BERLIN. Der Präsident des Deutschen Lehrerverbands, Heinz-Peter Meidinger, will dem seit Jahrzehnten existierenden „Schweine-Zyklus“ bei der Lehrereinstellung ein Ende bereiten – und schlägt ein schlichtes Gegenmittel vor: Einstellungen „über Bedarf“ in Zeiten des Lehrerüberangebots – also bei den Gymnasien: jetzt!
Eine „ausgesprochen kurzsichtige, perspektivisch allenfalls bis zum Ende der jeweiligen Legislaturperiode reichende Personalpolitik“ bei der Lehrereinstellung hat der Präsident des deutschen Lehrerverbandes, Heinz-Peter Meidinger, der Mehrheit der Bundesländer vorgeworfen. Er betont: „Dadurch, dass viele Bundesländer zu spät und dann auch überhastet auf Verschiebungen beim Lehrerarbeitsmarkt, beispielsweise den Geburtenanstieg, reagierten, verstärkten sie noch den „Schweinezyklus“ auf dem Lehrerarbeitsmarkt. Der Wechsel zwischen Lehrerüberangebot und Lehrermangel fällt daher zukünftig noch dramatischer aus als bisher schon.“
Als Beispiel nannte er den Lehrermangel im Grundschulbereich, wo man vor einigen Jahren in einer Reihe von Bundesländern noch ein Überangebot hatte und kurzsichtig Lehramtsstudienplätze abgebaut hat, die jetzt dringend fehlten. Andererseits komme jetzt der eigentlich vor bereits vor fünf Jahren notwendige Ausbau von Lehramtsstudienplätzen zu spät und werde in weiteren fünf Jahren zu einem neuerlichen Überangebot von Grundschullehrkräften zumindest in vielen alten Bundesländern führen, wie die Prognosen der KMK und der Bertelsmann Stiftung bereits zeigten.
Mit Blick auf den Lehrerbedarf an den Gymnasien erklärte der Verbandspräsident: „Im Gymnasialbereich machen viele Bundesländer bei der Lehrerrekrutierung genau wieder denselben Fehler. Wegen des derzeitigen Überangebots gehen die Studienanfängerzahlen massiv zurück und ab 2024 werden die für die Rückkehr des neunjährigen Gymnasiums zusätzlich notwendigen Gymnasiallehrkräfte bitter fehlen!“
Als positive Ausnahme lobt Meidinger das Bundesland Bayern, das zwar auch vom Lehrermangel im Grundschulbereich betroffen sei, aber derzeit im Gegensatz zu den meisten anderen Bundesländern ohne die massenhafte Einstellung von pädagogisch in keiner Weise qualifizierten Seiten- und Quereinsteigern auskomme und schon jetzt Modelle für die Deckung des Lehrermehrbedarfs in einigen Jahren wegen des G9 entwickle.
Kritik an hoher Zahl von Quereinsteigern
Meidinger nennt es eine der „schmerzlichsten Erfahrungen“ seiner bisherigen Amtszeit, dass insbesondere in Berlin und den neuen Bundesländern, aber auch in Nordrhein-Westfalen derzeit bei der Einstellung von Quereinsteigern fast alle bisher geltenden Qualitätsmaßstäbe über Bord geworfen werden und teilweise ein einwöchiger Crashkurs für eine dauerhafte Unterrichtstätigkeit genüge. „Damit wird nicht nur dem Anspruch an die Professionalität des Lehrerberufs ein Bärendienst erwiesen, sondern auch einer ganzen Generation von Schülern massiv geschadet, was ihren Kompetenzerwerb und ihre Zukunftschancen anbetrifft.“
Für die Zukunft mahnt der Dachverbandsvorsitzende eine über größere Zeiträume reichende, vorausschauende Personalpolitik im Schulbereich an, dazu gehörten schneller aktualisierte Lehrerbedarfsprognosen, aber auch eine Einstellung über Bedarf in Zeiten des Lehrerüberangebots, um sich für die jeweils folgenden Phasen des Lehrermangels die gut qualifizierten Lehramtsabsolventen zu sichern – und nicht wieder auf unzureichend qualifizierte Seiteneinsteiger angewiesen zu sein. Diesen rechnerischen Übergang könne man für Unterrichtsreserven, für Differenzierungsmaßnahmen und individuelle Förderung sowie die Verkleinerung von Klassen einsetzen. News4teachers
Der Begriff “Schweine-Zyklus” ist keineswegs despektierlich gegenüber den Betroffenen gemeint – er beschreibt ein ökonomisches Phänomen: eine periodische Schwankung der Angebotsmenge und des Marktpreises (beziehungsweise der Nachfrage). Der Begriff ist in den Wirtschaftswissenschaften verbreitet, seit mit dem Modell Schweinepreisschwankungen ab 1925 in den USA statistisch beschrieben wurden.
Bei hohen Marktpreisen kommt es zu verstärkten Investitionen. Diese wirken sich wegen der Aufzuchtzeit erst mit einem Verzögerungseffekt („Time Lag“) auf das Angebot aus und führen zu einem Überangebot (und Preisverfall). Viele Anbieter reduzieren ihre Produktion, die sich ebenfalls erst zeitverzögert auswirkt – und dann wiederum zu einem relativen Überschuss der Nachfrage (Angebotslücke) und dadurch steigenden Preisen führt.
Auf Arbeitsmärkten etwa führen hohe Gehälter oder allgemein gute Chancen in einem bestimmten Bereich zu einer steigenden Zahl von Studienanfängern, die dann nach mehreren Jahren gleichzeitig auf den Arbeitsmarkt drängen. Die schlechteren Job-Aussichten schrecken sodann neue mögliche Studienanfänger ab. Als klassische Beispiele für solche Arbeitsmärkte in Deutschland gelten der Ingenieurberuf – und eben der Lehrerberuf.
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