JENA. Gerade in Pandemiezeiten gelte es, darüber nachzudenken, was wirklich zählt, meint ein Wissenschaftlerteam um den Jenaer Pädagogik-Professor Ralf Koerrenz. Mit zehn Thesen machen sie sich für den Religionsunterricht stark.
Ministerien, Schulämter und -leitungen sind den Herausforderungen des vergangenen Schuljahres unter anderem damit begegnet, verschiedene Schulfächer unterschiedlich zu gewichten. Sogenannte Kernfächer wurden priorisiert, andere Fächer als nicht systemrelevant betrachtet – so auch der Religionsunterricht. Das Herausgebergremium der „Zeitschrift für Pädagogik und Theologie“ hat deshalb nun mit einem Thesenpapier auf die Bedeutung des Faches aufmerksam gemacht. „Gerade jetzt! – 10 Thesen, warum der Religionsunterricht in der Corona-Zeit unverzichtbar ist“ lautet der Titel des Papiers.
Die Autoren des Thesenpapiers verweisen darauf, dass der Religionsunterricht im Verbund mit anderen Fächern dazu diene, ethische Grundfragen zu formulieren, damit verbundene Entscheidungssituationen vor Augen zu führen und nach Lösungen für aktuelle Problemstellungen zu suchen. Im Hintergrund stehe dabei immer die Frage nach dem, was Mensch-Sein im umfassenden Sinne auch angesichts einer solchen Krise ausmacht.
„Kinder haben ein grundsätzliches Recht auf eine umfassende Bildung. Besonders in Zeiten wie diesen, wenn ihr gewohntes Umfeld erschüttert ist, eine existenzielle Bedrohung im Raum steht und der Alltag aus den Fugen gerät, ist das Nachdenken darüber, was wirklich zählt, besonders wichtig“, sagt als Mitherausgeber der Zeitschrift Ralf Koerrenz von der Friedrich-Schiller-Universität Jena. „Eine Beschäftigung mit Fragen der Religion und Ethik hilft Schülerinnen und Schülern, Orientierung zu finden, das Geschehen einzuordnen und die Ausnahmesituationen für sich einschätzen zu lernen.“ Gerade der Religionsunterricht biete über den Sachbezug zu Fragen von Religion und Ethik eine Gesprächsplattform, um sich über die existenziellen Erfahrungen, die mit der Pandemie einhergehen, auszutauschen. Dabei spiele es grundsätzlich zunächst keine Rolle, um welche Religion (Christentum, Islam, Judentum) es sich handelt, sagt der Jenaer Pädagoge.
Gerade die Lehrkräfte in diesem Bereich seien zudem oft seelsorgerisch besonders sensibilisiert und könnten Schüler beratend durch die Krise begleiten. Mit Blick auf das System Schule gehe es auch um einen Beitrag zu dem Problem, wie es inmitten neuer Regelungen von Nähe und Distanz möglich sein kann, eine Schulkultur zu entwickeln, die Halt gibt. (zab, pm)
Ist Religionsunterricht in der Corona-Krise verzichtbar – oder gerade wichtig?
