STUTTGART. Höchststände bei den Corona-Neuinfektionen, Höchststände bei den Corona-Toten. In Absprache mit den anderen Bundesländern ergreift Baden-Württemberg harte Maßnahmen. Für Kitas und Schulen bedeutet das eine erneute Wende: Erst hatte Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) angekündigt, die Weihnachtsferien würden vorgezogen. Das galt dann plötzlich doch nicht. Jetzt heißt es wieder: Rolle rückwärts – Kitas und Schulen schließen ab Mittwoch.
Im Kampf gegen die Corona-Pandemie geht Baden-Württemberg wie die anderen Bundesländer am Mittwoch in einen weitreichenden Lockdown. Schulen, Kitas und große Teile des Einzelhandels sollen bis zum 10. Januar weitgehend schließen. «Die Lage ist ernst, sehr ernst», sagte Kretschmann in Stuttgart nach den Beratungen von Bund und Ländern. Die Zahl an Neuinfektionen und Verstorbenen sei auf einem Höchststand. «Das exponentielle Wachstum ist leider zurück und das Virus ist stärker denn je», so Kretschmann. «Das Virus ist stark und wir müssen jetzt zeigen, wir sind stärker.»
Kultusministerin Eisenmann hat sich bis zuletzt gegen jegliche Einschränkungen im Schulbetrieb gestemmt
Mit dem sanften Lockdown hätten die Zahlen nicht gesenkt werden können, sagte der Grünen-Politiker. Deswegen müsse jetzt mit ganz einschneidenden Maßnahmen das öffentliche Leben radikal heruntergefahren werden, erläuterte Kretschmann in einem Statement. «Nur so können wir die Kontrolle über die Pandemie zurückgewinnen.» Die Ministerpräsidenten und Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hatten am Vormittag beschlossen, zum Eindämmen der Corona-Pandemie das öffentliche und private Leben in Deutschland schon von Mittwoch an drastisch herunterzufahren. Baden-Württemberg übernimmt im Wesentlichen diese Vereinbarungen.
Konkret heißt das unter anderem, dass die Weihnachtsferien im Südwesten nach vorn verlegt werden, um weitere Kontakte zu vermeiden. Von Mittwoch an werden die Schulen und Kitas geschlossen. Nur für Abschlussklassen solle es Fernunterricht geben, kündigte Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) an. «Schülerinnen und Schüler der Abschlussjahrgänge werden im verbleibenden Zeitraum bis zu Beginn der regulären Weihnachtsferien am 23. Dezember verpflichtend im Fernunterricht unterrichtet.»
Eisenmann hatte sich bislang stets gegen frühere Schulschließungen ausgesprochen. Auf ihren Druck hin hatte Kretschmann seine Ankündigung zurückgenommen, die Weihnachtsferien vorzuverlegen. Eisenmanns CDU stellt mit den Grünen zusammen die Landesregierung; Eisenmann tritt als Spitzenkandidatin der Christdemokraten bei der Landtagswahl im kommenden Jahr gegen Kretschmann an. Eisenmann lehnte bis zuletzt sämtliche Einschränkungen des Präsenzunterrichts ab. «Wechselunterricht in Baden-Württemberg wäre ein existenzieller Fehler», sagte sie noch in der vergangenen Woche.
Heute erklärte sie in einem Interview des SWR: “Eine Pandemie ist eine Pandemie und natürlich gibt es Entscheidungen, die sich weiterentwickeln. Hü und Hott kann ich durchaus nachvollziehen, nur kann ich heute nicht sagen, was im Januar oder Februar ist, weil es einfach von Infektionszahlen abhängt. Längerfristige Planungen sind angesichts der Entwicklungen in einer Pandemie, die nun einfach mal dynamisch ist, einfach nicht möglich.”
Jetzt gilt: Bis zum 22. Dezember ist eine Notbetreuung von Schülern der Klassenstufen 1 bis 7 geplant, deren Eltern zwingend darauf angewiesen sind. Für Kita-Kinder werde zu regulären Öffnungstagen ebenfalls Notbetreuung angeboten. Anspruch darauf hätten Kinder, deren Erziehungsberechtigte beziehungsweise Alleinerziehende von ihrem Arbeitgeber als unabkömmlich gelten. «Bitte verzichten Sie aber auf die Notbetreuung, wo immer das für Sie möglich ist», bat Kretschmann. Er appellierte auch an Arbeitgeber, so weit wie möglich Homeoffice zu ermöglichen.
GEW kritisiert «wochenlanges Hin und Her zum Thema Weihnachtsferien»
SPD-Chef Andreas Stoch kritisierte: «Es bleibt bedauerlich, dass es gerade bei der baden-württembergischen Landesregierung so lange dauerte, bis man sich von den Fakten überzeugen ließ.» Eine Konsequenz daraus müsse sein, dass jetzt Strategien für das Frühjahr – also über den 10. Januar hinaus – erarbeitet werden. FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke stößt sich vor allem an den Schulschließungen: «Wieder einmal sollen Schülerinnen und Schüler sowie die Familien die bittere Lockdown-Suppe auslöffeln.»
Die Lehrergewerkschaft GEW kritisierte die Politik für das «wochenlange Hin und Her zum Thema Weihnachtsferien». Hier sei Wahlkampf auf dem Rücken der 1,5 Millionen Schüler und 130.000 Lehrer im Land gemacht worden. Die Elternvertretung baden-württembergischer Kindertageseinrichtungen forderte schon jetzt «ein klares und verbindliches Ausstiegsszenario für die Kitas». «Kitas dürfen nicht wie im Frühjahr die letzten Institutionen sein, die bei möglichen Lockerungen und Öffnungen berücksichtigt werden», hieß es. News4teachers / mit Material der dpa
Schulleitungen wollen Wechselunterricht – das Kultusministerium bremst sie aus
