Zwei Mädchen auf dem Schulweg angegriffen, eins ist tot: Verdächtiger festgenommen

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ILLERKIRCHBERG. «Hier ist die Welt noch in Ordnung», dieser Satz würde das Örtchen Illerkirchberg südlich von Ulm ganz gut beschreiben. Bis Montagmorgen zumindest. Ein schreckliches Verbrechen erschüttert die Gemeinde. Es ist 7.30 Uhr: Zwei Mädchen sind auf dem Weg zur Schule, als ein Mann sie attackiert. Stunden des Bangens vergehen – bis eine traurige Nachricht die Öffentlichkeit erreicht. Ein 27-jähriger Flüchtling aus Eritrea steht unter Tatverdacht.

Die Polizei ermittelt. (Symbolbild). Foto: Shutterstock

Die graue Wolkendecke liegt schwer über dem kleinen Örtchen Illerkirchberg. Es ist kalt und trist an diesem Montagnachmittag. Die Einwohner huschen vorbei und winken ab. Die meisten von ihnen wollen nicht über das reden, was an diesem Morgen passiert ist – und was die Gemeinde bis ins Mark erschüttert.

Illerkirchberg ist ein beschaulicher Ort südlich von Ulm, knapp 5.000 Einwohner, Kindergärten, Grundschulen, ein Fuggerschloss. Einfamilienhäuser säumen die Hauptstraße, Schaukeln und Spielgeräte stehen in den Vorgärten, an der Bushaltestelle hängt ein Zettel, dass Kater Sammy gesucht wird.

Nur wenige Meter weiter geht die Bucher Straße ab. Pinke Sprühfarbe zeugt von dem schrecklichen Verbrechen, das sich hier wenige Stunden zuvor ereignet hat. Die Spurensicherer der Polizei haben damit großflächig die Straße und eine Mauer besprüht. Der Asphalt ist noch feucht – dort, wo die Einsatzkräfte das Blut von der Straße gespült haben. Anwohner haben einen kleinen Strauß und Kerzen aufgestellt.

Montagmorgen um 7.30 Uhr gehen hier zwei Mädchen entlang, sie sind wie jeden Tag auf dem Weg zur Schule. Dort kommen sie nie an. Ein Mann attackiert sie genau hier, in der Bucher Straße, verletzt sie beide schwer. Eines der Opfer, ein 14 Jahre altes Mädchen, stirbt später in der Klinik. Das zweite Mädchen, ein Jahr jünger, gilt weiter als schwer verletzt. Die Polizei nimmt den mutmaßlichen Täter und zwei weitere Männer fest. Auch das Spezialeinsatzkommando fährt nach Illerkirchberg.

Vieles ist zunächst unklar – etwa wie genau die Mädchen verletzt wurden und warum. Die Polizei hält sich am Montag über viele Stunden bedeckt. Am Abend hieß es dann: Die beiden Mädchen sind nach ersten Erkenntnissen vermutlich mit einem Messer attackiert worden. «Die 14-Jährige musste nach dem Angriff noch am Tatort wiederbelebt werden, bevor sie in die Klinik gebracht wurde, wo sie trotz aller ärztlichen Bemühungen verstarb», teilten Polizei und Staatsanwaltschaft mit.

«Es gab entgegen von Gerüchten keinen Amokalarm in einer Schule»

Der mutmaßliche Täter soll aus einem benachbarten Wohnhaus – eine Asylbewerberunterkunft – gekommen und nach der Tat dorthin wieder geflüchtet sein. Die Polizei traf in dem Haus auf drei Menschen. «Als die Polizei diese mit Spezialkräften durchsuchte, traf sie dort auf drei Bewohner, alle Asylbewerber aus Eritrea», hieß es weiter. Bei dem 27-Jährigen habe die Polizei ein Messer gefunden, das als Tatwaffe in Betracht komme. «Der Verdächtige befindet sich aktuell unter polizeilicher Bewachung in einem Krankenhaus.» Die Beamten hätten die beiden anderen Männer mit zur Dienststelle genommen.

