STUTTGART. Schnell, energiegeladen, kampfeslustig – Susanne Eisenmann will der Gegenentwurf sein zu Winfried Kretschmann. Aber ihr Griff nach der Macht im Ländle könnte die politische Karriere der Kultusministerin beenden.
Wenn Susanne Eisenmann den Mund aufmacht, dann rauschen die Wörter meist nur so heraus. Die 56-Jährige spricht so schnell, dass häufig die Zeit nicht mehr reicht für vollständige Sätze. Dann werden nur noch Schlagwörter aneinandergereiht, wie Automobilwirtschaft, Ökonomie, Ganztagsbetreuung. Das alleine unterscheidet sie schon diametral von dem Mann, den sie aus dem Amt jagen will: Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) lässt sich gern mal Zeit beim Reden, spricht langsam und bedächtig.
Eisenmann will der Gegenentwurf sein zu Kretschmann, betont gern, dass sie eine Frau ist und eine ganze Ecke jünger als der grüne Amtsinhaber mit seinen 72 Jahren, weniger abwägend als zupackend und entscheidungsfreudig. Pragmatikerin vs. Philosoph eben.
Aus der Stuttgarter Kommunalpolitik sprang sie 2016 in die grün-schwarze Koalition – als Kultusministerin
Sie sei eher Stürmerin als Verteidigerin, sagt sie. Eisenmann ist leidenschaftlicher VfB-Fan. Aber ihr Leben gehört der Politik. In der CDU nennen sie sie «Nanni». Mit 16 Jahren trat die gebürtige Stuttgarterin der Jungen Union bei, engagierte sich für die Sanierung eines Sportplatzes. Viele Jahre lang war sie dann Büroleiterin des damaligen CDU-Fraktionschefs und späteren Ministerpräsidenten Günther Oettinger – vielleicht hat sich die Germanistin ihre staccato-hafte Rhetorik von ihm abgeschaut. In Oettingers Büro lernte sie ihren Mann kennen, der fünf Kinder in die Ehe brachte. Aus der Stuttgarter Kommunalpolitik dann 2016 der Sprung in die grün-schwarze Koalition – als Kultusministerin.
Eisenmanns nächstes Ziel ist die Villa Reitzenstein, die Regierungszentrale. Gut möglich aber, dass die Landtagswahl Eisenmanns politische Karriere abrupt beendet. Es sieht düster aus für die CDU. Umfragen zufolge droht den Christdemokraten das schlechteste Ergebnis in der Geschichte des Landes. Und dann kracht auch noch die Maskenaffäre um Bundestagsabgeordnete der Union in den Wahlkampf-Endspurt. Ein Fiasko am Wahlabend könnte ihr politisches Aus bedeuten, zumal es nicht sicher ist, dass sie ihr Direktmandat in ihrem Wahlkreis holt. Mit ihrer ruppig-resoluten Art drängte Eisenmann CDU-Landeschef Thomas Strobl zur Seite im Wettbewerb um die Spitzenkandidatur. Sie hat sich auch Feinde gemacht im Landesverband.
Eisenmann pochte auf eine Schulöffnung «unabhängig von Inzidenzen» – was ihr um die Ohren flog
Bei Eisenmans Kür zur Spitzenkandidatin im Sommer 2019 ruhte noch die ganze Hoffnung der gebeutelten Südwest-CDU auf ihr – Eisenmann sollte die Partei im Südwesten zu alter Stärke führen. Aber sie hat es nicht geschafft, sich aus dem Schatten des übermächtigen und beliebten Regierungschefs freizustrampeln. Eisenmann leistete sich politische Fehler. Sie pochte in der Corona-Pandemie recht früh auf eine Schulöffnung «unabhängig von Inzidenzen», was ihr um die Ohren flog. Sie distanzierte sich in der Krise von Kanzlerin Angela Merkel (CDU). Die Plakatkampagne der CDU sorgte wegen seltsamer Formulierungen («Wir Verbrecher von heute») für Spott im Netz.
Dabei ist der knorrig-konservative Kretschmann schon ein Gegner, wie er schwerer nicht sein könnte. Selbst die meisten CDU-Anhänger finden, der Grüne solle Ministerpräsident bleiben. Aber obwohl sie enorm unter Druck steht, kann man Eisenmann eins definitiv nicht vorwerfen: Wankelmütigkeit. Die 56-Jährige beharrt – fast stur – auf ihrer Haltung. «Sie fällt bei Gegenwind nicht gleich um», sagte ihr Ehemann Christoph Dahl vor wenigen Tagen in der «Bunten». Eisenmann hatte sich auch fest vorgenommen, auf den letzten Metern des Wahlkampfs nicht mehr vom Kurs abzuweichen. Ob sich die Strategie ausgezahlt hat, wird man am Sonntagabend erfahren. Von Nico Pointner, dpa
