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Immer mehr Kinder aus reichen und gebildeten Familien besuchen eine Privatschule

BERLIN. Die Zahl der Privatschüler in Deutschland wächst. Im Schuljahr 2017/2018 besuchte fast jeder zehnte Schüler eine Schule in freier Trägerschaft, wie aus Daten des Statistischen Bundesamts hervorgeht – 0,7 Prozent mehr als im Schuljahr zuvor. Der Trend wird noch deutlicher in der längerfristigen Betrachtung. „Der Anteil von Kindern in Deutschland, die eine Privatschule besuchen, hat sich seit den 1990er Jahren in etwa verdoppelt“, so stellt eine aktuelle DIW-Untersuchung fest. Problematisch dabei: Privatschüler stammen immer öfter aus Akademikerfamilien. „Die soziale Segregation zwischen privaten und öffentlichen Schulen hat in den vergangenen 20 Jahren deutlich zugenommen“, sagt Studienautorin Prof. C. Katharina Spieß.

Geschlossene Gesellschaft? Privatschulen sind für immer mehr wohlhabende Familien eine Alternative zum marodem Schulsystem. Foto: bazzadarambler/flickr (CC BY 2.0)

Insgesamt lernen laut Destatis 757.263 Schüler an einer allgemeinbildenden und 239.960 Schüler an einer berufsbildenden Privatschule. In Deutschland befinden sich elf Prozent der allgemeinbildenden Schulen (3.635) und 25 Prozent der berufsbildenden Schulen (2.204) in freier Trägerschaft. Dies macht einen Anteil von 14 Prozent aller Schulen im Bildungswesen aus. Während aufgrund gesunkener Geburtenzahlen von 2000 bis 2017 die Anzahl der Schulen von rund 52.000 auf rund 42.000 gesunken ist und somit um 19 Prozent zurückging, erhöhte sich die Anzahl der Privatschulen im selben Zeitraum um 43 Prozent (von rund 4.000 auf mehr als 5.800 Schulen).

Besonders deutlich haben sich die Privatschulnutzungsquoten laut einer Untersuchung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) nach der Bildung der Eltern auseinanderentwickelt. In Westdeutschland gab es danach im Jahr 1995 noch gar keine Unterschiede: Kinder aus akademischen Elternhäusern gingen mit einem Anteil von knapp vier Prozent nicht häufiger auf eine Privatschule als Kinder, deren Eltern keine Berufsausbildung haben. Anders die Situation im Jahr 2015: Fast 17 Prozent der Akademikerkinder besuchten zu diesem Zeitpunkt eine private Schule.

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Zwar gingen auch Kinder aus bildungsfernen Elternhäusern öfter auf eine Privatschule als 20 Jahre zuvor, mit sieben Prozent waren es jedoch deutlich weniger als aus bildungsnahen Elternhäusern. Noch gravierender war die Entwicklung der Studie zufolge im Osten Deutschlands: Dort gingen Kinder von Eltern ohne Berufsausbildung im Jahr 1995 sogar etwas häufiger auf eine Privatschule als Kinder mit Akademikereltern. 20 Jahre später lagen die Anteile der Privatschulnutzung bei gut vier beziehungsweise 23 Prozent zugunsten der Akademikerelternhäuser.

In Ostdeutschland würden auch mit Blick auf die Haushaltseinkommen die Unterschiede in der Privatschulnutzung immer größer, so die DIW-Studie. Fast 21 Prozent der Kinder aus Haushalten, die zu den 20 Prozent der Haushalte mit dem höchsten Einkommen gehören, gingen 2015 auf eine Privatschule. Aus den Haushalten, die bei den Haushaltseinkommen zu den untersten 20 Prozent gehören, waren es nur gut acht Prozent. 20 Jahre zuvor gab es diesen Nutzungsunterschied nicht. „Schriebe man die Entwicklungen fort, würden Kinder aus einkommensstarken und bildungsnahen Haushalten in den kommenden Jahren einen immer größeren Anteil der Privatschüler ausmachen“, so heißt es in der Untersuchung.

Privatschulen nicht besser

Bedeutet das aber auch, dass die soziale Schere bei der Bildung auseinandergeht, dass also die Bildungschancen von Kindern aus wohlhabenden und bildungsnahen Familien weiter wachsen? „Wenn wir von Bildungsvorsprung sprechen, dann ist die Frage entscheidend, ob Kinder auf Privatschulen tatsächlich mehr oder besser lernen als Kinder auf öffentlichen Schulen. Wir wissen aus anderen Untersuchungen, dass sich die Leistungen von Privatschülerinnen und -schülern und von Schülerinnen und Schülern auf öffentlichen Schulen nicht signifikant unterscheiden. Deshalb geht es nicht darum, dass die einen besser und die anderen schlechter lernen, sondern darum, ob wir Kinder gemeinsam lernen lassen wollen“, so erklärt C. Katharina Spieß, Professorin an der Freien Universität Berlin und Leiterin der Abteilung Bildung und Familie am DIW Berlin.

Das deutsche Grundgesetz verlangt, dass sich Privatschulen ihre Schüler nicht nach den „Besitzverhältnissen“ der Eltern aussuchen dürfen – das Schulgeld muss also für alle Familien zu schultern sein. Damit seien, betont Spieß, bereits wichtige Grundlagen geschaffen, um eine zu große Differenzierung der Schülerschaft zu verhindern. Um dem zunehmenden Trend einer sozialen Segregation entgegenzuwirken, seien jedoch weitere Maßnahmen möglich. Unter anderem könnten beispielsweise Höchstbeträge beim Schulgeld oder eine Einkommensstaffelung verbindlich vorgeschrieben werden. Bisher sei das nur in einzelnen Bundesländern der Fall. Letztlich, so Spieß, gehe es aber darum, „dass öffentliche Schulen für alle Gruppen, auch für bildungs- und einkommensstarke Haushalte, wieder attraktiv werden –  damit wir nicht zunehmend getrennte Lernumwelten haben.“ Agentur für Bildungsjournalismus

Der Beitrag wird auch auf der Facebook-Seite von News4teachers diskutiert.

Privatschulen sehen sich im Wettbewerb um Lehrer durch den Staat benachteiligt – sie wollen auch den Vorbereitungsdienst anbieten können

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