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Das Chaos geht weiter: Weigerung der Länder, den RKI-Empfehlungen zu folgen, sorgt auch 2021 für Unsicherheit im Schulbetrieb

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BERLIN. Eltern, Schüler und Lehrer in Deutschland müssen sich weiter gedulden: Wie es für sie im neuen Jahr weitergeht, bleibt zunächst weitgehend unklar. Entscheidungen darüber, ob und in welchem Umfang die Schulen im Januar wieder öffnen, dürften erst Anfang kommender Woche fallen – und alle Beteiligten werden sich auf die Schnelle darauf einstellen müssen. Insbesondere die Weigerung der Kultusminister, den Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts für den Schulbetrieb zu folgen und damit ihre Entscheidungen vorhersehbar zu machen, sorgt also wohl auch zu Beginn des neuen Jahres für Chaos.

Die Kultusminister wandeln weiter auf einem schmalen Grat – statt den Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts für die Schulen zu folgen. Illustration: Shutterstock

Der bis 10. Januar geltende Lockdown in Deutschland wird wahrscheinlich verlängert, und auch an den Schulen wird es nach Einschätzung des Deutschen Lehrerverbandes zunächst nicht im Normalbetrieb weitergehen. Verbandspräsident Heinz-Peter Meidinger sagte bei ntv, allen sei klar, dass das im Januar nach den Ferien nicht möglich sein werde. «Die Infektionslage wird das nicht zulassen.» Deswegen müsse man sich nach wie vor entweder auf Distanzunterricht oder bestenfalls Wechselbetrieb vorbereiten.

Eisenmann will Kitas und Schulen am 11. Januar öffnen – egal, wie viele Neuansteckungen es dann gibt

Baden-Württembergs Kultusministerin Susanne Eisenmann bekräftigte dagegen ihre Forderung, Kindergärten und Grundschulen auf jeden Fall schon ab dem 11. Januar wieder zu öffnen – unabhängig vom Infektionsgeschehen. Diesen Beschluss sollten Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Ministerpräsidenten fällen, forderte die CDU-Politikerin in der «Bild»-Zeitung. «Auch wenn der Lockdown über den 10. Januar hinaus verlängert wird, sollten Kitas und Grundschulen wieder öffnen für Präsenzunterricht. In diesen Altersklassen ist es unerlässlich, dass Kinder in Kitas gehen und in Schulen lernen.»

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Eisenmann hatte wenige Tage zuvor dafür geworben, Kitas und Grundschulen «unabhängig von den Inzidenzzahlen» wieder zu öffnen. SPD-Chefin Saskia Esken bezeichnete diese Aussage in einem Interview der Funke-Mediengruppe als «geradezu unverantwortlich». Die scheidende KMK-Präsidentin Stefanie Hubig (SPD), Bildungsministerin von Rheinland-Pfalz, hatte umgehend nach dem jüngsten Bund-Länder-Gipfel allerdings ebenfalls dafür geworben, die Schulen schnell wieder zu öffnen. Einschränkungen des Regelbetriebs an den Schulen sollten möglichst kurz gehalten werden, auch mit Blick auf die Abschlussklassen, so hatte sie erklärt – dann aber auch weiteren Fernunterricht in Aussicht gestellt, sollten die Infektionszahlen nicht sinken.

Merkel und die Länderchefs beraten am kommenden Dienstag über das weitere Vorgehen in der Pandemie nach dem zunächst bis 10. Januar befristeten Lockdown. Es deutet sich immer mehr an, dass die Maßnahmen angesichts anhaltend hoher Corona-Zahlen verlängert werden. Einen Tag vor dem Gespräch der Kanzlerin mit den Ministerpräsidenten wollen sich die Kultusminister der Bundesländer in der Schulfrage abstimmen.

Möglicherweise verkünden einzelne Länder aber auch schon vorher ihre Pläne – Bildung ist Ländersache. So hatte etwa Hamburg am Dienstag die bereits vom 5. bis 10. Januar ausgesetzte Anwesenheitspflicht in Schulen um eine Woche verlängert. Der Senat schloss zudem nicht aus, dass es auch in den letzten beiden Januarwochen keinen regulären Präsenzunterricht geben wird. Niedersachsen hat sich bereits entschieden, den kompletten Januar mit Wechselunterricht zu bestreiten.

