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Streit um die Stiko: Weil macht Druck, Schüler zu impfen – Laschet zieht zurück (und bremst Impf-Aktion aus)

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SIEGEN. Die Ständige Impfkommission (Stiko) empfiehlt die generelle Impfung von Schülern ab 12 Jahre mit dem für sie zugelassenen Impfstoff ausdrücklich nicht und bringt damit die Pläne der Kultusminister für das kommende Schuljahr ins Wanken. Die Reaktionen der Politik darauf fallen höchst unterschiedlich aus: Während Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) die Stiko hart kritisiert – und trotzdem Schüler jetzt im Rahmen einer großen Aktion impfen lässt –, zieht NRW-Ministerpräsident und Kanzlerkandidat Armin Laschet (CDU) zurück und bringt einen bereits angekündigten Modellversuch zum Impfen von Kindern und Jugendlichen zum Platzen.

Nicht gegen die Stiko: Kanzlerkandidat Armin Laschet (CDU). Foto: Shutterstock / photocosmos1

Die im Kreis Siegen-Wittgenstein geplante und bereits verschobene Corona-Impfstudie zu jungen Menschen wird von der NRW-Landesregierung ausgebremst. Die Impfungen könnten nun doch nicht – wie ursprünglich beabsichtigt – im Siegener Impfzentrum des Landes Nordrhein-Westfalen stattfinden, erklärte der Kreis am Dienstagabend. Als Hintergrund nannte er einen Erlass des NRW-Gesundheitsministeriums, der am Abend «diverse Auflagen» gemacht habe. Dazu zählten abgetrennte Bereiche mit «separatem Zugang zum Impfzentrum» und auch die Absage, «das ärztliche und medizinische Personal der Kassenärztlichen Vereinigung Impfungen im Rahmen der Studie durchführen zu lassen».

Hinzu komme die «Aussage», dass das Land «eine flächendeckende Impfung von Kindern» aufgrund der Empfehlung der Ständigen Impfkommission (Stiko) «inhaltlich» nicht unterstütze.

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«Im Ergebnis müsste eine vollständige örtliche, organisatorische, finanzielle und personelle Trennung zwischen Impfzentrum und der Impfung im Rahmen der Studie erfolgen», so der Kreis. Wegen der Auflagen könnten die Strukturen des Impfzentrums nun nicht für die Impfung von Kindern und Jugendlichen unter 16 Jahren zur Verfügung gestellt werden. Was das für die Zukunft des Forschungsvorhabens genau bedeutet, war zunächst allerdings unklar. «Wir werden nun innerhalb der Projektpartner über die weiteren Schritte beraten», erklärte die am Projekt beteiligte Universität Siegen in der Mitteilung des Kreises.

Die Projektbeteiligten hatten betont, dass sie zur Pandemie-Eindämmung stark auf höhere Impfraten bei jungen Menschen setzen

Bei dem Projekt sollen wissenschaftlich begleitet rund 30.000 Schüler ab zwölf Jahren und Studierende bevorzugt geimpft werden. Die Forschenden wollen mit der vergleichenden Untersuchung herausfinden, wie sich die Impfung der jüngeren Altersgruppen auf das Infektionsgeschehen auswirkt. In einer Befragung wollen sie zudem Erkenntnisse über die Impfbereitschaft sammeln. Der Start war eigentlich für Dienstag geplant. Am Montagnachmittag hatte die Kreisverwaltung ihn aber wieder abgesagt. Man habe den angekündigten Sondererlass des Gesundheitsministeriums bislang nicht in schriftlicher Form erhalten, hieß es.

