MÜNCHEN. Die große Mehrheit der Deutschen findet es positiv, dass derzeit wegen der #MeToo-Kampagne eine öffentliche Debatte über sexuelle Belästigung geführt wird – und befürworten überhaupt eine Behandlung von Gender-Themen an den Schulen. Dies hat das aktuelle Bildungsbarometer des Münchner ifo-Instituts ergeben. Bemerkenswert darüber hinaus: Jugendliche bewerten die Schule, die sie besuchen, im Schnitt deutlich besser, als es ihre Eltern tun.

Was denken die Deutschen über die #MeToo-Debatte? Sollten Themen der Gleichstellung und der sexuellen Belästigung im Schulunterricht behandelt werden? Und: Denken Jugendliche anders über diese und andere bildungspolitische Themen als Erwachsene? Diesen und weiteren Fragen geht das Bildungsbarometer 2018 nach.
Ergebnisse: 74 Prozent der Frauen und 66 Prozent der Männer begrüßen die Debatte, wie das ifo Bildungsbarometer ergeben hat, die größte Bildungsumfrage in Deutschland. Sexuelle Belästigung in Deutschland sehen 45 Prozent der Frauen und nur 30 Prozent der Männer als ernsthaftes Problem. Für kein oder ein kleines Problem halten es 22 Prozent der Frauen, aber 37 Prozent der Männer. Dreiviertel-Mehrheiten sind in beiden Gruppen aber jeweils dafür, dass im Schul-Unterricht Themen wie Gleichstellung, Gewalt und Machtmissbrauch von Männern gegenüber Frauen und sexuelle Belästigung behandelt werden. Deutliche Mehrheiten der Frauen und Männer sehen an den Schulen und Universitäten keine Bevorzugung eines Geschlechts, im Gegensatz zum Arbeitsmarkt, wo mehrheitlich eine Bevorzugung der Männer empfunden wird.

Die Deutschen sind auch mehrheitlich dafür, dass Lehrkräfte in ihrer Aus- und Fortbildung lernen, wie sie bei ihrer Unterrichtsgestaltung besser auf Geschlechterunterschiede eingehen können, dass Mädchen an deutschlandweiten Aktionstagen zu männerdominierten Berufen und Jungen zu frauendominierten Berufen teilnehmen, und dass staatliche Stipendien-Programme für Frauen ausgebaut werden in Fächern wie Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik. Getrennten Unterricht für Jungen und Mädchen in Mathematik und Sprachen sowie den Ausbau von getrennten Schulen lehnen deutliche Mehrheiten von Frauen und Männern ab. Geteilter ist die Meinung zu getrenntem Sportunterricht.
Deutliche Mehrheiten der Frauen und Männer möchten, dass der Frauenanteil in IT-Berufen und der Männeranteil in Pflegeberufen steigt. Für verpflichtende Geschlechterquoten bei Führungspositionen in Unternehmen finden sich sowohl bei Frauen als auch bei Männern relative, aber keine absoluten Mehrheiten. Für verpflichtende Quoten in der Politik, bei Universitätsprofessuren und bei der Studienplatzvergabe gibt es bei Frauen ebenfalls deutliche relative, aber keine absoluten Mehrheiten, bei Männern hingegen nicht so sehr. Sowohl Männer als auch Frauen sind mehrheitlich der Meinung, dass Mütter junger Kinder, aber nicht die Väter ihre Berufstätigkeit reduzieren sollten. Nach sonstigen aktuellen Bildungsthemen befragt, lehnt die Mehrheit der Deutschen Schreiben nach Gehör an Grundschulen deutlich ab, Englischunterricht ab der ersten Klasse befürworten sie hingegen.
Das ifo Bildungsbarometer ist eine vom ifo Zentrum für Bildungsökonomik entwickelte jährliche Meinungsumfrage unter mehr als 4.000 Befragten, die eine repräsentative Stichprobe der erwachsenen Bevölkerung in Deutschland darstellen. Erstmals hat das diesjährige Bildungsbarometer darüber hinaus 1.000 Jugendliche im Alter von 14 bis 17 Jahren befragt.
Unter den Jugendlichen ist die große Mehrheit gegen getrennten Unterricht für Jungen und Mädchen in Mathematik und Sprachen. Beim Sportunterricht ist die Meinung geteilter, mit einer leichten Mehrheit für getrennten Unterricht insbesondere unter den Mädchen. Deutliche Mehrheiten der Mädchen, aber auch der Jungen sind dafür, dass Themen wie Gleichstellung von Mann und Frau, Gewalt und Machtmissbrauch von Männern gegenüber Frauen und sexuelle Belästigung im Unterricht behandelt werden.
Die Jugendlichen sind wie die Erwachsenen mehrheitlich für die Einführung von deutschlandweit einheitlichen Abschlussprüfungen, für einheitliche Vergleichstests in verschiedenen Jahrgangsstufen, gegen die Abschaffung von Schulnoten und für Klassenwiederholungen bei schlechten Leistungen. Allerdings gibt es auch Unterschiede: Zum Beispiel sind 60 Prozent der Erwachsenen für die Einführung eines Ganztagsschulsystems bis 15 Uhr, 64 Prozent der Jugendlichen sind dagegen.

Im Gegensatz zu den Erwachsenen würden die Jugendlichen eher zusätzliche Lehrmittel anschaffen als Klassengrößen verkleinern. Wie die Erwachsenen sind die Jugendlichen mehrheitlich für die Vermittlung von Digital- und Medienkompetenzen in Grund- und weiterführenden Schulen. Sie können sich einen größeren Anteil der Unterrichtszeit zur selbständigen Arbeit am Computer vorstellen. Weit mehr als die Erwachsenen sind sie dafür, dass Schulen über digitale Kommunikationswege in Kontakt mit ihnen selbst treten – aber eher weniger beim Kontakt der Schulen mit den Eltern.
Bemerkenswert auch: Auf die Frage, welche Schulnote sie ihrer aktuellen Schule insgesamt geben würden, vergibt fast die Hälfte der Jugendlichen (49 Prozent) die Noten 1 oder 2. Die Erwachsenen sind in ihrer Bewertung der Schulen deutlich kritischer: Für die Schulen vor Ort vergeben lediglich 34 Prozent der Erwachsenen die Noten 1 oder 2. News4teachers
Hier geht es zu einer Zusammenfassung der Studie des ifo-Instituts.
Die Umfrage wird auch auf der Facebook-Seite von News4teachers kontrovers diskutiert.
Bildungsbarometer: Digitale Revolution an Schulen würde auf fruchtbaren Boden fallen

