FRANKFURT/MAIN. Die GEW mahnt die Bundesregierung, die Empfehlungen des Robert Koch-Institutes für die Kindertagesstätten (Kita) schnell umzusetzen. Zudem seien die Kommunen sowie freie und konfessionelle Kita-Träger mit den notwendigen Ressourcen auszustatten, damit diese ihre Beschäftigten schützen können und so das Vertrauen in die Arbeitgeber wieder gestärkt wird. „Bundesfamilienministerin Anne Spiegel (Grüne) muss jetzt handeln“, sagte Doreen Siebernik, GEW-Vorstandsmitglied Jugendhilfe und Sozialarbeit, am Montag mit Blick auf den heute tagenden Corona-Kita-Rat. „Die Situation in der frühkindlichen Bildung ist bundesweit dramatisch. Es darf kein Tag mehr verschenkt werden, sonst droht ein System-Burnout.“ Der Kita-Fachkräfteverband ruft zu Protestaktionen auf.
„Täglich erreichen die GEW unzählige Schilderungen der Fachkräfte aus der pädagogischen Praxis: Die Erschöpfung der Kita-Teams, der Fachkräfte und Leitungen ist groß und legt sich wie ein bleierner Nebelschleier über den Alltag in den Einrichtungen“, betonte Siebernik. Viele Kolleginnen und Kollegen hätten ein Gefühl des „Ausgeliefertseins“.
Nach wie vor könnten sich Erzieherinnen und Erzieher wegen des engen Kontakts zu den Kindern weder durch Abstandhalten noch mit Masken schützen. Gleichzeitig gebe es vielfach negative Rückmeldungen, weil die Lolli-Tests nicht verlässlich genug seien. „Die Situation, dass die Eltern nicht nur mit falsch positiven Ergebnissen umgehen müssen, sondern zunehmend auch mit falsch negativen, ist für alle frustrierend“, unterstrich Siebernik.
„Nur wenn die Rahmenbedingungen der Beschäftigten in den Einrichtungen stimmen, kann qualitativ gute Arbeit geleistet werden”
Der Umgang mit der Pandemie und die Infektionsgefahr, der die Kolleginnen und Kollegen ausgesetzt werden, zeuge nicht von Verantwortungsbewusstsein der politisch Verantwortlichen. „Es ist längst überfällig, dass endlich auf die Bedarfe der Fachkräfte, Kinder und Familien in den Einrichtungen der frühkindlichen Bildung gehört wird – statt mit Spar-Modellen zu versuchen, Fehlentscheidungen zu übertünchen. Wenn wir es nicht schaffen, die Situation zu entspannen, werden wir erleben, dass unzählige, gut qualifizierte Fachkräfte den Beruf verlassen“, warnte die GEW-Kita-Expertin. „Nur wenn die Rahmenbedingungen der Beschäftigten in den Einrichtungen stimmen, kann qualitativ gute Arbeit geleistet werden und die Kinder fühlen sich wohl und geborgen wie in einer kleinen Familie.“
Hintergrund: Der Corona-Kita-Rat wurde als Fachgremium während der Pandemie eingerichtet. Er soll die Arbeit in den Kindertageseinrichtungen begleiten und die bundesweite Situation bewerten. Auf dieser Grundlage berät er die Bundesregierung. Das Robert-Koch-Institut empfiehlt für den Kita-Betrieb “die Kohortierung in möglichst kleinen definierten Gruppen, Lüftungskonzepte (ggf. unter Nutzung von Luftreinigern) sowie systematische Testkonzepte.”
Unter den Hashtags #kitasamlimit, #esreicht und #unsglangts (in Bayern) protestieren aktuell Kita-Fachkräfte in Sozialen Medien bundesweit. „Sie sind am Limit und es ist kein Ende in Sicht. Sowohl die Personalsituation, als auch die schlechten Rahmenbedingungen, auf die immer wieder aufmerksam gemacht wird, führen unter den Kita-Fachkräften zu Frust und Ärger. Die Pandemie tut ihr Übriges, indem sie den Krankenstand in die Höhe treibt und die Gesundheit von Kindern, Personal und Familien bedroht“, so heißt es beim Verband Kita-Fachkräfte Bayern.
“Die gesunden Fachkräfte arbeiten teilweise alleine mit bis zu 25 Kindern und verletzen damit regelmäßig die Aufsichtspflicht”
„Immer mehr Fachkräfte verlassen ihren Beruf und orientieren sich neu. Der Fachkräftemangel verstärkt sich weiter“, so heißt es. „Kitas sind keine ‚Aufbewahrungsstätten‘ für Kinder. Wir unterstützen Kinder in ihrem Handeln und legen den Grundstein für ihren weiteren Werdegang. Wir sind eine Bildungsstätte und das Sprachrohr der Kinder. Wir wollen mit ihnen lachen und Spaß haben, auf ihre Bedürfnisse eingehen und ihre Individualität sehen. Wir wollen Kinderrechte sichern und ein Schutzhaus für die Kleinsten sein. Doch es fehlt an Kapazität, es fehlt die Zeit, das Personal und inzwischen die Kraft.“
Weiter heißt es: „Die Leitungen in den Kitas versinken in Bürokratie und haben kaum noch die Chance, sich um pädagogische Aufgaben zu kümmern. Die gesunden Fachkräfte in den Gruppen fangen die Krankheitswelle auf, arbeiten teilweise alleine mit bis zu 25 Kindern und verletzen damit regelmäßig die Aufsichtspflicht. Unserem Bildungsauftrag und einer bedürfnisorientierten Betreuung können wir immer weniger nachkommen. Von fachgerechter Dokumentation und individueller Förderung ist schon lange keine Rede mehr. Individuelle Förderung und fachliche Dokumentation müssen sich seit Beginn dieser Pandemie stets der fortan priorisierten Betreuung aller Kinder – koste es, was es wolle – unterordnen. Immer mehr Gruppen müssen geschlossen werden, da vermehrt das Personal erkrankt, aufgibt oder Stellen gar nicht erst besetzt sind.“ News4teachers
Kita-Tarifverhandlungen – Verdi: Nur Streik, wenn es gar nicht anders geht