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Schweinefleisch gestrichen – Wie brutal Rechtsradikale deshalb zwei Kitas bedrohen

Im Fall der zwei Leipziger Kindertagesstätten, die Schweinefleisch in Rücksicht auf muslimische Kinder von der Speisekarte gestrichen hatten, ermittelt die Polizei wegen rechtsradikaler Drohungen. Die seien von der Kita-Leitung angezeigt worden, sagte ein Polizeisprecher am Mittwoch. Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung zeigt sich erschüttert.

Dieses Drohschreiben ging bei der Kitaleitung ein. Screenshot

Burkhard Jung (SPD) veröffentlichte auf Facebook eine Dokumentation der Androhungen, die die Einrichtungen nach seinen Angaben erreicht haben. «Ich bin sprachlos», teilte der Oberbürgermeister Jung mit. Demnach gingen weit mehr Drohungen gegen die Kitas ein, als er veröffentliche. Die Einrichtungen werden von einem freien Träger betrieben.

Zwei Kitas in Leipzig hatten vergangene Woche angekündigt, aus Rücksicht auf andere Kulturen kein Schweinefleisch mehr auf den Speiseplan zu setzen und etwa auf Gelatine in Süßigkeiten bei Feiern zu verzichten. Laut Bericht der «Bild»-Zeitung wurde die Entscheidung aus Rücksicht auf zwei muslimische Kinder getroffen. Fromme Muslime sollen nach den Regeln des Islams kein Schweinefleisch essen.

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Kitas haben die Entscheidung nach öffentlichem Druck rückgängig gemacht

«Den Untergang des Abendlandes und Gefahr für unsere aufgeklärte Freiheit geht nicht von denen aus, die aus welchen Gründen auch immer eine andere Ernährungskultur haben, als es am tradierten deutschen Stammtisch üblich ist, sondern von denen, denen jeglicher moralischer Kompass und der Anstand verloren gegangen ist», schrieb Jung auf Facebook. Es sei unverantwortlich, die Essensauswahl einer Kita zum Untergang unserer Kultur hochzustilisieren, betonte er.

Nach einer massiven öffentlichen Debatte, die die “Bild”-Zeitung angestoßen hatte, nahmen die Einrichtungen von der Speiseplanänderung wieder Abstand (wir berichteten). Zugleich äußerte der Leiter der Kitas, Wolfgang Schäfer, sein Unverständnis über die Aufregung. Denn die Mehrheit der Eltern habe die Entscheidung begrüßt. dpa

Der offene Brief im Wortlaut

Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung erklärte auf Facebook:

“Eigentlich bin ich mit meiner Familie im Urlaub und wir genießen die gemeinsame freie Zeit. Wir wollten abzuschalten und Kraft tanken.

Die Geschehnisse der vergangenen Woche kann ich nicht unkommentiert im Raum stehen lassen.

Worum geht es: Zwei Leipziger Kitas entschieden sich, das Essensangebot für die Kinder zu verändern. Das ist nichts Ungewöhnliches, viele Schulen und Kitas wechseln von Zeit zu Zeit ihren Essensanbieter. Die Gründe dafür sind vielfältig, aber vor allem Eines: Eine Entscheidung der Kita und der Eltern in gemeinsamer Verantwortung für die Kinder. Die Gründe, warum sich eine Kita und die Eltern so oder so entscheiden, für oder gegen Schweinefleisch, für vegetarische oder gar vegane Ernährung, können vielfältig sein: kulturell begründet, ernährungspysiologisch oder schlicht weil die Geschmäcker verschieden sind.

Es ist unverantwortlich, die Essensauswahl einer Kita zum Untergang unserer Kultur hochzustilisieren, wie in den letzten Tagen, von der CDU, der AfD und vor allem aus konservativen Kreisen geschehen. Nein, die Entscheidung der Leipziger Kitas ist keine kulturelle Unterwerfung sondern eine freie Entscheidung in einem freien Land. Wer das nicht akzeptiert, der akzeptiert die Freiheit nicht und bringt sie sogar in Gefahr.

Was dann folgte, ist unfassbar:

„An den Galgen mit dir oder standrechtlich erschießen“, „Frau …, sie führen sofort wieder Schweinefleisch ein, bis 30.7. ansonsten wird die Kita abbrennen, wenn auch zum Nachteil der Kinder. Nein, das ist kein Scherz. Und wenn sie auch die Polizei einschalten, sie wird brennen. Und sie werde ich zusammenschlagen, bis dass sie im Krankenhaus liegen und berufsunfähig sind!!! Also los oder Feuer!“, „Ich werde sie nicht nur krankenhausreif schlagen, ich werde sie töten, mit einem Messerstich ins Herz.“

Das ist nur eine kleine Auswahl der Drohungen, die schriftlich oder ganz unverhohlen persönlich überbracht bei den Kitas eingingen.

Ich bin sprachlos. Vor drei, vier Jahren, als viele Menschen in Not zu uns kamen, wurden überall in Deutschland Menschen angegriffen und Häuser angezündet. Wir haben es nicht geschafft, alle Unterkünfte zu schützen und durch unsere Gesellschaft ist kein Ruck der moralischen Entrüstung gegangen, sondern die Gaulands, Weidels und Höckes dreschen verbal weiter auf Schwächere ein.

Und ihre Saat geht auf: 2019 werden Kindergärten bedroht, weil sie den Speiseplan so verändern, wie es nicht ein kleingeistiges Weltbild passt.

Den Untergang des Abendlandes und Gefahr für unsere aufgeklärte Freiheit geht nicht von denen aus, die aus welchen Gründen auch immer eine andere Ernährungskultur haben, als es am tradierten deutschen Stammtisch üblich ist, sondern von denen, denen jeglicher moralische Kompass und der Anstand verloren gegangen ist.

Wir dürfen nicht wegschauen, nicht wegschweigen, uns nicht wegducken: Die Freiheit, die Gleichheit und die Empathie sind auch in unserem Land in Gefahr. Was hier passiert ist und geschieht, ist nur ein Vorgeschmack auf das, was kommen wird, wenn bei den kommenden Wahlen die an die Macht kommen, die mit ihren Worten der Hetze heute schon die Saat gelegt haben.

Seid wachsam!”

 

Der Beitrag wird auch auf der Facebook-Seite von News4teachers diskutiert.

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