KARLSRUHE. Um im Grundschulmathematikunterricht den Schülerinnen und Schülern gerecht werden zu können, ist es wichtig zu wissen, wie Kinder Strukturen wahrnehmen und Mengen bestimmen. Die Karlsruher Pädagogin Priska Sprenger ist diesen Fragen mit Eye Tracking Technik nachgegangen.
Mengenwahrnehmung und Anzahlbestimmung sind eine wichtige Grundlage für den Erwerb arithmetischer Fähigkeiten und damit Grundlage für erfolgreiches Rechnenlernen in der Grundschule. Doch wie laufen Mengenwahrnehmung und Anzahlbestimmung im Vorschulalter ab? Welche Strukturierungen nutzen Kinder dabei und wie kann eine Strukturwahrnehmung gefördert werden? Solchen und ähnlichen Fragen geht die Karlsruher Pädagogin Priska Sprenger auf den Grund. In einer Langsschnittstudie hat sie nun die entsprechenden Wahrnehmungs- und Bestimmungsprozesse untersucht.
Für ihre Studie setzte Sprenger auf eine Kombination von Beobachtung, Befragung und Eye Tracking. Sie zeigte 95 Kindern im letzten Kindergartenjahr am Bildschirm Fotos von Eierkartons mit fünf bis neun Eiern und forderte die Jungen und Mädchen auf zu sagen, wie viele Eier sich jeweils in einem Zehnerkarton befinden. Außerdem sollten die Kinder erklären, wie sie zu ihrem Ergebnis gekommen waren. Durch einfaches Abzählen? Oder durch Strukturierungen wie „Eine volle Reihe und eins“ oder „Drei Eier und drei Eier und noch eins“? Zusätzlich zeichnete sie die Blickbewegungen der Kinder mit einer speziellen Eye Tracking-Kamera auf. Die auf diese Weise gewonnenen Bilder zeigen anhand nummerierter Blickpunkte, in welcher Reihenfolge die Kinder wo hingeschaut haben.
Durch Auswertung der Daten aus Beobachtung, Befragung und Eye Tracking konnte die Wissenschaftlerin nachweisen, wie Kinder im letzten Kindergartenjahr Strukturen zur Anzahlbestimmung nutzen. Überdies zeigten sich die Strukturierungsprozesse der Kinder sehr individuell.
Was zunächst wie „sehr spezielle Wissenschaft“ klingen mag, hat dabei durchaus didaktische Implikationen. „Diese Prozesse waren bislang vergleichsweise unerforscht“, bestätigt Christiane Benz. „Mit ihrer Arbeit hat Dr. Sprenger einen wertvollen Beitrag zur Mathematikdidaktik geleistet, der auch bildungspolitisch relevant ist“, so die Professorin für Mathematik und ihre Didaktik an der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe (PHKA). Sprenger selbst erläutert: Von richtigen oder falschen Strukturierungen könne auf Basis ihrer Studie kaum gesprochen werden. „Vielmehr ist es sinnvoll, Kinder individuell zu fördern und kein starres Lernprogramm einzusetzen“.
Das bestätige ihre Studie sehr deutlich, denn bei den Kindern, die über einen Zeitraum von vier Monaten durch eine spielerisch-entdeckende Lernumgebung unterstützt wurden, seien „sowohl bei der strukturierenden Mengenwahrnehmung als auch bei der Strukturnutzung signifikante Veränderungen vom ersten zum zweiten Erhebungszeitpunkt zu verzeichnen.“
Die Wissenschaftlerin spricht sich dafür aus, „die Wahrnehmung von Strukturen im Kindergarten in den Fokus zu rücken und sie auch für die Anzahlbestimmung nutzbar zu machen.“ Erreicht werden könne das beispielsweise, indem Pädagoginnen und Pädagogen „mit den Kindern über deren individuelle Wahrnehmung sprechen oder nonverbale Kommunikation nutzen, etwa das konkrete Handeln am Material“, sagt Sprenger. Um zu untersuchen, welche Formen der Kommunikation hilfreich sein können, bedürfe es weiterer Forschung. Sie selbst will als nächstes untersuchen, wie Wahrnehmungs- und Bestimmungsprozesse bei Grundschulkindern ablaufen. (zab, pm)
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