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Die Beamten wollten die Festgenommenen nun befragen. Ob der mutmaßliche Täter in dem Haus, in das er flüchtete, wohnt und ob er die anderen dort angetroffenen Männer kennt, sei Teil der Ermittlungen. Gleiches gelte für ein mögliches Motiv des Angreifers.

Die Attacke auf die Mädchen hatte nach Polizeiangaben keine direkten Auswirkungen auf eine benachbarte Grundschule. «Es gab entgegen von Gerüchten keinen Amokalarm in einer Schule», sagte der Sprecher. Den Tatort selbst hatten die Einsatzkräfte nach dem Vorfall mit rot-weiß-gestreiftem Flatterband abgesperrt. Zur Spurensicherung waren Menschen in Ganzkörper-Schutzanzügen vor Ort. Am Ende blieben Markierungen am Boden und an einer Mauer entlang der Straße.

Der SWR zitierte Bürgermeister Markus Häußler, die Gemeinde stehe unter Schock. Man werde den betroffenen Familien zur Seite stehen. Laut der «Südwest Presse» war er den ganzen Morgen am Tatort gewesen. «Es ist furchtbar», sagte er der örtlichen Zeitung.

Die baden-württembergische Kultusministerin Theresa Schopper (Grüne) sagte: «Ich bin fassungslos.» Die Tat sei «absolut schrecklich und hat mich zutiefst schockiert. Meine Gedanken sind bei den Familien und den Angehörigen». Die Präsidentin der Kultusministerkonferenz, Karin Prien (CDU), erklärte: «Meine Gedanken sind bei der Familie der getöteten Schülerin.» Der verletzten Schülerin wünsche sie eine schnelle Genesung sowie den Mitschülerinnen und Mitschülern der beiden Opfer viel Kraft.

Am Nachmittag steht nur noch ein Streifenwagen am Tatort. Direkt gegenüber haben die Beamten die Eingangstür eines Hauses versiegelt, dorthin soll der Täter nach dem Angriff geflüchtet sein. Dort stoßen die Beamten auf die drei Personen. Es habe wohl öfter Probleme mit den Bewohnern in diesem Haus gegeben, hört man im Ort. Das Gebäude ist heruntergekommen, Fenster sind eingeschlagen, der Putz bröckelt. Auf dem Dach hängen ein paar alte Fußbälle fest.

Die Polizei bittet in der Mitteilung darum, «keinen Generalverdacht gegen Fremde, Schutzsuchende oder Asylbewerber allgemein zu hegen oder solchem Verdacht Vorschub oder Unterstützung zu leisten». News4teachers / mit Material der dpa

Amokalarm! Lehrer und Schüler verschanzen sich in Klassenräumen

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Carsten60
1 Jahr zuvor

Auf jeden Fall zeigt uns das: Messer sind als Waffen nicht grundsätzlich harmloser als Pistolen. Aber jeder Idiot darf Messer frei kaufen und überall mit sich führen (außer in Flugzeugen). So gesehen sind Messer sogar gefährlicher, eben weil sie so viel leichter zu beschaffen und wohl auch leichter zu „bedienen“ sind als Schusswaffen. Man sollte dieses Unwesen mit den Messern ernster nehmen. Schönreden hilft nicht weiter. Oder gibt es inzwischen eine Messer-Lobby wie in USA die Waffen-Lobby?

447
1 Jahr zuvor
Antwortet  Carsten60

Eine Antwort der Politik sind ja die „Waffenverbotszonen“.

447
1 Jahr zuvor

Tja, was soll man sagen. Kann man halt wenig bis nichts zu sagen. Mittlerweile haben einige Zeitungen Dinge berichtet. Da diese sich vermutlich auch auf DPA beziehen bzw. die Veröffentlichungen der Polizei bleibt auch nichts weiter dazu zu sagen.

