
Die graue Wolkendecke liegt schwer über dem kleinen Örtchen Illerkirchberg. Es ist kalt und trist an diesem Montagnachmittag. Die Einwohner huschen vorbei und winken ab. Die meisten von ihnen wollen nicht über das reden, was an diesem Morgen passiert ist – und was die Gemeinde bis ins Mark erschüttert.
Illerkirchberg ist ein beschaulicher Ort südlich von Ulm, knapp 5.000 Einwohner, Kindergärten, Grundschulen, ein Fuggerschloss. Einfamilienhäuser säumen die Hauptstraße, Schaukeln und Spielgeräte stehen in den Vorgärten, an der Bushaltestelle hängt ein Zettel, dass Kater Sammy gesucht wird.
Nur wenige Meter weiter geht die Bucher Straße ab. Pinke Sprühfarbe zeugt von dem schrecklichen Verbrechen, das sich hier wenige Stunden zuvor ereignet hat. Die Spurensicherer der Polizei haben damit großflächig die Straße und eine Mauer besprüht. Der Asphalt ist noch feucht – dort, wo die Einsatzkräfte das Blut von der Straße gespült haben. Anwohner haben einen kleinen Strauß und Kerzen aufgestellt.
Montagmorgen um 7.30 Uhr gehen hier zwei Mädchen entlang, sie sind wie jeden Tag auf dem Weg zur Schule. Dort kommen sie nie an. Ein Mann attackiert sie genau hier, in der Bucher Straße, verletzt sie beide schwer. Eines der Opfer, ein 14 Jahre altes Mädchen, stirbt später in der Klinik. Das zweite Mädchen, ein Jahr jünger, gilt weiter als schwer verletzt. Die Polizei nimmt den mutmaßlichen Täter und zwei weitere Männer fest. Auch das Spezialeinsatzkommando fährt nach Illerkirchberg.
Vieles ist zunächst unklar – etwa wie genau die Mädchen verletzt wurden und warum. Die Polizei hält sich am Montag über viele Stunden bedeckt. Am Abend hieß es dann: Die beiden Mädchen sind nach ersten Erkenntnissen vermutlich mit einem Messer attackiert worden. «Die 14-Jährige musste nach dem Angriff noch am Tatort wiederbelebt werden, bevor sie in die Klinik gebracht wurde, wo sie trotz aller ärztlichen Bemühungen verstarb», teilten Polizei und Staatsanwaltschaft mit.
«Es gab entgegen von Gerüchten keinen Amokalarm in einer Schule»
Der mutmaßliche Täter soll aus einem benachbarten Wohnhaus – eine Asylbewerberunterkunft – gekommen und nach der Tat dorthin wieder geflüchtet sein. Die Polizei traf in dem Haus auf drei Menschen. «Als die Polizei diese mit Spezialkräften durchsuchte, traf sie dort auf drei Bewohner, alle Asylbewerber aus Eritrea», hieß es weiter. Bei dem 27-Jährigen habe die Polizei ein Messer gefunden, das als Tatwaffe in Betracht komme. «Der Verdächtige befindet sich aktuell unter polizeilicher Bewachung in einem Krankenhaus.» Die Beamten hätten die beiden anderen Männer mit zur Dienststelle genommen.
Die Beamten wollten die Festgenommenen nun befragen. Ob der mutmaßliche Täter in dem Haus, in das er flüchtete, wohnt und ob er die anderen dort angetroffenen Männer kennt, sei Teil der Ermittlungen. Gleiches gelte für ein mögliches Motiv des Angreifers.
Die Attacke auf die Mädchen hatte nach Polizeiangaben keine direkten Auswirkungen auf eine benachbarte Grundschule. «Es gab entgegen von Gerüchten keinen Amokalarm in einer Schule», sagte der Sprecher. Den Tatort selbst hatten die Einsatzkräfte nach dem Vorfall mit rot-weiß-gestreiftem Flatterband abgesperrt. Zur Spurensicherung waren Menschen in Ganzkörper-Schutzanzügen vor Ort. Am Ende blieben Markierungen am Boden und an einer Mauer entlang der Straße.
Der SWR zitierte Bürgermeister Markus Häußler, die Gemeinde stehe unter Schock. Man werde den betroffenen Familien zur Seite stehen. Laut der «Südwest Presse» war er den ganzen Morgen am Tatort gewesen. «Es ist furchtbar», sagte er der örtlichen Zeitung.
Die baden-württembergische Kultusministerin Theresa Schopper (Grüne) sagte: «Ich bin fassungslos.» Die Tat sei «absolut schrecklich und hat mich zutiefst schockiert. Meine Gedanken sind bei den Familien und den Angehörigen». Die Präsidentin der Kultusministerkonferenz, Karin Prien (CDU), erklärte: «Meine Gedanken sind bei der Familie der getöteten Schülerin.» Der verletzten Schülerin wünsche sie eine schnelle Genesung sowie den Mitschülerinnen und Mitschülern der beiden Opfer viel Kraft.
Am Nachmittag steht nur noch ein Streifenwagen am Tatort. Direkt gegenüber haben die Beamten die Eingangstür eines Hauses versiegelt, dorthin soll der Täter nach dem Angriff geflüchtet sein. Dort stoßen die Beamten auf die drei Personen. Es habe wohl öfter Probleme mit den Bewohnern in diesem Haus gegeben, hört man im Ort. Das Gebäude ist heruntergekommen, Fenster sind eingeschlagen, der Putz bröckelt. Auf dem Dach hängen ein paar alte Fußbälle fest.
Die Polizei bittet in der Mitteilung darum, «keinen Generalverdacht gegen Fremde, Schutzsuchende oder Asylbewerber allgemein zu hegen oder solchem Verdacht Vorschub oder Unterstützung zu leisten». News4teachers / mit Material der dpa
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