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Dachverband: Von „Boom“ der Privatschulen kann keine Rede sein

BERLIN. Der vielbeschworene Boom der Privatschulen in Deutschland ist nach Meinung des Verbands Deutscher Privatschulverbände kein gesellschaftlicher Trend, sondern basiert im Wesentlichen auf einmaligen politischen Entwicklungen. Dennoch scheint die Schließung öffentlicher Schulen die soziale Segregation zwischen öffentlichen und privaten Schulen zu verschärfen.

Die Zahl der Privatschulen in Deutschland ist in den letzten 25 Jahren stark gestiegen. Laut dem Statistischen Bundesamt gab es im Schuljahr 2017/2018 5893 Schulen in privater Trägerschaft. 1992 waren es noch 3232 allgemeinbildende und berufliche Privatschulen.

Trotz der gestiegenen Zahl von Privatschulen liegt der Anteil der Privatschüler in Deutschland noch immer unter dem OECD-Schnitt. Foto: Bodzio855 / Pixabay (CC0 1.0)

Nach einer DIW-Untersuchung hatten 2018 rund 14 Prozent aller Schulen einen privaten Träger. Fast jeder zehnte Schüler besuchte eine Schule in freier Trägerschaft. Der Anteil der Privatschüler hat sich damit seit den 90er-Jahren in etwa verdoppelt, liegt aber immer noch unter dem OECD-Schnitt von rund 14 Prozent.

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Trotz dieser Zahlen möchte der Verband Deutscher Privatschulverbände (VDP) nicht von einem Boom sprechen. Die Entwicklung der Privatschulen sei stark mit der politischen Entwicklung in Ostdeutschland seit 1989 verbunden, da es in der DDR nur ein staatliches Schulmonopol gab. “Privatschulen entstanden erst mit dem politischen Aufbruch. Es kam zu bürgerschaftlichen Gründungsoffensiven von Privatschulen, die seitdem in diesem Ausmaß nicht mehr erreicht wurden”, erläutert Verbandsgeschäftsführer Dietmar Schlömp.

Im gleichen Zusammenhang wie Schlömp auf die große Anzahl von Schulschließungen zwischen 1992 und 2015 in Gesamtdeutschland hin, die die Gründung von Privatschulen mit begünstigte. Während dieser Zeit habe sich in den ostdeutschen Ländern die Zahl der staatlichen allgemeinbildenden Schulen stark verringert, von 12.192 auf 5.727 Schulen (-53,1%). In den westdeutschen Bundesländern reduzierte sich die Zahl der allgemeinbildenden Schulen von 29.695 auf 24.192 staatliche Schulen (-18,5%).

Die Zahl der Privatschulen stieg dem VDP zufolge zwischen 1992 und 2017 in Ostdeutschland von 176 auf 983 allgemeinbildende Schulen (+485,5%). In Westdeutschland sei ein Zuwachs von 46,1 Prozent von 1.815 auf 2.652 Schulen zu verzeichnen. “Ein Vergleich dieser Zahlen verdeutlicht, dass die historische Entwicklung zur Einordnung dieser Wachstumsraten von privaten Schulen erforderlich ist und keineswegs von einem Boom der Privatschulen gesprochen werden kann”, so Dietmar Schlömp.

Erst im vergangenen Dezember hatte eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) allerdings ergeben, dass sich die soziale Zusammensetzung zwischen privaten und öffentlichen Schulen in den letzten 20 Jahren deutlich auseinanderentwickelt habe. Im Jahr 2015 besuchten fast 17 Prozent der Kinder aus akademischen Elternhäusern eine private Schule, nur sieben Prozent der Privatschüler stammten dagegen aus bildungsfernen Elternhäusern.1995 seien die Anteile mit je vier Prozent in beiden Gruppen noch nahezu gleich gewesen.

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Noch deutlicher habe sich die Schere in Ostdeutschland geöffnet. Von nahezu ausgeglichenen Verhältnissen habe sich Anteile der Privatschulnutzung in 20 Jahren auf gut vier beziehungsweise 23 Prozent zugunsten der Akademikerelternhäuser entwickelt. Stark seien in den ostdeutschen Bundesländern auch die Unterschiede der Privatschulnutzung mit Blick auf die Haushaltseinkommen gewachsen. Fast 21 Prozent der Kinder aus den 20 Prozent der Haushalte mit dem höchsten Einkommen, gingen 2015 auf eine Privatschule. Aus den Haushalten, deren Einkommen zu den untersten 20 Prozent gehörten, waren es nur gut acht Prozent. „Schriebe man die Entwicklungen fort, würden Kinder aus einkommensstarken und bildungsnahen Haushalten in den kommenden Jahren einen immer größeren Anteil der Privatschüler ausmachen“, so Studienautorin C. Katharina Spieß. (News4teachers)

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