Carsten60
1 Jahr zuvor
Antwortet  447

Hier beruft die Deutsche Welle sich auf dpa (mit originalen Bildern und einem Appell an die Bevölkerung), also wird das dann ja wohl stimmen:
https://www.dw.com/ermittler-mädchen-wohl-mit-messer-angegriffen/a-63992872

TaMu
1 Jahr zuvor

Warum darf man überhaupt ein Messer mit sich führen, das nicht in einem Zusammenhang mit einem Picknick im Rucksack steht, welches dann entsprechend harmlos sein müsste?
Welcher gesunde, normale Mensch geht mit einem potentiell tödlichen Messer spazieren? Wann wird das endlich verboten und kontrolliert?
Jeden zweiten Tag stirbt in Deutschland eine Frau von der Hand eines Mannes als „Beziehungstat“, statt es Femizid zu nennen und häufig ist ein Messer die Tatwaffe. Und jetzt das! Zwei Mädchen auf dem Schulweg! Das ist so schlimm, das tut mir so weh als Mutter, als Frau, als Mensch, und ich bin gleichzeitig so wütend!
Ein Tütchen Gras in der Jackentasche macht Menschen bei uns zu Straftätern. Ein langes Küchenmesser nicht. Muss ich das verstehen? Nein.
Mein tiefstes Mitgefühl mit den Familien der Mädchen. Mir ist zum Weinen.

Alx
1 Jahr zuvor
Antwortet  TaMu

Das Waffengesetz besagt eindeutig, dass Messer mit einer Klingenlänge ab 12 cm nicht geführt werden dürfen.
Das gilt auch für Küchenmesser.

Nur hält sich halt keiner mehr an Gesetze.

Hans
1 Jahr zuvor
Antwortet  Alx

Auch mit einem Messer mit der „harmlosen“ Klingenlänge von 12 cm könnte man meiner Meinung nach eine andere Person schwer oder auch tödlich verletzen.
Es wäre für alle vorteilhaft, wenn das Tragen von beliebigen Waffen (auch sehr kurzen Messern) gesetzlich verboten würde und mit hohen Strafen belegt wäre.
In Hamburg z.B. gibt es Waffenverbotsgebiete in denen Messer aller Art, auch Taschenmesser verboten sind. EU-Waffenverbot überall wäre überlegungswert.

Alx
1 Jahr zuvor
Antwortet  Hans

In Hamburg gibt es diese Zonen weil sich dort in besagten Zonen ein Klientel sammelt das gerne Messer führt und durch eine solche Zonen verdachtsunabhängige Personenüberprüfungen erleichtert werden.
Wollen Sie wirklich einen Staatenverbund in dem jeder überall willkürlich durchsucht werden darf?

Carsten60
1 Jahr zuvor
Antwortet  Hans

Zumindest eine öffentliche Kampagne wäre ja denkbar, etwa in folgendem Sinne:
„Lasst gefälligst eure Messer zu Hause, die gehören in die Küche und in die Werkstatt, aber fuchtelt nicht damit herum bei Streitigkeiten, es sind schon zu viele Morde mit Messern passiert.“
Kann man auch ins Türkische und Arabische übersetzen oder in Balkansprachen. Es gibt ja auch Kampagnen gegen Kindesmissbrauch und anderes.
Auch könnten sich Politiker im Wahlkampf mal lautstark dazu äußern. Niemanden namentlich beschuldigen, aber allen die Leviten lesen. Diejenigen mit den Messern in den Taschen werden das schon irgendwie mitbekommen.
Last not least: wie denken eigentlich die friedlichen Imame darüber? Die könnten das Thema auch mal in einer Predigt ansprechen. Sogar auf einem Kirchentag könnte das mal ein Thema sein.
Also: unterhalb von flächendeckenden Kontrollen gäbe es noch vieles, was man tun könnte. Aber ich bekomme das Gefühl, da wird was tabuisiert.

Ron
1 Jahr zuvor
Antwortet  TaMu

Ich hoffe inständig, dass wenigstens das zweite Mädchen überlebt. Empören tut mich aber, dass Sie hier eine fürchterliche Tat als ein Defizit der Gesetzgebung verklären und dann auch noch alle Männer in Summe als potentielle Gefahr hinstellen. Das Führen und teilweise auch der Erwerb von bestimmten Messern ist auch heute schon verboten. Wirklich kontrollieren kann man das trotzdem nicht – auch nicht mit mehr Polizei oder Ordnungsamt. Zudem wird jedes banale Kartoffelschälmesser in der falschen Hand zu einer tödlichen Waffe. Auch Ihre Aussagen über die potentiell toxische Gewalttätigkeit von Männern allgemein finde ich nicht okay. In unserem Land war es eigentlich nicht üblich, dass Männer auf der Straße ein Messer mit sich führen oder dieses sogar, wie Sie sagen, gegen Frauen einsetzen. Und schon gar nicht gegen Kinder, die gerade auf dem Weg zur Schule sind. Ich finde Ihre allgemeinen Ausführungen über Männer im Zusammenhang mit dieser Tat völlig fehl am Platz.

