BERLIN. Der Missbrauchsfall unter Berliner Grundschülern schlägt Wellen – und macht deutlich, wo augenscheinlich die Grenzen der Inklusion liegen: Der mutmaßliche Haupttäter, ein Zehnjähriger, soll nun künftig von normalen Schulen ferngehalten werden. „Wir wollen alle rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen, dass der Junge keine Regelschule besucht, sondern besondere Schulmaßnahmen erfährt“, sagte eine Sprecherin der Berliner Senatsschulverwaltung. Für ihn könnte es dann Unterricht in besonderen Kleingruppen geben oder sogar eine spezielle Einzelfallhilfe organisiert werden.
Das Opfer, ein ebenfalls zehnjähriger deutscher Junge, wurde kurz vor den Sommerferien während einer Klassenfahrt nach Schloss Kröchlendorff in Brandenburg vergewaltigt. Der Haupttäter stammt offenbar aus einer afghanischen Flüchtlingsfamilie. Zwei Mittäter, ebenfalls Flüchtlingskinder, hielten das Opfer fest. Schulpsychologen und Sozialarbeiter kümmern sich um den Fall. Ein Freund des Opfers soll einem Schulpsychologen von der Tat erzählt haben. Erst dadurch wurde der Fall überhaupt erst der Schule und den Eltern bekannt. Die betreuenden Lehrer bekamen während der Klassenfahrt nichts von dem Geschehen mit.
Der zehnjährige mutmaßliche Haupttäter werde künftig wohl in einer Schulersatzmaßnahme unterrichtet werden, so berichtet die Berliner „Morgenpost“. Schulersatzprojekte werden in der Regel von freien Trägern der Jugendhilfe angeboten, es handelt sich häufig um lerntherapeutische Einrichtungen. „Er geht jetzt nicht einfach auf eine andere Schule“, erklärte eine Sprecherin der Bildungsverwaltung dem Bericht zufolge. Diese Möglichkeit gebe es, wenn Rechtsgutachten und eine Diagnose der Schulunfähigkeit vorlägen, die nun erstellt würden. Das Jugendamt des betroffenen Bezirks habe bereits ein psychologisches Gutachten bei der Kinderschutzambulanz der Charité bestellt. „Eine öffentliche, allgemeinbildende Schule in Berlin wird der Junge nicht mehr besuchen“, so zitiert das Blatt die Sprecherin. Derzeit ist er offenbar von der Schulpflicht entbunden.
“Alle rechtlichen Möglichkeiten ausgeschöpft”
Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) erklärte gegenüber der „BZ“: „Alle Kräfte haben hier zusammen gearbeitet: Schulpsychologie, Schulleitung, Jugendamt und Polizei, um den Fall aufzuarbeiten. Keiner der Täter geht mehr in die Schule. Dafür haben wir alle rechtlichen Möglichkeiten ausgeschöpft.“ Für die beiden elfjährigen Mittäter, ein Syrer und ein Afghane, seien allerdings inzwischen andere Schulen in anderen Bezirken gefunden worden, so heißt es mittlerweile. Die Schulen seien über die Hintergründe des Schulwechsels informiert, hieß es.
Juristische Konsequenzen gibt es in dem Fall nicht. Das registrierte Alter des zehnjährigen mutmaßlichen Haupttäters werde nicht in Frage gestellt, hieß es. „Es gibt keinen Zweifel am Alter“, sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft am Montag. Daher ermitteln die Berliner Polizei und die Staatsanwaltschaft in dem Fall nicht mehr, weil der Haupttäter und seine beiden Mittäter juristisch Kinder und damit nicht strafmündig sind. Erst ab dem Alter von 14 Jahren können Jugendliche für Taten von der Justiz bestraft werden.
Die „BZ“ sprach mit der Klassenlehrerin. Ihr zufolge hatte der Haupttäter schon zuvor immer wieder andere Mitschüler geschlagen oder sich ihnen in den Weg gestellt. Er habe als verhaltensauffällig gegolten, sexuelle Auffälligkeiten aber nicht gezeigt. Ob das Kind auf der Flucht oder möglicherweise auch in seiner Familie Gewalterfahrungen gemacht hat, dazu mochte der zuständige Stadtrat für Jugend und Familie, Gordon Lemm (SPD), nicht Stellung beziehen. Das Jugendamt könne keine Auskünfte zu persönlichen Hintergründen geben. Deshalb ist auch unklar, ob der Junge weiter bei seiner Familie bleibt oder besser von ihr getrennt wird. News4teachers / mit Material der dpa
Der Fall wird auch auf der Facebook-Seite von News4teachers heiß diskutiert.