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Schon eine Kita, die über Religionen hinweg Brücken bauen will, geht der AfD zu weit – “Multikulti-Wahn”

Vor dem Sprung: Kita-Kinder vor der Einschulung.

Wie viele Plätze müssen die Kitas denn vorhalten? Foto: Woodleywonderworks / Flickr (CC BY 2.0)

GIFHORN. Nach zwei Jahren Planung geht es los. In Gifhorn betreut ab August eine «Zwei-Religionen-Kita» christliche, muslimische und konfessionslose Kinder. Bei der offiziellen Eröffnung gab zwar neben guten Wünschen auch Pizza und Börek als Vorgeschmack. Die Begleitmusik allerdings war hässlich: Die AfD hatte im Vorfeld massiv gegen das Projekt gehetzt.

Welche “deutschen Werte” die AfD in der Kita vermittelt sehen möchte, ließ sie offen – Toleranz jedenfalls nicht. Foto: woodleywonderworks / Flickr (CC BY 2.0)

Großes Aufsehen für eine kleine Einrichtung. Eine «Zwei-Religionen-Kita» für Kinder aus christlichen, muslimischen und konfessionslosen Familien ist am Donnerstag in Gifhorn eröffnet worden. Die Initiatoren sprechen von einer bundesweit einmaligen Einrichtung. «Dass Religion bei uns im Vordergrund steht, unterscheidet uns von anderen Einrichtungen», sagte Kita-Leiterin Linda Minkus bei der Eröffnungsfeier. Das sei für die Kinder schon im Morgenkreis spürbar, wenn Lieder mit christlichem und muslimischem Hintergrund gesungen würden.

Nach einer rund zweijährigen Planungsphase werden in der Kita ab August insgesamt 15 muslimische, christliche oder konfessionslose Kinder die Tagesstätte «Abrahams Kinder» besuchen. Die ein bis fünf Jahre alten Kinder werden sich unter anderem damit beschäftigen, warum die einen Weihnachten, Ostern oder Ramadan feiern – und die anderen eben nicht. Das Essen soll halal-zertifiziert sein, also auch den Speisevorschriften des Islam folgen. Und auch bei den vier Erzieherinnen sind die Religionen gleichmäßig vertreten. Hinter dem Projekt stehen die muslimische Ditib-Moschee in Gifhorn, die katholische St. Altfrid-Gemeinde und die evangelische Dachstiftung Diakonie.

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“Das Gemeinsame betonen”

«Ich möchte, dass meine Tochter früh mit anderen Religionen in Berührung kommt», begründete Sophie Fritsche ihre Entscheidung, ihre Tochter Mabel-Lou anzumelden. Sie erhofft sich, dass so Missverständnisse und daraus entstehende Konflikte vermieden werden. Auch Ali Akdeniz verspricht sich viel von der interreligiösen Einrichtung und hat seinen Sohn Ensar schon für das nächste Jahr angemeldet. «Er wächst in Deutschland auf und soll seine muslimischen Wurzeln kennenlernen», sagte Akdeniz. Der 29-Jährige hätte es sich sehr gewünscht, wenn das in seinem Kindesalter in Deutschland schon möglich gewesen wäre. «Ich durfte lernen, wer Martin-Luther war. Die anderen Kinder erfuhren aber nicht, was mein Zuckerfest ist.»

«Seitdem ich den Job angenommen habe, werde ich oft zu den Unterschieden befragt», sagte Kita-Leiterin Minkus. «Als Antwort darauf, möchte ich aber das Gemeinsame betonen, weil es eindeutig überwiegt», sagte die 29-Jährige, die zuvor in einer katholischen Einrichtung arbeitete. Klares Ziel der neuen Kita ist es, die verbindenden Elemente beider Religionen in den Kita-Alltag zu integrieren, damit die Kinder beide Kulturen näher kennenlernen können.

«Es ist doch mittlerweile völlig normal, dass muslimische Kinder in die Kitas gehen», betonte Projektsprecherin Ingetraut Steffenhagen. Der einzige Unterschied sei, dass in der neuen Kita die Religion im Zentrum des Konzepts stehe, sagte sie. Die Hoffnung ist, dass es Eltern leichter fällt, sich zu engagieren, wenn sie wissen, dass die jeweilige Gemeinde dahintersteht. «Die Anmeldungen sind schon ein erstes Zeichen des Vertrauens», meint Steffenhagen. Die Eingewöhnung für die erste Gruppe beginnt schon in der nächste Woche. Zur Eröffnung gab es mit Pizza und Börek schon einen ersten Vorgeschmack. dpa

Streit mit der AfD

„Unsere Jüngsten, ob mit muslimischem oder christlichen Hintergrund, sollten im Kindergarten (…) unsere deutschen Werte vermittelt bekommen und nicht ihre Unterschiedlichkeit in religiösen Fragen erlernen“ – meint die AfD in einer Pressemitteilung und trommelte im Vorfeld der Eröffnung gegen das Projekt. Im Rat von Gifhorn produzierte die Partei einen Eklat, indem sie der Stadtverwaltung einen „Multikulti-Wahn“ unterstellte. Daraufhin verließ die SPD-Fraktion geschlossen den Saal, wie regionalheute.de berichtet.

Gifhorns Bürgermeister Matthias Nerlich bezog deutlich Stellung gegen die Anfeindungen der AfD: „Abrahams Kinder ist ein gemeinsames Projekt von Diakonie, der katholischen Kirchengemeinde und der türkischen und kurdischen Gemeinde. Die institutionelle Trägerschaft liegt bei der Diakonie. Der Diakonie zu unterstellen, sie unterwerfe sich dem Erdogan-Regime, ist diffamierend.“

Weiter erklärte er dem Bericht zufolge: „Diversität der Religionen ist Bestandteil der Menschheitsgeschichte und Bestandteil unserer Gesellschaft. Es geht darum, aus der Unterschiedlichkeit heraus das Gemeinsame zu erlernen. Das gemeinsame Moment aller abrahamitischen Religionen ist die Friedensbotschaft, sie ist das Vereinende. Der Anspruch des Kindergartens ist es, dass Kinder voneinander lernen, sich gegenseitig wertzuschätzen.“

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