Das Ministerium hatte dann am Dienstagabend mitgeteilt, dass eine entsprechende Prüfung nun abgeschlossen sei. Die Ergebnisse seien dem Kreis in einem Sondererlass mitgeteilt worden. «Aus Sicht» des Ministeriums könne die Studie starten. Zugleich wurden aber bestimmte Bedingungen formuliert. Der Erlass regle, dass die Empfehlungen der Stiko bei dem Studienvorhaben zu berücksichtigen seien, so das Ministerium. Bei einem «individuellem Wunsch und Risikoakzeptanz» der Kinder und Jugendlichen bezüglich der Impfung habe eine ärztliche Aufklärung durch einen Kinder- oder Jugendarzt zu erfolgen.

Der Hintergrund: Kinder und Jugendliche zwischen 12 und 16 Jahren werden nach Angaben des Ministeriums normalerweise nicht in den NRW-Impfzentren geimpft. Das Land sei der Auffassung, dass dies «eine fundierte medizinische Aufklärung und Beratung» durch den Kinder- oder Hausarzt erfordere. Sie könnten sich in diesen Fällen daher an ihre niedergelassenen Ärzte wenden. Für die Studie war nun allerdings das Impfzentrum als Standort ausgewählt worden.

Grundsätzlich brauche es zur Durchführung von Studien auch keine Zustimmung des Ministeriums, erklärte das Haus von Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU). In diesem Fall solle jedoch die Infrastruktur des Impfzentrums des Landes genutzt werden. «Daher ist eine Abstimmung mit dem Land erforderlich.» Bei der Vorstellung der Pläne am Freitag hatten die Projektbeteiligten betont, dass sie zur Pandemieeindämmung stark auf höhere Impfraten bei jungen Menschen setzten. Sie hoffen, durch eine zeitige Immunisierung gegen das Coronavirus eine raschere und stabilere Rückkehr in Schule und Universität zu ermöglichen. Mit dem Drängen auf die Impfung auch von Jugendlichen ab zwölf Jahren widersprechen sie der eher zurückhaltenden Linie der Stiko in der Frage von Impfungen für die 12- bis 17-Jährigen.

Diese hat bisher keine generelle Impfempfehlung für Kinder und Jugendliche ab zwölf Jahren ausgesprochen. Sie empfiehlt die Corona-Impfung in der Altersgruppe bisher nur bei bestimmten Vorerkrankungen. Nach Angaben des NRW-Gesundheitsministeriums ist es zwar dennoch möglich, dass sich Kinder und Jugendlichen ab 12 Jahren impfen lassen – «aber nach ärztlicher Aufklärung und bei individuellem Wunsch und Risikoakzeptanz». Ministerpräsident und Unionskanzlerkandidat Armin Laschet hatte bereits Ende Mai erklärt, das Land wolle sich an die Empfehlungen der Stiko halten.

«Wir wollen den Kindern und Jugendlichen die Möglichkeit geben, sich noch vor den Ferien impfen zu lassen»

Ganz anders reagiert Niedersachsen: Rechtzeitig vor Ferienstart organisiert das Land am kommenden Sonntag eine landesweite Impfaktion für Kinder und Jugendliche, in die fast die Hälfte der 50 Impfzentren eingebunden sind. Rund 27.000 Impfdosen gegen das Coronavirus seien für den Aktionstag reserviert, hieß es. Und: Bei anhaltend hoher Nachfrage könnten auch Impfaktionen an Schulen folgen. «Wir wollen den Kindern und Jugendlichen, die Interesse an einer Impfung haben, die Möglichkeit geben, sich noch vor den Ferien gegen Covid-19 impfen zu lassen», sagte Gesundheitsministerin Daniela Behrens (SPD).

Aus seinem Ärger über die Stiko hatte Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) zuvor keinen Hehl gemacht. Er sagte, er könne deren Empfehlung, 12- bis 17-Jährige nur bei bestimmten Vorerkrankungen zu impfen, „überhaupt nicht nachvollziehen“. News4teachers / mit Material der dpa

Affront gegen die Stiko: Erstes Bundesland organisiert Impf-Aktion für Tausende von Schülern ab 12 – bald auch in Schulen?

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