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“Hau ab” – Proteste gegen AfD-Mitbegründer Lucke verhindern Vorlesung

HAMBURG. Erst gründet Bernd Lucke die AfD mit, verlässt die Partei aber später und prangert rechtsextreme Tendenzen an. Schließlich will der Professor zurück an die Uni Hamburg – doch das sorgt für Protest. Seine erste Vorlesung hat er sich sicher anders vorgestellt.

Die Rückkehr aus der Politik an die Hochschule erweist sich für Bernd Lucke schwieriger als erwartet. Foto: Mathesar / Wikimedia Commons (CC BY-SA 3.0)

«Hau ab» schreien die Demonstranten in einem voll besetzten Hörsaal der Universität Hamburg. AfD-Mitbegründer Bernd Lucke steht vorn, der Professor will seine erste Vorlesung seit seiner Rückkehr an die Hochschule halten. Doch statt Makroökonomik sind am Mittwoch nur Sprechchöre zu hören: «Nazischweine raus aus der Uni». Ältere Frauen öffnen Regenschirme mit der Aufschrift «Omas gegen Rechts». Hunderte Menschen drängen sich in dem Hörsaal, nur eine Minderheit sind Studierende, die wegen der Vorlesung gekommen sind.

Ganz ruhig bleibt Lucke stehen und wartet, dass er sich Gehör verschaffen kann – vergeblich. Mehrere Protestierende stürmen mit einem Transparent nach vorn: «Lucke hat den Schneeball geworfen, der die “rechte Lawine» ins Rollen gebracht hat» steht darauf. Ein junger Mann rempelt Lucke an, eine Frau versucht seinen Laptop zuzuklappen. Doch erst als schwarz gekleidete Aktivisten mit Kapuzen und einem Banner «Antifaschistische Aktion» nach vorne kommen, verlässt Lucke das Podium. Er nimmt Platz zwischen den Studierenden in den ersten Reihen, die seine Vorlesung hören wollen. Protestierende bewerfen ihn dabei mit Papierkugeln. Es wirkt wie ein Machtkampf: Lucke will den Saal nicht verlassen und die Demonstranten wollen nicht eher gehen, bis er weg ist.

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Er lässt sich von der Uni Hamburg beurlauben, um im Europaparlement zu sitzen

Rückblende: Der Volkswirtschaftler Lucke ist 2013 als Euro-Kritiker maßgeblich an der Gründung der AfD beteiligt und einer ihrer ersten Bundessprecher. 2014 lässt er sich von der Uni Hamburg beurlauben, um als Berufspolitiker für die AfD im Europaparlament zu sitzen. Doch 2015 verlässt er die Partei, nachdem er als Parteichef abgewählt worden ist. Es hat Streit um eine stärker nationalkonservative Ausrichtung gegeben. Später fordert Lucke die gemäßigten Mitglieder seiner ehemaligen Partei auf, Rechtsextremen in ihren Reihen die Stirn zu bieten. Luckes Versuche, mit der von ihm gegründeten Allianz für Fortschritt und Aufbruch (ALFA), die sich später in Liberal-Konservative Reformer (LKR) umbenennt, politisch Fuß zu fassen, scheitern.

Die Studierendenvertretung Asta hatte bereits vor der geplanten Vorlesung zu einer Kundgebung vor dem Hauptgebäude der Uni aufgerufen, um auf die Tragweite der politischen Handlungen Luckes hinzuweisen. Ein Sprecher betont dabei noch, es sei nicht geplant, die Vorlesung zu stören. Doch es kommt anders. Der lautstarke Protest im Hörsaal reißt nicht ab. Der Asta betont im Anschluss erneut, zu diesen Störungen nicht aufgerufen zu haben. Man sei an einer inhaltlichen und sachlichen Kritik interessiert, heißt es. Ein Gespräch zwischen Asta und Lucke sei bereits angesetzt.

Ein Student mahnt: Es soll friedlich bleiben

Eine Möglichkeit, seine Positionen zu erklären, geben die Demonstranten in der Uni Lucke nicht. Es kommt auch zum Gerangel zwischen jungen Menschen im Hörsaal, die unterschiedliche Ansichten zur Art des Protestes haben. Über Megafon mahnt ein Studierender, es solle friedlich bleiben, niemand dürfe verletzt werden. Zahlreiche Polizeiwagen stehen in dieser Zeit vor der Tür. Im Saal sind keine Polizeibeamte oder Sicherheitskräfte zu sehen. «Es gab keinen Hinweis, dass Straftaten stattgefunden haben», sagt ein Polizeisprecher später.

Schließlich rennt ein Student im Karohemd nach vorn und will das Verhalten vieler Demonstranten kritisieren. Seine Worte sind nur schwer zu verstehen. «Lucke ist ein Mensch», sagt er. Was hier passiere, habe mit Menschenwürde aber wenig zu tun. Nach fast zwei Stunden leert sich der Saal. Lucke verlässt die Universität. Am Seiteneingang wird er von Polizeibeamten abgeholt und nach Angaben eines Polizeisprechers auf eigenen Wunsch zum Bahnhof begleitet.

“Ich werde kommende Woche wieder meine Vorlesung halten”

Im Gespräch sagt Lucke nach dem Abbruch der Vorlesung, dass die Ereignisse im Hörsaal für sich sprächen. «Das muss ich nicht kommentieren.» Die Zivilcourage seiner Studenten, «die fast geschlossen bis zum Ende der Vorlesungszeit mit mir im Hörsaal ausgeharrt haben und mir Rückdeckung gegen den Mob gegeben haben», will er dennoch hervorheben. Der «Welt» sagt er, er fände es beschämend, als Nazi beschimpft zu werden. Aufgeben wolle er aber nicht: «Ich werde kommende Woche wieder meine Vorlesung halten», sagt er dem Blatt. «Ich weiche nicht zurück.»

Der AfD-Vorsitzende Jörg Meuthen sagte auf Anfrage, Lucke erlebe jetzt Widerstände bei der Rückkehr in seinen alten Beruf, «weil wir einen inzwischen ins Absurde reichenden Kampf gegen “Rechts” haben». Er betonte: «Herr Lucke, wie immer man ansonsten zu ihm steht, ist aber von Extremismus so weit entfernt wie die Erde vom Jupiter.»

Kritik kommt auch vom LKR-Bundesvorsitzenden Jürgen Joost: «Es zeugt von grenzenloser Ignoranz und Böswilligkeit, Bernd Lucke am “rechten Rand” zu verorten.» Schließlich sei Lucke so konsequent gewesen, die AfD 2015 zu verlassen, als in der Partei «nationalkonservative bis rechtsradikale Kräfte» die Oberhand gewonnen hätten. Von Stephanie Lettgen, dpa

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