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Gerichtsverhandlung um Lehrerin mit Kopftuch könnte zum Präzedenzfall werden

BERLIN. Ein Gesetz schreibt vor, dass in Berlin Lehrer an den meisten Schulen, Polizisten und Mitarbeiter der Justiz im Dienst keine religiösen Symbole zeigen dürfen. Eine junge Lehrerin sieht das anders und zieht vor Gericht. Wie das ausgeht, ist noch ungewiss.

Ein Kopftuch wird als religiöses Symbol gewertet.                                                           Foto: Ranoush / flickr (CC BY-SA 2.0)

In einem neuen Streit um eine Berliner Lehrerin mit Kopftuch hat die Anwältin und liberale Moscheegründerin Seyran Ates appelliert, religiöse Symbole weiter aus den Schulen herauszuhalten. «Das Kopftuch steht nun mal für große Konflikte», die sollten nicht durch Lehrerinnen in die Schule getragen werden», sagte Ates am Montag nach einer Verhandlung am Arbeitsgericht in der Hauptstadt. Sie vertritt die Bildungsverwaltung. Das Gericht will am 9. Mai eine Entscheidung verkünden. Richter Arne Boyer sprach von keinem einfachen Fall.

Eine ausgebildete Lehrerin hat gegen das Land Berlin geklagt. Sie will mit Kopftuch dauerhaft an einer Grundschule unterrichten. Der Bildungssenat verweigert dies mit Blick auf das Neutralitätsgesetz.

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Laut Gesetz dürfen Polizisten, Justizmitarbeiter und Lehrer an allgemeinbildenden Schulen im Dienst keine religiös geprägten Kleidungsstücke tragen. Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) will daran festhalten. Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) meint, das Gesetz sei nicht zu halten. Die Linke als Koalitionspartner hat noch keine abschließende Meinung.

Im Vorjahr hatte das Landesarbeitsgericht einer muslimischen Lehrerin mit Kopftuch eine Entschädigung von 8.680 Euro zugesprochen. Sie hatte argumentiert, sie sei wegen des Kopftuchs abgelehnt und diskriminiert worden. Das Gericht sah eine Benachteiligung, sprach jedoch von einer Einzelfallentscheidung.

Die Klägerin, die zur aktuellen Verhandlung nicht ins Gericht kam und in Elternzeit ist, hatte mit Kopftuch einen Tag an einer Grundschule unterrichtet. Sie wurde freigestellt und dann einem Oberstufenzentrum zugewiesen, wo das Kopftuch erlaubt ist. Dort hätte sie aber nur in einer Willkommensklasse unterrichten können. Die junge Frau hatte vor der Einstellung bejaht, dass sie das Neutralitätsgesetz kenne.

Bedeutung der Religionsfreiheit

Ates sagte, die Lehrerin sei darauf hingewiesen worden, dass sie mit Kopftuch laut Gesetz nicht vor einer Klasse stehen darf. Dass sie es dennoch getan habe, könne man als Täuschung werten. Dennoch rechnete die Anwältin, die von vier Personenschützern umgeben war, mit einer Niederlage für den Senat.

Es wäre die «sauberste Lösung», den Fall dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen, so Ates. Das oberste Gericht hatte zuletzt 2015 ein pauschales Kopftuchverbot an nordrhein-westfälischen Schulen gekippt und die Bedeutung der Religionsfreiheit betont. Allein vom Tragen eines Kopftuches geht demnach keine Gefahr aus.

Für die Bildungsverwaltung verteidigte Ates das Berliner Gesetz. In der Hauptstadt lebten Menschen aus fast 120 Nationalitäten, die miteinander auskommen müssten. Doch gerade an Brennpunktschulen würden sich Kinder verschiedener Religionen bekriegen. Da wäre eine Lehrerin mit Kopftuch Vorbild für muslimische Kinder, sie würde so Konflikte verstärken. «Allein das Tragen des Kopftuches symbolisiert, ich bin für eine strenge orthodoxe Auslegung des Islam, das ist die richtige muslimische Lebensweise.» Dieser Gefahr solle präventiv begegnet werden.

Sollte die junge Lehrerin Recht bekommen, würde ein Präzedenzfall geschaffen und das einzigartige Privileg, an einer bestimmten Schule unterrichten zu können, warnten die Vertreter des Senats. Richter Boyer sagte, in diesem Fall könne das Land eine Vollstreckungs-Gegenklage einreichen.

«Hier geht es darum, das Neutralitätsgesetz zu kippen», meinte Ates. Sie räumte aber auch Fehler des Senats ein. Das Einstellungsschreiben sei nicht präzise genug formuliert worden.

Die heute 54-Jährige hatte die liberale Ibn-Rushd-Goethe-Moschee in Berlin-Moabit gegründet und danach Morddrohungen bekommen. In dem Gotteshaus können Frauen und Männer aus allen Richtungen des Islam gemeinsam beten. Frauen müssen dabei kein Kopftuch tragen. dpa

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