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Bund will Ländern die Maskenpflicht in Schulen verbieten – KMK protestiert

BERLIN. Die Corona-Landkarte des RKI ist derzeit fast durchgehend lila gefärbt – das steht für Inzidenzen von mehr als 1000. Trotz nahenden Frühlings baut sich die BA.2-Welle weiter auf. Und ausgerechnet in diese Entwicklung hinein will die Bundesregierung den Ländern verbieten, in den Schulen weiter eine flächendeckende Maskenpflicht zu verhängen (lediglich in nicht näher definierten Hotspots soll sie noch erlaubt sein). Dagegen regt sich Widerstand – selbst bei der Kultusministerkonferenz, die bislang nicht durch besondere Vorsicht beim Corona-Management aufgefallen ist.  

Wird bald ohne Masken durchs Schulgebäude gerannt? Wenn’s nach der Bundesregierung geht: Ja. Foto: Shutterstock

Der Deutsche Lehrerverband hatte bereits in der vergangenen Woche davor gewarnt, die Maskenpflicht an Schulen trotz vielerorts steigender Corona-Inzidenzen abzuschaffen. Statt Öffnungsplänen der Bundesregierung sei vielmehr eine Verschiebung oder gar Rücknahme von Lockerungsschritten zu erwägen, sagte Verbandspräsident Heinz-Peter Meidinger der “Rheinischen Post”. “Als Lehrerverband rechnen wir angesichts der künftigen ausschließlichen Zuständigkeit der Länder für Schutzmaßnahmen an Schulen mit einem noch bunteren und rational kaum mehr nachvollziehbaren Flickenteppich beim Corona-Schutz an Schulen.”

Die aktuelle Corona-Welle führe an vielen Schulen zu Ausfällen beim Lehrpersonal “wie in den gesamten Monaten zuvor nicht”, sagte Meidinger. “Bei kompletter Aufhebung von Maskenpflicht und in einzelnen Bundesländern auch der Testpflicht würden angesichts der hochinfektiösen Omikron-Variante die Covid-Infektionen ungebremst durch die Schulen laufen.” Nach seinem Eindruck werde zu wenig Rücksicht genommen auf Lehrerinnen und Lehrer. Allerdings gebe es auch Befürworter einer Abschaffung der Maskenpflicht, die eine Erleichterung für Kinder und Jugendliche nach zwei Jahren Pandemie für nötig halten. Die Elternschaft sei an vielen Schulen gespalten.

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Die Entwicklung scheint Meidinger recht zu geben: Immer mehr Bundesländer lockern die Corona-Regeln (auch) in Schulen – und die Sieben-Tage-Inzidenz in Deutschland hat erneut einen Höchstwert erreicht. Das Robert Koch-Institut (RKI) gab die Zahl erfasster Corona-Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner und Woche am Mittwoch mit 1.607 an. Vor einer Woche hatte der Wert noch 1.319 betragen. Zwar sind positive Tests nach wie vor bei Kindern im Schulalter, Jugendlichen und Erwachsenen bis 34 Jahre am häufigsten. Einen deutlich steigenden Trend verzeichnet das RKI allerdings bei den älteren Menschen. Zuletzt waren auch mehr Ausbrüche in Alten- und Pflegeheimen gemeldet worden.

Die Kinder-Inzidenzen sind in einigen Regionen Deutschlands monströs: Der Landkreis Eichsfeld (Thüringen) etwa verzeichnet für Fünf- bis 14-Jährige einen Wert von 7.129, der benachbarte Landkreis von 7.092. Sechs Städte und Landkreise in Mecklenburg-Vorpommern liegen in der Altersgruppe bei Werten über 5.000 – ähnlich viele (4.812) meldet die Vulkaneifel in Rheinland-Pfalz.

Als Hauptgründe für die derzeitige Entwicklung gelten die laut Experten um etwa 40 Prozent besser übertragbare Omikron-Subvariante BA.2 und die Lockerungen von Schutzmaßnahmen. Bei den aktuellen Meldezahlen wird von einer hohen Zahl an Fällen ausgegangen, die nicht erfasst sind. Ein Hinweis auf die Dunkelziffer ist der Anteil positiv ausgefallener Tests: Der Verband Akkreditierte Labore in der Medizin (ALM) gab ihn für vergangene Woche mit knapp 54 Prozent an – ein Höchstwert in der Pandemie. Hintergrund könnte laut Verband sein, dass viele Infizierte keinen Arzt aufsuchen und/oder dass nach positivem Schnelltest oft kein PCR-Test mehr gemacht wird. Das gilt insbesondere auch für Schülerinnen und Schüler.

«Wir haben steigende Infektionszahlen, der Omikron-Subtyp BA.2 setzt noch einmal einen drauf»

In den Gesundheitsämtern sei die Lage weiter sehr angespannt, sagte der Vorsitzende des Bundesverbands der Ärztinnen und Ärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes (BVÖGD), Johannes Nießen, am Mittwoch. «Wir haben steigende Infektionszahlen, der Omikron-Subtyp BA.2 setzt noch einmal einen drauf. Unser Fokus liegt auf den vulnerablen Gruppen – aber das heißt nicht, dass alle anderen Gruppen gar nicht mehr im Fokus sind.» Die Ankunft von Flüchtlingen aus der Ukraine bedeute Zusatzaufgaben, wie etwa Tests auf Sars-CoV-2 und bei Gemeinschaftsunterbringung auch Untersuchungen auf Tuberkulose.

