Der Fall hat eine breite Debatte ausgelöst. „Traurig!!! Und genau aus diesem Grunde habe ich jedes Mal einen Horror vor Klassenfahrten!“, so schreibt zum Beispiel eine Lehrerin auf der Facebook-Seite von News4teachers. „Als Lehrer ist man abgesehen davon sowieso immer mit einem Bein im Knast, egal was man macht. Denn ein Risiko, dass was passieren könnte, insbesondere unterwegs, ist immer gegeben. Da steckt man nicht drin! In so einem Fall stellt sich vielleicht die Frage, ob Schüler mit solchen Krankheitsbildern überhaupt mitfahren sollten auf Klassenfahrt.“ Rechtslage ist: Lehrer haften nur dann, wenn sie die Körper- oder Gesundheitsschädigung eines Schülers vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt haben.
“Das ist das Restriskio, das Lehrer eingehen”
„Eine gewisse juristische Grauzone bleibt aber immer“, sagt VBE-Chef Udo Beckmann. „Das ist das Restrisiko, das Lehrer eingehen.“ Dass nur in Einzelfällen gegen Lehrer wegen Aufsichtspflichtverletzungen rechtlich vorgegangen werde, zeige jedoch, wie gewissenhaft sie ihre Verantwortung wahrnähmen. Er rät Kolleginnen und Kollegen auf Klassenfahrten grundsätzlich: „Lehrer sollten den Schülern zwar Freizeit gewähren, es muss aber jederzeit eine Begleitperson erreichbar sein.“ Auch Eltern oder volljährige Schüler kämen als Begleitpersonen auf Klassenfahrten infrage. Für Notfälle sollte in jedem Fall eine Handynummer hinterlegt werden. Darüber hinaus sei es sinnvoll, einen Radius zu vereinbaren, in dem sich die Schüler in Gruppen bewegen dürfen.
Beckmann weiß allerdings auch: „Schüler mit chronischen Krankheiten stellen Lehrer oft vor Schwierigkeiten.“ Weil im Zuge der Inklusion immer mehr betroffene Kinder Regelschulen besuchen– und deshalb zum Beispiel die Medikamentenvergabe immer öfter auf die Schulen zukommt – fordert der VBE deshalb, Schulgesundheitsfachkräfte an Schulen anzustellen. Das Modell wird derzeit in Hessen und Brandenburg erprobt – mit großem Erfolg, wie eine erste Auswertung ergab (News4teachers berichtete).
Schulleiterin stellt sich öffentlich vor ihre Lehrer
Die Schulleiterin der betroffenen Gesamtschule aus Mönchengladbach, von der die so tragisch verlaufene Klassenfahrt ausgegangen war, stellte sich derweil öffentlich vor die begleitenden Lehrer. „Die KollegInnen, die die Schülerinnen und Schüler nach London begleitet haben, sind höchst gewissenhaft und zuverlässig, und ich habe als Schulleiterin das vollste Vertrauen in sie“, erklärte sie einem Bericht der „Rheinischen Post“ zufolge. Gegen die Lehrer ermitteln die Staatsanwaltschaft und die Schulaufsicht.
Hintergrund ist eine Anzeige, die die Familie des verstorbenen Mädchens gestellt hat. Nach Schilderungen von Mitschülerinnen hatte sich die 13-Jährige bereits am Ankunftstag nach dem Essen übergeben. Zwei Tage lang sollen sich Schülerinnen um das immer schwächer werdende Mädchen gekümmert haben, weil kein Lehrer nach ihm geschaut habe. Erst am Abreisetag sei es ins Krankenhaus gekommen, wo es dann einen Tag darauf verstarb. Dabei sei bekannt gewesen, dass die Schülerin an Diabetes Typ 1 litt. Die Staatsanwaltschaft Mönchengladbach gegen die Lehrer nun wegen fahrlässiger Tötung. Sie betont aber auch: „Inwieweit das zutrifft und wie sich der Sachverhalt tatsächlich gestaltet, ist Gegenstand der Ermittlungen.“
Diskussion um chronisch kranke Schüler: Dürfen sie mit auf Klassenfahrt?
„Nach Lesen dieses Artikels und der Reaktion der Eltern würde ich keine DiabetikerInnen mehr mitnehmen bzw. nur nach unendlich vielen Unterschriften“, so kommentiert eine Lehrerin auf der Facebook-Seite von News4teachers.
Eine andere antwortet ihr: „Ich persönlich finde den Fall wirklich schockierend und tragisch. Aber: Reden wir wirklich jetzt darüber, chronisch kranke Kinder noch mehr dafür zu strafen, dass sie chronisch krank sind? Sollten wir nicht lieber daran arbeiten, dass sie mehr inkludiert werden? Sei es über Schulungen für Lehrpersonal (das würde in meinen Augen neben psychischen Krankheiten auch körperliche Krankheiten einschließen, um einfach einen Notfall erkennen zu können), sei es über Pflegepersonal für solche Kinder, sei es über mehr Sonderpädagogen – was auch immer diese Kinder brauchen. Ich finde es echt traurig von vorne herein zu sagen: Du bist chronisch krank, du darfst nicht mit. Wir sollten daran arbeiten, dass wir gemeinsam Lösungen finden und nicht daran, noch mehr Ausgrenzung und Ausschluss zu fördern. Dass chronisch kranke Kinder nicht mit auf Klassenfahrt dürfen (oder Ausflüge – da steckt dann ja auch keiner drin, nicht wahr?), sollte die Ausnahme sein und nicht die Regel.“ Agentur für Bildungsjournalismus
Der Beitrag wird auch auf der Facebook-Seite von News4teachers diskutiert.
Ein Lehrer schreibt auf der Facebook-Seite von News4teachers über seine Erfahrungen: