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Von Norwegen lernen? – Wie freie Unterrichtsmaterialien zum Zukunftsweg der Inklusion werden könnten

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BREMEN. Open Educational Resources (OER) würden die meisten Menschen wohl zunächst nicht im Themenfeld Inklusion verorten. Der Bremer Professor Frank J. Müller tut genau das. In einer aktuellen Studie hat er den Einsatz von OER in Norwegen untersucht.

Vor allem in zwei Bereichen stehen Deutschlands Schulen heute vor – oder besser eigentlich bereits in – gewaltigen Herausforderungen: Digitalisierung und Inklusion. Könnte da die Verbindung von Digitalisierung und Heterogenität ein Weg für die Zukunft der deutschen Schulen werden? Frank J. Müller, Juniorprofessor für inklusive Pädagogik an der Universität Bremen, ist davon jedenfalls überzeugt.

Mit OER zu individuell differenzierten Unterrichtsmaterialien, für Frank J. Müller ein Schlüssel zur schulischen Inklusion. Foto: fancycrave1 / Pixabay (PL) [bearbeitet]
Zwei Wochen lang ist der Bremer Bildungswissenschaftler 6295 Kilometer quer durch Norwegen gereist. In einer aktuellen Studie hat er Open Educational Resources in dem skandinavischen Norden untersucht.
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Seit dem Jahr 2006 sammelt Norwegen Erfahrungen mit der Nasjonal Digital Læringsarena (NDLA), der staatlichen Plattform für freie Bildungsmaterialien. Aus keinem anderen Land der Welt lägen bislang Erfahrungen mit staatlich finanzierten, frei verfügbaren Bildungsmaterialien in dieser Größenordnung vor.

Für seine Untersuchung hat Müller 13 ausführliche Interviews mit Mitarbeitern, Kooperationspartnern der Plattform, aber auch mit Kritikern geführt. Diese kommen vor allem aus Schulbuchverlagen.

Bildungsmaterialien jeglicher Art, die gemeinfrei oder mit einer freien Lizenz bereitgestellt werden, sind in der norwegischen NDLA-Plattform zusammengestellt. Die Besonderheit dieser offenen Materialien liegt darin, dass Jedermann sie legal und kostenfrei vervielfältigen, verwenden, anpassen und verbreiten kann. Veränderte Materialien können dann legal mit anderen Lehrkräften geteilt werden.

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Die Open Educational Resources umfassen Lehrbücher, Lehrpläne, Lehrveranstaltungskonzepte, Skripte, Aufgaben, Tests, Projekte, Audio-, Video- und Animationsformate. „Über einen Zeitraum von 12 Jahren sind in Norwegen, Materialien für 80 Fächer in der Sekundarstufe II erstellt worden, die ohne Login oder Download frei zur Verfügung stehen. Dadurch wird ein lebenslanges Lernen unabhängig von der besuchten Schule und der Lehrkraft ermöglicht“, sagt Frank J. Müller anerkennend.

Der Hauptvorteil von Open Educational Resources bestehe darin, dass Lehrkräfte aufgrund der freien Lizenz die Möglichkeit haben, die Materialien an die Bedürfnisse ihrer Schüler anzupassen und sie im Anschluss anderen bereitzustellen. Drin liegt für Müller ihre wesentliche Bedeutung für die Inklusion. Diese geht im Ansatz des Bremer Wissenschaftlers über die Dimension der Beeinträchtigungen hinaus und berücksichtigt die vielfältigen kulturellen, sprachlichen und sozialen Hintergründe ebenso wie Geschlechterfragen und sexuelle Orientierung.

Die Möglichkeit Materialien individuell anzupassen sei „eine wichtige Voraussetzung für den Umgang mit Heterogenität im Unterricht“. „Die Flexibilität“, unterstreicht Müller, „ist ein zentraler Vorteil digitaler, freier Bildungsmaterialien im Vergleich zu klassischen Schulbüchern oder zu vorgefertigten Apps“.

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Aus Müllers Sicht könne auch die deutsche Bildungspolitik vom norwegischen Beispiel profitieren. Durch die freien Lizenzen der Software und Inhalte von der norwegischen Plattform NDLA müssten andere Länder nicht bei null beginnen, sondern lediglich Anpassungen an ihre Bedürfnisse vornehmen, sagt der Wissenschaftler.

Da die Bildungseinrichtungen weltweit vor vergleichbaren Herausforderungen stünden, könne eine kooperative Weiterentwicklung von Inhalten und Strukturen helfen, verfügbare Ressourcen so gewinnbringend wie möglich im Sinne der Schüler einzusetzen. „Deutlich wird auch,“ unterstreicht Müller, “dass in Deutschland ein gemeinsames Handeln mehrerer Bundesländer sinnvoll erscheint“. (zab/pm)

Die Studie steht unter Creative Commons-Lizenz online zur freien Verfügung

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