haushalt 2019 zusätzliche Stellen anmelden», kündigte Gebauer an. Auch für andere Schulformen sei geteilte Leitung denkbar, sind sich Schulministerin und Gewerkschaften einig.
GEW: “Enttäuschend”
Außerdem wird die Leitungszeit im Rahmen des Modellversuchs um zwei auf elf Stunden erhöht. Der Modellversuch ist zunächst auf fünf Jahre angelegt und soll vom Landesinstitut für Schule begleitet und ausgewertet werden. Ein vergleichbares Modell aus anderen Bundesländern ist weder dem Schulministerium noch der GEW bekannt. “Die Idee ist groß, aber die Teilnehmerzahl ist mit nur fünf Projektschulen klein”, meint Gewerkschafts-Chefin Schäfer (angesichts von Hunderten von vakanten Schulleiterstellen). Deshalb nennt die GEW die Initiative alles in allem “enttäuschend”. „Das ist nicht der große Wurf”, betont Schäfer – mit Blick auch darauf, dass für den Ausbau der Schulverwaltungsassistenzen bislang überhaupt keine festen Stellenzusagen gemacht worden seien, obwohl die heutigen Regierungsfraktionen von CDU und FDP 3000 solcher Stellen gefordert hätten, als sie selbst noch in der Opposition waren.
Immerhin kündigte Gebauer an, 2019 mit dem Aufbau von Assistentenstellen zu starten, um Lehrer und Schulleiter von Bürokratie zu entlasten. 45 sollen es zunächst sein. Eine Zielmarke wollte die Ministerin auch heute noch nicht nennen – aus Sicht der GEW muss langfristig jede Schule eine Assistenz haben.
Die GEW-Landesvorsitzende Schäfer – selbst 27 Jahre als Lehrerin tätig – kennt den Nutzen aus eigener Erfahrung. «Ich war zuletzt an einer Gesamtschule in Unna, die eine Assistenz hatte – alle waren völlig begeistert.» Es sei nicht nötig, dass Lehrer etwa Bundesjugendspiele organisierten, stellte die 63-jährige studierte Oberstufenlehrerin für Mathe und Physik fest.
Gebauer kündigte darüber hinaus spezielle Mentoren- und Fortbildungsprogramme an, um Führungskräfte frühzeitig zu identifizieren und zu fördern. «In der Wirtschaft sind das bewährte Instrumente, aber im öffentlichen Dienst der Schulen sind das Neuerungen», kommentierte sie ihr «Attraktivitätspaket Schulleitung». Die Anmeldungen für Schulleitungsqualifizierungen seien binnen eines Jahres bereits um 30 Prozent gestiegen. Dies sei auch auf die jüngsten Besoldungserhöhungen für Leiter und ihre Stellvertreter an Grund- und Hauptschulen zurückzuführen. Schulleiter verdienen ihren Angaben zufolge seit 2017 beinahe 1000 Euro brutto mehr im Monat, ihre Vize haben seit Anfang 2018 bis zu 700 Euro mehr.
Der VBE zeigt sich trotzdem ebenso skeptisch wie die GEW. ‚Fast die Hälfte der Grundschulleitungen wünscht sich ein Jobsharing für die Führungsposition”, sagt Landesvorsitzender Stefan Behlau mit Blick auf eine aktuelle Umfrage des VBE unter Schulleitern (News4teachers berichtete). “Insofern begrüßen wir, dass die Schulministerin mit dem Modell ‚Schulleitung in Teilzeit‘ diesem Wunsch Rechnung trägt und Frauen die Möglichkeit erhalten, Führungsaufgaben und Familie besser zu vereinbaren. Teilzeitregelungen und Mentoring sind jedoch nur erste Schritte, um dem Schulleitermangel in NRW zu begegnen”, betont Behlau – und prophezeit: “Ohne angemessene Bedingungen bleiben die Posten weiterhin unbesetzt.” News4teachers / mit Material der dpa