Jugendliche sollen nach einem Vorschlag des Bundesgesundheitsministeriums in allen Bundesländern Corona-Impfangebote bekommen. Das geht aus einem Entwurf für einen Beschluss der Gesundheitsministerkonferenz an diesem Montag hervor, der der Deutschen Presse-Agentur in Berlin vorliegt. «Eine entsprechende ärztliche Aufklärung sowie eine ggf. notwendige Zustimmung der Sorgeberechtigten werden dabei sichergestellt», heißt es in dem Entwurf.
«Es werden nunmehr alle Länder Impfungen für Zwölf- bis 17-Jährige in den Impfzentren anbieten», schreibt das Ministerium in dem an die Länder versendeten Beschlussvorschlag. Auch niedergelassene Ärzte und Betriebsärzte, die Angehörige impften, könnten eingebunden werden. In einigen Ländern sind bereits Impfaktionen etwa an Schulen geplant. In Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern beginnt der Unterricht nach den Sommerferien an diesem Montag wieder, in Hamburg am Donnerstag.
Sehr guter, ausgewogener Artikel in @SZ von @ChristinaBerndt zum Wissen über #LongCovid bei Kindern. Aus meiner Sicht ist #LongCovid der wichtigste Grund für die Impfung von Kindern. https://t.co/xPpXVDHve4
— Karl Lauterbach (@Karl_Lauterbach) July 23, 2021
Das Impftempo bei Erwachsenen hatte sich zuletzt verlangsamt. 61,6 Prozent (51,2 Millionen Menschen) in Deutschland sind inzwischen mindestens einmal gegen das Coronavirus geimpft, wie Bundesgesundheitsminister Spahn (CDU) am Samstag twitterte. 52 Prozent (43,2 Millionen) sind demnach vollständig geimpft. Unter den Jugendlichen hat jeder Fünfte inzwischen eine erste Impfung bekommen. In absoluten Zahlen sind es 900.000. Nach Ansicht von Experten sind die Impfzahlen viel zu niedrig, um angesichts der grassierenden hochansteckenden Delta-Virusvariante die anrollende vierte Welle flach zu halten.
Für junge Erwachsene sollen die Länder «niedrigschwellige Angebote» in Universitäten, Berufsschulen und Schulen machen, so der Beschlussentwurf für Montag. «Dies kann maßgeblich zu einem sichereren Start in den Lehr- und Lernbetrieb nach den Sommerferien beitragen.»
«Unsere Aufgabe ist, auf der Grundlage aller verfügbaren Erkenntnisse die beste Impfempfehlung auch für die Kinder zu geben»
Die Europäische Arzneimittelbehörde EMA hatte im Mai den Covid-19-Impfstoff von Biontech/Pfizer für Kinder und Jugendliche ab zwölf Jahren zugelassen, vor wenigen Tagen folgte auch die Freigabe für Moderna. Für Deutschland empfiehlt die Ständige Impfkommission (Stiko) die Impfung bisher jedoch nur vor allem Kindern und Jugendlichen mit bestimmten Vorerkrankungen wie Diabetes oder Adipositas, die ein erhöhtes Risiko für einen schweren Verlauf haben. Trotz heftigen politischen Drucks bleibt die Stiko bei ihrem Kurs.
«Unsere Aufgabe ist, auf der Grundlage aller verfügbaren Erkenntnisse die beste Impfempfehlung für die Bürger dieses Landes und auch für die Kinder dieses Landes zu geben», so erklärte der Stiko-Vorsitzende Prof. Dr. med. Thomas Mertens der «Welt». «Und das werden wir tun, daran arbeiten wir ständig außerordentlich intensiv.»
«Zum einen zeigen unsere Erhebungen und Modelle deutlich, dass Jugendliche wesentlich seltener schwer erkranken als Erwachsene und zum anderen hat die Impfung dieser Altersgruppe relativ geringe Auswirkungen auf den weiteren Verlauf der Pandemie», sagte er gegenüber der “Schwäbischen Zeitung”. Die Stiko werde an ihrem Vorgehen festhalten. «Wir nehmen uns weiter die Zeit, die wir brauchen, um alle Daten auszuwerten, wie es unserem Auftrag entspricht.» Zum Zeitraum sagte Mertens, es handele sich um «Wochen».
