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Pädophile zu “Pflegevätern” gemacht: Bildungsbehörde lässt Skandal aufarbeiten

BERLIN. Bewusst wurden Pädophile als “Pflegeväter” eingesetzt: Das Wirken des umstrittenen Psychologen und Sexualwissenschaftlers Helmut Kentler in Berlin wird weiter aufgearbeitet. Die Bildungsverwaltung der Hauptstadt hat Sozialpädagogen der Universität Hildesheim beauftragt, weitere Hintergründe des sogenannten Kentler-Experiments zu klären. Dabei wurden ab Ende der 1960er Jahre mindestens drei Jungen in Berlin zu vorbestraften pädophilen Pflegevätern gegeben. Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) versprach am Montag, dass nichts unter den Teppich gekehrt werde – und entschuldigte sich bei den Betroffenen.

Immer wieder werden Kinder Opfer von sexuellem Missbrauch. Foto: goldsardine / Flickr (CC BY-ND 2.0)

Kentlers Argumentation sei gewesen, dass auch die Jugendlichen von dem Kontakt zu ihren Pflegevätern profitierten. «Ich finde das erschreckend, und es ist ganz deutlich, dass hier ein Verbrechen in staatlicher Verantwortung stattgefunden hat», sagte Scheeres. Sie betonte aber auch, die genaue Rolle der Berliner Behörde sei noch unklar. Jahrelang hatte das Experiment keinen Widerspruch erregt. Erst 2015 wurde es nach Medienberichten als Skandal gewertet.

Wie war das “Experiment” möglich?

Die Wissenschaftler Wolfgang Schröer und Julia Schröder von der Uni Hildesheim kündigten an, bis Ende des Jahres ein Aufarbeitungskonzept zu erstellen. Darin sollen auch die Fragen zweier damaliger Pflegekinder berücksichtigt werden, die sich bei der Bildungsverwaltung gemeldet haben. Ein Anliegen ist es zu klären, wie die Einrichtung dieser Pflegestellen möglich war. Insgesamt lägen bisher sehr viele widersprüchliche Angaben zu dem Experiment – auch von Kentler selbst – vor, sagte Schröer.

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Göttinger Wissenschaftler schrieben 2016 in einem ersten Gutachten im Auftrag der Bildungsverwaltung, dass viele Fragen offen blieben, darunter die genaue Zahl der betroffenen Jugendlichen. Auch die Dauer des Experiments sei unklar. Kentlers wissenschaftliche Integrität stellten sie in Frage. Die Leibniz-Universität Hannover prüft derzeit Kentlers Promotion und distanzierte sich von seinen Forschungspraktiken. Kentler war 1996 emeritiert worden und 2008 gestorben. dpa

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