BERLIN. Der Deutsche Ethikrat fordert als Lehre aus schweren Belastungen in der Corona-Pandemie ein deutlich größeres Augenmerk auf die Belange junger Menschen in gesellschaftlichen Krisen. Die Vorsitzende Alena Buyx sagte in Berlin, es sollte eine Regel sein: «Wie schützen wir die jungen Generationen, und wie können wir dafür sorgen, dass wir ihnen nicht zu viel aufbürden.» Dies betreffe angesichts sich «stapelnder» Krisen mit dem Ukraine-Krieg, Inflation und Klimaveränderung auch die Schulen: Die sollen Unterstützungsleistungen als Regelangebote in den Alltag integrieren.
Buyx erläuterte, jüngere Generationen seien inzwischen Minderheiten in der Gesellschaft geworden. Dies führe zu der Gefahr, dass sie bei der Krisenbewältigung ins Hintertreffen geraten. «Das darf nicht passieren.» Ein besonders drängender Notstand ist laut einer Stellungnahme des Ethikrats der Mangel an zeitnah verfügbarer psychosozialer Prävention, Beratung, Unterstützung und Versorgung. „Schon vor der Pandemie gab es erhebliche Versorgungsdefizite. Aufgrund des Zuwachses an Beratungsbedarf inner- und außerhalb von Bildungseinrichtungen, aber auch des Anstiegs an therapeutischem Hilfebedarf sind diese Defizite erheblich größer geworden.“
Dass eine gute und zielgenaue Versorgung von Kindern und Jugendlichen, die in der Pandemie psychisch erkrankt sind, nicht gegeben sei, belegten die langen Wartezeiten bis zur Diagnostik und der sich anschließenden adäquaten Hilfe und Therapie. Mit Blick auf die Solidarität junger Menschen in der Corona-Krise sagte Buyx: «Wir schulden als Gesellschaft Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen nicht nur Dank und Respekt, sondern konkretes Handeln.» Der Ethikrat als beratendes Gremium fordert in seiner Empfehlung unter anderem einen flächendeckenden Ausbau psychologischer und anderer Hilfsangebote.
„Angesichts des diesbezüglichen Fachkräftemangels braucht es offensivere Strategien zur Personalgewinnung“
Buyx wies erneut darauf hin, es sei nicht ausreichend gewürdigt worden, welchen Belastungen junge Menschen ausgesetzt gewesen seien – durch die Pandemie als existenzielle Erfahrung einer langgezogenen, bedrohlichen Krise an sich, aber auch durch Eindämmungsmaßnahmen. Jüngere, die dadurch selbst in Notlagen gerieten, hätten nicht zuverlässig die erforderliche Beachtung und Unterstützung erhalten.
Der Ethikrat fordert konkret: „Niedrigschwellige und flächendeckende schulpsychologische Angebote bzw. psychosoziale Unterstützungsangebote, z. B. durch qualifizierte Schulsozialarbeit, sollten gestärkt und in den Schulalltag und das Schulkollegium als Regelangebot integriert werden.“ Dass das angesichts des Lehrkräftemangels schwierig werden könnte, räumt das Gremium ein. „Angesichts des diesbezüglichen Fachkräftemangels braucht es offensivere Strategien zur Personalgewinnung“, so heißt es.
Und weiter: „Weil die Schule für Kinder und Jugendliche ein zentraler Lebensort ist, müssen lebensgestaltende und -unterstützende Angebote auch in der Schule
vorgehalten werden und mit anderen Unterstützungsangeboten insbesondere der öffentlichen und freien Kinder- und Jugendhilfe sowie des Gesundheitswesens vernetzt werden. Ohne eine klare Zuständigkeit der Schulen droht ein sogenannter negativer Kompetenzkonflikt, der dazu führt, dass sich niemand zuständig fühlt und die Kinder und Jugendlichen aus dem Blick geraten.“
Es empfehle sich, die im Bildungs-, Sozial- und Gesundheitsbereich tätigen Personen, die kontinuierlich Alltagskontakte zu Kindern und Jugendlichen und jungen Erwachsenen haben, im Hinblick auf die Prävention psychischer Belastungen und Erkrankungen spezifisch zu schulen, damit sie entsprechende Problemlagen frühzeitig erkennen und die Betroffenen zu entsprechenden Unterstützungsangeboten weitervermitteln. News4teachers / mit Material der dpa
Hier geht es zur vollständigen Stellungnahme.
Ethikrat stellt sich gegen Kultusminister: „Schutz der Kinder muss Priorität haben“