Am Mittwochabend hatte Stiko-Mitglied Prof. Dr. med. Fred Zepp, ehemaliger Direktor des Zentrums für Kinder- und Jugendmedizin der Universitätsmedizin Mainz, im ZDF gesagt, er erwarte Daten aus den USA zur Impfung von Jugendlichen «in den nächsten zwei bis drei Wochen». Man habe dort dreistellige Zahlen von Herzmuskelerkrankungen gesehen, «die auch alle zum Teil so verlaufen sind, dass die Jugendlichen ins Krankenhaus mussten». Entscheidend für den weiteren Verlauf der Pandemie, so Mertens, sei nicht eine Impfung von 4,5 Millionen Kindern, sondern eine hohe Impfquote in der Altersgruppe von 18 bis 59 Jahren.
Widerspruch kommt mittlerweile aus – fast – allen politischen Lagern. Die SPD-Parteivorsitzende Saskia Esken etwa sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland: “Die Infektion selbst mag bei den meisten Kindern und Jugendlichen harmlos verlaufen. Doch auch bei ihnen gibt es die Gefahr von Long-Covid.” Esken sprach sich dafür aus, “Impfmobile” an Schulen zu schicken, um Jugendlichen ein Impfangebot zu machen. Sie und auch Vizekanzler und SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz forderten junge Menschen auf, sich auch ohne Empfehlung der Ständigen Impfkommission immunisieren zu lassen. Impfstoffe seien zugelassen und stünden zur Verfügung, sagte Scholz den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. “Ich traue 15-Jährigen zu, gemeinsam mit ihren Eltern eine solche Entscheidung treffen zu können.”
Der baden-württembergische Gesundheitsminister Manne Lucha (Grüne) befürwortet ebenfalls Impfungen für Jugendliche. Auch aus Sachsen-Anhalt kam Zustimmung. Die amtierende sachsen-anhaltische Gesundheitsministerin Petra Grimm-Benne (SPD) sagte: «Die Nachfrage dazu ist vorhanden.» Das Land plane bereits Sonder-Impfaktionen für Heranwachsende.
61,6% (51,2 Mio) in 🇩🇪 sind mind. einmal geimpft, 52% (43,2 Mio) haben vollen Impfschutz. Auch 900.000 der 12- bis 17-Jährigen sind geimpft, jeder 5. dieser Gruppe hat eine Erstimpfung erhalten. Es ist genug Impfstoff für alle Altersgruppen da: Wer will, kann sich impfen lassen.
— Jens Spahn (@jensspahn) July 31, 2021
Zuvor hatte Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) den Druck auf die Stiko erhöht. «Wenn die europäische Zulassungsbehörde zwei Corona-Impfstoffe für sicher und wirksam auch für Kinder ab 12 Jahren erklärt, spricht aus meiner Sicht sehr viel dafür, die Vakzine auch für diese Gruppe breit zu nutzen», sagte der CDU-Politiker im Gespräch mit der “Neuen Osnabrücker Zeitung” (NOZ). «Es steht dem Bundestagspräsidenten nicht an, die Ständige Impfkommission zu kritisieren. Allerdings darf ich sie an ihre Verantwortung erinnern.» Die Corona-Risiken seien auch für Kinder um ein Vielfaches höher als die einer Impfung. Er wünsche sich persönlich als Großvater, dass seine Enkel möglichst bald geimpft werden könnten. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) fordert die Stiko schon seit längerem zum Umdenken auf.
«Wenn die Gesundheitsminister die Impf-Empfehlung an der Stiko vorbei ändern, kommt das einer Entmachtung gleich»
Die FDP hingegen sieht den wachsenden politischen Druck auf das medizinische Beratergremium kritisch. «Wenn die Gesundheitsminister die Impf-Empfehlung an der Stiko vorbei ändern, kommt das einer Entmachtung gleich», sagte Andrew Ullmann, Obmann der FDP im Gesundheitsausschuss des Bundestags, dem «Tagesspiegel». News4teachers / mit Material der dpa

