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DSLK: Schulleiter-Umfrage offenbart Probleme mit immer mehr Seiteneinsteigern

DÜSSELDORF. Bildung, Erziehung, Integration, Inklusion – Schule hat immer mehr Aufgaben zu erfüllen. Schulleiter sehen sich vor wachsende Probleme gestellt, zumal immer mehr Seiteneinsteiger ohne pädagogische Vorkenntnisse in den Unterricht springen. Auf dem Deutschen Schulleiterkongress präsentierte der VBE eine Umfrage mit besorgniserregendem Inhalt.

Eröffnungsrunde zum Deutschen Schulleiterkongress (v. l.): Moderatorin Nina Ruge, Wolters Kluwer-Geschäftsführer Michael Gloss (Veranstalter), Moderator Lothar Guckeisen, Dr. Sabine Voermans, Leiterin Gesundheitsmanagement der Techniker Krankenkasse (Partner des Kongresses), und VBE-Chef Udo Beckmann. Foto: DSLK

Lehrermangel, zu viele unqualifizierte Seiteneinsteiger und ein ständig wachsendes Aufgabenspektrum sind Hauptprobleme der Schulleiter in Deutschland. Wie aus einer repräsentativen Befragung für den Verband Bildung und Erziehung (VBE) hervorgeht, haben sich die Probleme seit der Vorjahresstudie kaum verändert, teils sogar verschlechtert. Beim Schulleiterkongress in Düsseldorf kamen am Freitag besorgniserregende Befunde auf den Tisch.

LEHRERMANGEL: 55 Prozent der über 1200 befragten Schulleiter nennen Lehrermangel als größtes Problem (2018: 57 Prozent). An ihren Schulen ist demnach im Schnitt jede neunte Lehrerstelle nicht besetzt.

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INKLUSION und INTEGRATION: Gut jeder vierte Rektor oder Direktor fühlt sich mit der Eingliederung behinderter und ausländischer Schüler überfordert – mit steigender Tendenz. Das Thema landete auf Platz 2 der Problemskala.

Der DSLK

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Physik studiert - obwohl er seinen Physik-Lehrer nicht mochte: Ranga Yogeshwar. Foto: Yogeshwar / Wikimedia Commons (CC BY-SA 3.0 DE)
Fernseh-Journalist Ranga Yogeshwar referiert auf dem Deutschen Schulleiterkongress. Foto: Yogeshwar / Wikimedia Commons (CC BY-SA 3.0 DE)

Der Deutsche Schulleiterkongress (DSLK) ist die jährlich stattfindende Leitveranstaltung für schulische Führungskräfte in Deutschland.

Sie präsentiert zu ihrer achten Auflage vom 21. bis 23. März 2019  in Düsseldorf wieder prominente Referenten und Keynote Speaker – darunter Deutschlands bekanntesten Wissenschaftsjournalisten Ranga Yogeshwar, Hirnforscher Prof. Dr. Gerald Hüther, Jugendforscher Prof. Dr. Klaus Hurrelmann und Ex-Boxweltmeister Henry Maske. Hier gibt es mehr Informationen.

BELASTUNGEN: Als größte Belastungsfaktoren in ihrem Alltag nennen die Schulchefs – wie schon bei der ersten Studie im Vorjahr – das stetig wachsende Aufgabenspektrum (91 Prozent), zunehmende Verwaltungsaufgaben (88 Prozent) und praxisferne Entscheidungen der Politik (86 Prozent) – ebenfalls mit steigender Tendenz.

