Die Wortwahl ist drastisch: Von einer „katastrophalen Entwicklung“ ist in der Studie, die das ISF in Kooperation mit dem Grundschulverband durchgeführt hat, die Rede. Schülern würden Lebenschancen vorenthalten. „Außerdem wird eine gerade in den Dienst eingestiegene Lehrergeneration innerhalb kürzester Zeit verheizt sein“, so sagen die Autoren voraus.
Als wichtigste Belastungsfaktoren werden geschildert:
- Der Komplex „Leistungsbeurteilungen/Lernentwicklungsberichte/ Kompetenzbasierte Leistungsrückmeldung (KompoLei)“, der als zeitlich und psychisch dominierend wahrgenommen wird. Überhaupt: Der bürokratische Aufwand, etwa die Umsetzung behördlicher Vorgaben, gilt als besonders belastend. Über ein Drittel der befragten Lehrkräfte konstatiert zudem eine fehlende Anerkennung ihrer Arbeit durch die Behörde.
- Ein weiteres großes Problemfeld ist das Schülerverhalten, insbesondere eine „hohe Aggressivität“ sowie Undiszipliniertheiten. Die familiären Probleme vieler Schüler wirken sich auf den Unterricht aus. „Die infolge eines solchen Verhaltens folgenden Konferenzen wegen möglicher Ordnungsmaßnahmen werden zwar zeitlich als verhältnismäßig wenig, aber psychisch als hoch belastend empfunden“, so heißt es. Die „Trägheit sowie das Unvermögen mancher Eltern“, mitunter sogar aggressive Reaktionen, kommen noch verschärfend hinzu.
- Der Lärm in den Schulen belastet die Kollegien in erheblichem Maße – genauso wie zu große Klassen und mangelhafte materielle Ausstattung
- Die Kluft zwischen eigenem Anspruch und der Wirklichkeit wird ebenfalls als belastend geschildert. „Die Kollegien würden gerne, wenn es denn die Zeit hergäbe, mehr in den Kernbereich der unterrichtlichen Tätigkeit investieren, weil sie hier die Ergebnisse als defizitär wahrnehmen. Sie nehmen die Interessen der verschiedenen Schülergruppen und zwar die der leistungsstarken, die des mittleren Leistungssegments, wie auch derer , die besonderer Förderung bedürfen, als nicht angemessen angenommen wahr. Sie bemängeln, dass für Planung, Reflexion, Entwicklung neuer Formen keine ausreichende Zeit zur Verfügung steht.“
Angesichts dieser Schilderungen überrascht die – immer noch – positive Grundhaltung, die sich die Lehrer bewahrt haben. „Die Kooperation in den Kollegien nimmt die Lehrkräfte zeitlich sehr in Anspruch, belastet sie aber psychisch kaum. Das Klima in den befragten Kollegien ist durchweg kooperativ geprägt und den Schülern sehr zugewandt. Es besteht eine hohe Motivation für die Ausübung des Berufs“, so heißt es in dem Bericht.
Durch die extremen Belastungen im Beruf werden jedes Jahr Tausende von Lehrerinnen und Lehrer frühzeitig pensioniert. Das komplizierte Verfahren wirft viele Fragen auf. News4teachers hat deshalb jetzt einen 36-seitigen Ratgeber herausgegeben, der Antworten liefert und Lösungen für mögliche Probleme aufzeigt, die Betroffenen drohen können – verfasst vom Fachanwalt Michael Else.
Hier lässt sich das Dossier herunterladen (kostenpflichtig).
Die Autoren zeigen sich aber sicher, dass das nicht so bleibt – wenn die Belastungen nicht umgehend zurückgefahren werden. Denn:. „Widersprüchliche grundlegende Zielsetzungen und häufige Paradigmenwechsel führen zu einer grundlegenden Verunsicherung der Lehrkräfte, weil alle postulierten Ziele so nicht erreicht werden können. Auf der einen Seite sollen die Schulen in einem auf frühzeitige Auslese ausgerichteten System möglichst viele der zentral definierten weitgehend kognitiven Leistungsansprüche erfüllen, auf der anderen Seite sollen sie die durch affektive Lernziele erweiterten höchst anspruchsvollen Inklusionsziele realisieren.“
Was ließe sich unternehmen, um zu einer spürbaren Verbesserung der Situation zu kommen? Die Autoren listen einen Empfehlungskatalog auf. Darin enthalten: Arbeitsschutz verbessern („dauerhafte Überlastung der Kollegien führt absehbar in eine personalwirtschaftliche und somit auch pädagogische Katastrophe“), Wertschätzung der vorgesetzten Behörden gegenüber den Lehrkräften, sowie eine Aufgabenkritik – „Maßnahmen dürfen nur umgesetzt werden, wenn sie auch materiell abgesichert sind. Ihre Wirksamkeit muss nach einer jeweils definierten Laufzeit evaluiert werden“. Und: Lärmschutz. bibo / Agentur für Bildungsjournalismus