Gebauer sprach sich für möglichst viel Unterricht aus – nach einem Stufenplan, dessen Stufen niemand kennt

Für möglichst viel Unterricht in den Schulen sprach sich auch Eisenmanns Kollegin, Yvonne Gebauer, die Schulministerin des bevölkerungsreichsten Bundeslandes Nordrhein-Westfalen, aus. Die FDP-Politikerin verwies in der «Rheinischen Post» auf das in ihrem Land geltende Stufenmodell. Sie hoffe sehr darauf, «dass die Infektionszahlen deutlich zurückgehen und so nach dem 10. Januar 2021 einen Schulbetrieb auf der Grundlage des Stufenmodells und mit möglichst viel Präsenzunterricht ermöglichen.» Wann die Stufen des Stufenplans allerdings greifen, weiß zumindest außerhalb der Landesregierung niemand: Es wurden keine Schwellenwerte für das Infektionsgeschehen veröffentlicht, die es Schülern, Eltern und Lehrern erlauben würden, sich auf Maßnahmen einzustellen.

Berlins Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) sagte: «Ich wünsche mir, dass die Schülerinnen und Schüler, insbesondere in der Primarstufe und in den abschlussrelevanten Jahrgängen, wieder möglichst schnell in den Präsenzunterricht wechseln können.» Sie gehe zum jetzigen Zeitpunkt aber davon aus, dass das Lernen von zu Hause in Berlin um eine Woche verlängert werden müsse. Wieso eine Woche? Und was passiert dann? Das ist völlig offen.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sagte am Mittwoch in Berlin, die Frage, wie es an Schulen und Kitas weitergeht, betreffe Millionen Menschen, und es sei nachvollziehbar, dass darüber diskutiert werde. «Und gleichzeitig bin ich jedenfalls im Zweifel dafür, lieber jetzt am Stück eine Woche zu lang, als eine Woche zu wenig», fügte er mit Blick auf Einschränkungen und Schließungen hinzu. Auch SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach hatte sich gegen eine Rückkehr zum normalen Schulbetrieb nach dem 10. Januar ausgesprochen.

GEW: Klarheit schaffen – und den Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts für die Schulen folgen

Die Chefin der Bildungsgewerkschaft GEW, Marlies Tepe, forderte, schnell Klarheit zu schaffen. «Kitas, Schulen und Unis brauchen Zeit, um sich vorzubereiten», sagte sie der «Rhein-Neckar-Zeitung». Allerdings dürfe nicht weiter ignoriert werden, «dass in den Klassenräumen und auf den Schulhöfen kein Abstand gehalten werden kann». Tepe fordert: «Mit dem Gesundheitsschutz ließe sich in der augenblicklichen Situation aber nur ein Wechselunterricht in kleinen Gruppen verbinden, das fordern wir genau wie auch das Robert Koch-Institut.»

Das Robert-Koch-Institut empfiehlt, ab einem Inzidenzwert von 50 Wechselunterricht in kleineren Lerngruppen – und damit die Abstandsregel – sowie eine Maskenpflicht im Unterricht aller Jahrgänge vorzusehen. Alle Kultusministerien lehnen diese Empfehlungen, die transparente Kriterien und damit Planbarkeit für den Schulbetrieb bringen würden, ab. Mecklenburg-Vorpommern zum Beispiel wäre mit einem Inzidenzwert von aktuell 77,5 (Stand: 29. Dezember) Neuinfektionen innerhalb der letzten sieben Tage auf 100.000 Einwohner gar nicht so weit vom Regelbetrieb entfernt – Sachsen dagegen mit einem Wert von 330 (Stand: 30. Dezember) schon. News4teachers / mit Material der dpa

Rabe wegen Superspreader-Studie unter Druck: Hat der Bildungssenator die Corona-Gefahr in Schulen bewusst vertuscht?

 

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