SEITENEINSTEIGER: 45 Prozent der Schulleiter geben an, bei ihnen unterrichteten Seiteneinsteiger ohne Lehramtsqualifikation. Das sind deutlich mehr als vor einem Jahr (37 Prozent). In zwei Drittel dieser Schulen sind Seiteneinsteiger beschäftigt, die vor ihrem ersten Unterrichtseinsatz keine systematische, pädagogische Vorqualifikation erhalten haben. «Hier setzt sich eine Abwärtsspirale in Gang, die bald nicht mehr aufzuhalten ist», warnt VBE-Chef Udo Beckmann. «Die jahrelange Fehlplanung und das maßlose Draufsatteln von Aufgaben rächen sich jetzt.» Vor allem für Kinder aus schwierigem Milieu, die auf professionelle Lehrer mit viel pädagogischem Geschick angewiesen seien, sei die Entwicklung schlecht.

GEWALT: Jeder achte Schulleiter hat generell ein Problem mit dem Verhalten seiner Schüler. Geklagt wird über Defizite bei Disziplin und Lernwillen sowie über Verhaltensauffälligkeiten. Das Thema Gewalt nennt hingegen nur einer von 100 Befragten.

NOTE: Die Gesamtbewertung der deutschen Schulpolitik landet laut VBE bei einer 4+ (3,7) – im Vergleich zum Vorjahr eine minimale Verbesserung um ein Zehntel.

EMPFEHLUNG: Mehr als jeder fünfte Schulleiter würde seinen Beruf «auf keinen Fall» oder «wahrscheinlich nicht» weiterempfehlen. Etwa genauso viele würden das aber «auf jeden Fall» tun. Jeder Zweite beantwortete die Frage nach der Berufsempfehlung mit «wahrscheinlich».

MOTIVATION: Trotz allem sagen fast alle Schulleiter, sie übten ihren Beruf sehr gern oder eher gern aus. Vor allem von ihren Kollegen fühlen sie sich unterstützt. Vom Schulministerium sagt das nur jeder Zehnte.

GESUNDHEIT: Gut jeder dritte Schulleiter gab an, dass die Zahl derer, die aufgrund psychischer Erkrankungen ausfielen, in den vergangenen Jahren zugenommen habe. Die meisten registrierten allerdings keine Veränderung. Von Bettina Grönewald, dpa

Was der VBE zur Umfrage meint

DÜSSELDORF. „Der Lehrermangel hat sich innerhalb eines Jahres deutlich verstärkt. Sagte letztes Jahr jede dritte Schulleitung, mit Lehrermangel kämpfen zu müssen, ist es jetzt jede zweite. Von den eigentlich zur Verfügung stehenden Stellen sind an den betroffenen Schulen durchschnittlich elf Prozent nicht besetzt. An mehr als jeder dritten dieser Schulen sind es sogar noch mehr. Der Mangel ist kein Randphänomen, er ist bestimmend für die Schullandschaft geworden“, kommentiert der VBE-Bundesvorsitzende Udo Beckmann die Ergebnisse der vom Verband in Auftrag gegebenen forsa-Umfrage zur „Berufszufriedenheit von Schulleitungen“.

Die Umfrage wurde nach 2018 zum zweiten Mal durchgeführt. Wie schon 2018 wurde erfragt, wie zufrieden Schulleitungen mit ihrem Beruf sind, was die größten Belastungsfaktoren sind und wo sie Verbesserungsbedarf sehen. Außerdem interessierte, welche Probleme es an der Schule gibt und ob sie vom Lehrermangel betroffen ist. Erstmals wurde 2019 danach gefragt, wie es um die Gesundheit des Lehrerkollegiums bestellt ist.

Der Mangel an originär ausgebildeten Lehrkräften führt vor allem zur Einstellung von mehr Seiteneinsteigenden. 45 Prozent der Befragten beschäftigen sie. Von diesen geben zwei von drei Schulleitungen an, dass die Seiteneinsteigenden nicht angemessen vorqualifiziert werden. Der VBE fordert eine mindestens halbjährige Vorqualifizierung. Aktuelle Studien zeigten zudem, dass sie überproportional häufig in Schulen in schwierigen sozialen Lagen eingesetzt werden (News4teachers berichtete).