Äußerungen, wonach bei den Angekommenen aus der Ukraine bis zu 30 Prozent positiv auf Corona getestet würden, hält Nießen für zu hoch gegriffen, wie er sagte. «Einzelne werden nach der Ankunft positiv getestet.» Bei Ausbrüchen in Unterkünften könnten jedoch durchaus schnell derart hohe Anteile von Infizierten erreicht werden. «Wichtig ist auch vor diesem Hintergrund, dass an der Maskenpflicht festgehalten wird. Kleine Maßnahme, große Wirkung», sagte Nießen auch mit Blick auf die für Mittwoch im Bundestag geplante erste Lesung zu Änderungen des Infektionsschutzgesetzes zu künftigen Corona-Schutzmaßnahmen vom 20. März an.

«Eine ungebremste Durchseuchung – und so befürchte ich das derzeit – darf jetzt nicht Deutschlands Ziel werden»

Der Münchner Virologe Oliver Keppler hält die bevorstehenden bundesweiten Corona-Lockerungen angesichts der rasant steigenden Infektionszahlen für falsch. «Nach meinem Eindruck haben wir derzeit eine Entkopplung zwischen der tatsächlichen Entwicklung des Infektionsgeschehens und der politischen Diskussion über Lockerungen und einen Freedom Day», sagte der Leiter der Virologie an der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität. «Eine ungebremste Durchseuchung – und so befürchte ich das derzeit – darf jetzt nicht Deutschlands Ziel werden.» Nach wie vor gebe es täglich 200 bis 300 Corona-Tote. «Bei annähernd neun von zehn ist Covid auch ursächlich für den Tod», sagte Keppler.

Die Zahl der in Kliniken gekommenen Corona-infizierten Patienten je 100 000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen gab das RKI am Mittwoch mit 7,45 an (Dienstag: 7,21). Darunter sind auch viele Menschen mit positivem Corona-Test, die eine andere Haupterkrankung haben. Bei Corona-Infizierten auf Intensivstationen zeichnete sich zuletzt ein Plateau ab: Seit Ende Januar schwankte die Zahl dieser Patienten dort zwischen rund 2100 und 2450, am Mittwoch waren es rund 2300.

Derzeit würden konstant 0,13 Prozent aller Infizierten intensivpflichtig, twitterte der wissenschaftliche Leiter des Divi-Intensivregisters, Christian Karagiannidis, am Mittwoch. Es würden viele Ältere und Patienten mit unterdrücktem Immunsystem behandelt. Ein gravierendes Problem derzeit seien Personalausfälle durch Infektion, aber auch durch Kinderbetreuung.

Zum Vergleich: Der Höhepunkt der Belastung der Intensivstationen war in der dritten Welle 2021 erst Ende April erreicht worden, mit damals mehr als 5000 Covid-19-Patienten.

Wie es in diesem Jahr weitergeht, ist für einige Experten noch unsicher. «Derzeit ist die Entwicklung schwer abzuschätzen», schrieb zum Beispiel die Physikerin und Corona-Modelliererin Viola Priesemann am Dienstag auf Twitter. Es könnten derzeit keine präzisen Vorhersagen gemacht werden, da man nicht genau wisse, wie stark gelockert wird und wie gut es um die Immunität gegen die Omikron-Untervariante BA.2 steht.

«Das, was jetzt geplant ist, hat mit einem vorsichtigen und behutsamen Ausstieg nichts zu tun»

Selbst die Kultusministerkonferenz (KMK) zeigt sich beunruhigt. Die Länder sollten auch über den 20. März hinaus bei Bedarf eine Maskenpflicht im Unterricht anordnen können, ließ die KMK-Präsidentin und schleswig-holsteinische Bildungsministerin Karin Prien (CDU) verlauten. Zwar sollten bis spätestens Mai nach dem Willen der Länder an Schulen alle Einschränkungen entfallen, insbesondere auch die Pflicht zum Tragen von Masken und zu anlasslosen Testungen. Aktuell aber sei eine bundesweite Regelung für den Basisschutz nötig, «die es auch ermöglicht, bei Bedarf Maskenpflicht und Testpflicht als Werkzeuge zur Verfügung zu haben».

Auch Thüringens Bildungsminister Helmut Holter (Linke) kritisierte das Vorgehen des Bundes. Man habe sich in der Kultusministerkonferenz darauf verständigt, den Ausstieg aus den Corona-Maßnahmen vorsichtig und behutsam anzugehen. «Das, was jetzt geplant ist, hat mit einem vorsichtigen und behutsamen Ausstieg nichts zu tun.» News4teachers / mit Material der dpa

Der Verharmlosungskurs der Kultusminister manövriert die Schulen in die Sackgasse – Corona ohne Ende droht

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