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„Technostress“: Mediennutzung beeinflusst Lehrergesundheit

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BIELEFELD. Egal, ob durch die Pandemie verstärkt oder nicht, politisch und organisatorisch geführt oder eher ungeordnet der Entwicklung folgend: Die zunehmende Digitalisierung beeinflusst die Arbeitsweise von Lehrerinnen und Lehrern stark. Die Bielefelder Soziologin Dana Jarczyk hat die gesundheitlichen Auswirkungen in den Blick genommen.

Geht es um die Digitalisierung, geht es meist um die Auswirkungen auf Schülerinnen und Schüler und die Gestaltung des Unterrichts. Seltener steht die Frage im Mittelpunkt, wie es um die Auswirkungen auf der anderen Seite des Bildschirms steht. Die berufsbedingte Mediennutzung von Lehrkräften und das Entstehen von „Technostress“ hat nun die Sozialwissenscahftlerin Dana Jarczyk von der Fachhochschule (FH) Bielefeld untersucht. Das Ergebnis: Für eine „gesunde“ Digitalisierung sind passende Fortbildungen, eine angemessene Infrastruktur und Unterstützungsangebote nötig, um Überbelastungen zu verhindern und Fehlzeiten entgegenzuwirken.

Das Gefühl, permanent erreichbar zu sein, erzeugt bei vielen Lehrerinnen und Lehrern Stress. Foto: Jan Persiel / flickr (CC BY-SA 2.0)

Einseitige Perspektive und mangelnde IT-Ausstattung als Stressfaktoren

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Grundlage der Arbeit bilden Interviews mit acht Lehrkräften von vier Schulen aus dem Sekundarbereich, die Dana Jarczyk noch vor Beginn der Corona-Pandemie durchführte. „Besonders im Zusammenhang mit dem 2019 verabschiedeten Digitalpakt Schule ist mir aufgefallen, dass bisher nur wenig aus Sicht der Lehrerinnen und Lehrer gesprochen wurde“, so Jarczyk. Meist fokussieren sich Studien auf positive oder negative Effekte für den Lernprozess bzw. die Bildungsteilhabe von Schülerinnen und Schüler.

Neben dem „klassischen“ Einsatz im Unterricht nutzen Lehrerinnen und Lehrer digitale Medien für die Unterrichtsplanung und zu administrativen Zwecken wie der Verarbeitung von Noten und Zeugnissen. Dabei wird bereits das erste Problem deutlich: „Viele Lehrkräfte arbeiteten dafür auch vor Corona von zu Hause an ihren privaten Computern“, so Jarczyk. Denn: Ob langsames Internet oder keine Arbeitslaptops – an vielen Schulen fehlte es schlichtweg an der notwendigen Infrastruktur.

Defizite beim Umgang mit dem Datenschutz

Ein weiteres Problem seien sehr schwer einzuhaltende Datenschutzbestimmungen: „Einige der Regelungen verhindern die Handlungsfähigkeit oder begünstigen gar einen Verstoß gegen den Datenschutz, wenn durch die Schule keine Geräte gestellt werden und personenbezogene Daten dadurch am privaten Computer verarbeitet werden müssen. Diese rechtliche Unsicherheit ist belastend und führt oftmals zu Frustration“, so Jarczyk.

Immer erreichbar? – Nachhilfe per WhatsApp

Ein weiterer Stressfaktor: Durch digitale Medien hat sich die Kommunikation auch an Schulen verändert. Jarczyk: „Vor allem durch E-Mails wird oft eine unmittelbare Reaktion vonseiten der Schülerinnen und Schüler, Eltern oder dem Kollegium erwartet. Aber auch Handys werden immer mehr genutzt.“ So komme es durchaus vor, dass Lehrkräfte ihre privaten Handynummern an Schülerinnen und Schüler und das Kollegium geben, um besser erreichbar zu sein.

WhatsApp-Gruppen mit Schülerinnen und Schülern sollte es aus datenschutzrechtlichen Gründen eigentlich nicht geben, stellt Dana Jarczyk fest. Da dies aber dennoch oft der Fall sei, verschwämmen hääufig die Grenzen zwischen Privatem und Dienstlichem immer mehr. „Einerseits bieten diese Möglichkeiten eine schnelle Informationsweitergabe und einen guten Austausch und werden daher oft als praktisch empfunden. Andererseits kann dies bei nicht vorhandenen oder ineffektiven Strategien zur Stressbewältigung ein Gefühl der dauerhaften Erreichbarkeit erzeugen und auf diese Weise zu Überbelastungen führen“, so Jarczyk.

Corona-Projekte auf Kosten der engagierten Lehrkräfte

Erhoben hat Dana Jarczyk ihre Daten bereits 2019, also noch bevor die Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie Homeschooling und Wechselunterricht zum Standard an den Schulen machten. Wie schätzt sie die Auswirkungen durch Corona ein? „Viele Schulen sind digital einfach noch nicht ausreichend ausgestattet, und dies wurde durch die Corona-Pandemie nun noch offensichtlicher. Ich kann mir vorstellen, dass Lehrkräfte, die gerne und viel in der Schule gearbeitet haben oder weniger technikaffin sind, überrumpelt, wenn nicht überfordert sind“, so die Sozialwissenschaftlerin.

Auch wenn gezwungenermaßen seit Beginn der Pandemie einiges an Schulen verbessert wurde, ist sich Dana Jarzcyk sicher, dass viele dieser „Ad hoc-Projekte“ auf Kosten der psychischen Gesundheit von engagierten Lehrkräften durchgeführt wurden: „Digitalisierung hätte im Bereich Schule schon viel früher, umfassender und systematischer angegangen werden sollen, sodass nicht nur die Schulen, die einen guten Förderverein, eine motivierte Elternschaft und ein kleines Kollegium haben, sich entwickeln können, sondern dies flächendeckend geschieht.“ (zab, pm)

Immer mehr Lehrer krank – weil die Lehrerschaft altert?

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