Beckmann zeigt auf: „Kinder, die auf Lehrkräfte angewiesen sind, die mit besonders viel pädagogischem Geschick bilden und erziehen, wird besonders viel Unterricht durch dafür nicht angemessen qualifizierte Seiteneinsteigende gegeben. Hier setzt sich eine Abwärtsspirale in Gang, die bald nicht mehr aufzuhalten ist. Und es gibt sogar eine „doppelte Abwärtsspirale“, denn die originär ausgebildeten Lehrkräfte werden in Zeiten des Lehrermangels immer stärker beansprucht. Jede dritte Schulleitung gibt an, dass die Zahl der langfristig aufgrund psychischer Erkrankungen Ausfallenden zunimmt. So produziert der Lehrermangel eine Verschärfung des Lehrermangels. Die jahrelange Fehlplanung und das maßlose ‚Draufsatteln‘ von Aufgaben rächen sich jetzt.“

Die Politik erhält insgesamt kein gutes Zeugnis der Schulleitungen. Nur zehn Prozent der Schulleiterinnen und -leiter fühlen sich durch die jeweilige Bildungsministerin bzw. den Minister unterstützt. Schulleitungen sehen das stetig wachsende Aufgabenspektrum (91 Prozent) und die steigenden Verwaltungsarbeiten (88 Prozent) als größte Belastungsfaktoren. 86 Prozent der Befragten sehen es als belastend an, dass die Politik bei ihren Entscheidungen den tatsächlichen Schulalltag nicht ausreichend beachtet. Und 84 Prozent der befragten Schulleitungen gaben an, dass sich durch die neuen Herausforderungen und Anforderungen an Schule, für „fast alle Lehrkräfte“ oder „für die meisten“ Mehrbelastungen ergeben. Mehr als ein Viertel der Schulleitungen empfiehlt deshalb ihren Job (wahrscheinlich) nicht mehr weiter. Und: Die Schulpolitik wird durchschnittlich mit einer 3,7 bewertet.

Der VBE-Chef kritisiert: „Die Politik sitzt Probleme so lange aus, bis es fünf nach 12 ist, und verliert sich dann im Klein-Klein reaktiver Maßnahmen. Verantwortungsvolle Bildungspolitik sieht anders aus. Sie orientiert sich bei der Bereitstellung von Ressourcen an den tatsächlichen und zukünftigen Aufgaben von Schule.“ So wünschen sich die Schulleitungen mehr Anrechnungsstunden  (92 Prozent), eine bessere personelle Ausstattung –sowohl mit pädagogischen Fachkräften (87 Prozent) als auch mit organisatorischen Stellen, wie dem Schulsekretariat (70 Prozent) – und eine Erhöhung der Leitungszeiten bei allen Schulen (85 Prozent). Die erweiterte Schulleitung finden 78 Prozent eine gute Verbesserungsmöglichkeit, immer noch 73 Prozent plädieren für eine gesicherte Stellvertreterregelung. „Überall wird über Teamkultur gesprochen, aber die Schulleitung bleibt zum Einzelkämpfer verdammt und muss sich an den eigenen Haaren aus dem Sumpf ziehen! Das wird nicht auf Dauer gut gehen“, warnt Beckmann.

Die Schulleitungen identifizieren die Gesundheitsförderung an Schulen als einen Attraktivitätsfaktor für Bewerberinnen und Bewerber. Jedoch sagen 58 Prozent der Befragten, nicht ausreichend Möglichkeiten dafür zu haben, zur Gesunderhaltung der Lehrkräfte beizutragen. Neben der Reduzierung der Stundenzahl und dem Einstellen von mehr Personal, wünschen sie sich mehr Flexibilität im Stundenplan und mehr Möglichkeiten, Fort- und Weiterbildung anbieten sowie den Vertretungsunterricht gleichmäßiger aufteilen zu können. Die Studie wurde auf dem Deutschen Schulleiterkongress veröffentlicht.

Der Beitrag wird auch auf der Facebook-Seite von News4teachers diskutiert.

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