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Grundschullehrkräfte sollen lernen, Lesen, Schreiben und Rechnen besser zu vermitteln

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DÜSSELDORF. Die Bitte der Lehrerverbände VBE und GEW, nicht mitten in der Corona-Krise auch noch eine Grundschulreform durchzupeitschen, hatte keinen Erfolg: Grundschüler in NRW sollen (wieder) besser Rechnen, Lesen und Schreiben lernen – hat das Schulministerium verfügt. An den Bedingungen ändert sich wenig, außer dass der Englisch-Unterricht nun später anfängt. Stattdessen sollen die Lehrkräfte nun fortgebildet werden.

Das Schulministerium sieht offenbar die Methodenkompetenz der Grundschullehrkräfte als Problem – die Bedingungen nicht. Foto: Shutterstock

Ein typischer Fehler in der dritten Klasse: «7 + 5 = 11», rechnen manche Schüler vor, wie der Dortmunder Mathematik-Professor Christoph Selter aus Erfahrung weiß. Der Unterricht in Lesen, Schreiben und Rechnen soll an den rund 2800 Grundschulen in Nordrhein-Westfalen von diesem Schuljahr an gestärkt werden. Mit sogenannten “Fachoffensiven” in Mathe und Deutsch bekommen Lehrkräfte umfangreiches Material zur Hand und werden von Fachberatern unterstützt. Selter und weitere Wissenschaftler haben das Programm zusammen mit der NRW-Landesregierung entwickelt.

Bei der Umsetzung sollen 106 Fachkoordinatoren den Schulen helfen. Die ersten 53 Stellen würden noch in diesem Schuljahr eingesetzt, sagte Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) am Freitag in Düsseldorf. Insgesamt stellt das Ministerium für die Fachoffensiven 27,5 Millionen Euro bis 2025 bereit.

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Ziel sei es, die Kernkompetenzen der Schülerinnen und Schüler in Deutsch und Mathe zu stärken und die Lehrkräfte zu unterstützen, sagte Gebauer. Internationale Studien hätten in den vergangenen Jahren «den Finger in die Wunde gelegt» und gezeigt, dass Grundschüler in NRW nicht gut genug lesen, schreiben und rechnen könnten. Gezielt werde nun an den Defiziten angesetzt.

Bei mehrsprachigen Kindern soll das Verständnis für die komplexe Schriftsprache erweitert werden

In Deutsch sei die Ausgangslage im dritten von der Pandemie geprägten Schuljahr schwieriger und komplexer geworden, sagte die Sonderpädagogik-Professorin Ulrike Lüdtke von der Leibniz Universität Hannover. Kinder sollten früher individuell gefördert werden. Bei mehrsprachigen Kindern solle das Verständnis für die komplexe Schriftsprache erweitert werden. Auf einer zentralen Website für Deutsch sollen Lehrkräfte Lernvideos, Tutorials, Vorlagen sowie Material für das Distanzlernen abrufen können. Außerdem erhalten sie im Lauf der Zeit mehrere Handreichungen in Mathe und Deutsch für den Unterricht.

Lernen sollen die Kinder auch digital mit Hilfe von Apps. Bücher zu lesen und Schreiben auf Papier bleibe aber «wichtiger Bestandteil des Lernens», so Michael Krelle von der TU Chemnitz. Hinzu kämen über die nächsten Jahre auch Online-Konferenzen etwa zum Schreibunterricht und zur Digitalisierung. In diesem Schuljahr würden erste Online-Angebote für die Jahrgangsstufe eins zur Verfügung gestellt.

Mit den Fachoffensiven nehme NRW bundesweit eine Vorreiterrolle ein, sagte Ministerin Gebauer. Sie sind Teil des “Masterplans Grundschule” für NRW. So starten die jetzt eingeschulten Grundschüler erst in der dritten Klasse mit dem Englisch-Unterricht. Bisher hatten Grundschüler in der ersten Klasse eine Stunde Englisch und in der zweiten Klasse zwei Stunden pro Woche. Diese Stunden stehen nach Angaben Gebauers jetzt für Mathe und Deutsch zur Verfügung.

Auch in der andauernden Pandemie kämen die Fachoffensiven den Schülern sicher zugute – meint Schulministerin Gebauer

Auch in der andauernden Pandemie kämen die Fachoffensiven den Schülern sicher zugute, sagte Gebauer. Wissenschaftler Selter sagte, der Handlungsbedarf sei durch Corona noch einmal verschärft worden.

Wegen der Pandemie haben die Schulen bis zum Schuljahr 2022/23 Zeit, die neuen Vorgaben umzusetzen. So wird auch eine Handreichung für einen systematischen Rechtschreibunterricht und einen verbindlichen Grundwortschatz mit allen Besonderheiten der deutschen Rechtschreibung fest im Lehrplan verankert. Die angebliche Methode «Schreiben nach Gehör» (gemeint ist offenbar: «Lesen durch Schreiben») soll aufgegeben werden. In Mathe scheitern Kinder übrigens häufig, weil sie die Fachbegriffe wie Addition oder Division nicht verstehen. «Mathe hat auch viel mit Sprache zu tun», sagte Selter. News4teachers / mit Material der dpa

Kritik am Masterplan

Die GEW und der VBE hatten den Zeitpunkt der Umsetzung des sogenannten “Masterplans Grundschule” inmitten der Corona-Krise kritisiert – aber auch den Inhalt. “Besonders am Schulanfang soll ein Fokus auf Kernkompetenzen gelegt werden. Damit sind allerdings die früheren Hauptfächer Deutsch und Mathematik gemeint und nicht etwa die Förderung basaler Fähigkeiten, die erfolgreiches Lernen erst ermöglichen. (…) Hier wird erhebliche zusätzliche Arbeit auf die Grundschulen zukommen”, so hieß es bei der GEW im vergangenen Jahr nach Präsentation des Vorhabens.

“Ein Blick auf den Vorschlag des Schulministeriums zeigt, dass die Kompetenzerwartungen in den Fächern nicht vom Kind her entwickelt werden, sondern sich aus den Erwartungen der Sekundarstufe I ergeben. Am augenfälligsten wird dies bei der Umstellung beim Fach Englisch, das nun erst ab Klasse 3 unterrichtet werden soll. Dabei geht es im Kern wohl darum, Didaktik und Methodik des Faches an den Sprachunterricht in der Sekundarstufe I anzupassen. Der spielerische Umgang mit Sprache in den ersten zwei Schuljahren, wie er von den Kolleg*innen vor Ort praktiziert wird, wird aufgegeben.”

Streit um „Lesen durch Schreiben“: Kritiker der Methode räumen nun ein, dass Probleme mit dem Rechtschreiben daher kaum rühren können

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