Ragnar Danneskjoeld
1 Jahr zuvor
Antwortet  TaMu

Das Tragen von Messern in der Öffentlichkeit ist bereits verboten. Soll die Polizei jetzt etwa willkürlich Rucksäcke durchsuchen? (Unabhängig davon, dass das wohl kaum rechtens wäre.) Soviel Rechtstaat sollte man auch als Mutter, als Frau, als Mensch befürworten, finde ich. Nicht als Mann, sondern als Lehrer und Bürger.

Last edited 1 Jahr zuvor by Ragnar Danneskjoeld
Carsten60
1 Jahr zuvor

Es gibt Verbote, ja. Aber wie das in Deutschland so ist: Das ist so kompliziert formuliert, dass niemand Lust hat, das zu lesen, und Asylbewerber schon gar nicht:
https://www.bussgeldkatalog.net/Waffengesetz/messer
Ich finde das einen juristisch-bürokratischen Wust. Welcher Laie soll bitte über die verschiedenen Arten von Messern (z.B. Fallmesser, Faustmesser) Bescheid wissen? Und nur Volljährige dürfen Messer kaufen und besitzen, aber wer weiß das eigentlich? Selbstverständlich kommen Jüngere auch dran, wie auch an Schnaps. Deutschland ist das Land der 1000 Gesetze, von denen 850 immer nur sehr lax oder gar nicht eingehalten werden.

Streamer01
1 Jahr zuvor
Antwortet  TaMu

1 . Darf man nicht (ein Blick ins Waffenrecht reicht)

2 . Kriminelle machen kriminelle Sachen, deshalb sind es Kriminelle und meines Wissens nach ist Mord an kleinen Kindern ja auch eine Straftat. Hat den Täter auch nicht interessiert.

3 . „Eines Mannes“! Setzen Sie das in Anführungszeichen, dann kommen Sie der Wahrheit näher! (PS: die am stärksten betroffene Opfergruppe von Gewaltkriminalität sind Männer)

4 . „Ein Tütchen Gras in der Jackentasche macht Menschen bei uns zu Straftätern. Ein langes Küchenmesser nicht“

Nach §52 WaffG bis 3 Jahre Gefängnis bei verbotenen Messern (z.B. Spring- o. Butterflymesser), nur für das „Küchenmesser“ führen bis zu 10 000 € (zeigen Sie mir den Kiffer, nicht Dealer, der das gleiche Strafmaß zu erwarten hat!). Bis 10 Jahre, wenn die Stichwaffe einen harmlosen Gegenstand vortäuscht.

Erst schlau machen, dann empören!

TaMu
1 Jahr zuvor
Antwortet  TaMu

Ich war gestern schnell beim Fühlen und Schreiben. Mir drückt die Vorstellung an das Geschehene immer noch die Luft ab. Es tut mir leid, dass ich in meiner im Gefühlsgemisch auch empfundenen Empörung den Männern zu nahe getreten bin und ich bitte um Entschuldigung. Ich selbst kenne ebenfalls nur Männer, denen ich jederzeit ein Messer in die Hand geben würde. Ich sammle selbst auch Pilze, natürlich mit Messer. Ich hatte auch nicht in den Gesetzen nachgelesen, dass es sowieso verboten ist. Ich habe extra nach meinem post von gestern geschaut, weil es mir zu arg war, was ich geschrieben habe. Es bleibt einfach die Hilflosigkeit und die Trauer über die Tat und Bedauern über meinen Ausbruch. Ich nehme an, was Sie mir jeweils geantwortet haben.

Heinz
1 Jahr zuvor

Ich wünsche allen Lehrerinnen, Lehrern, Klassenkameradinnen und Klassenkameraden viel Kraft und mein herzlichstes Beileid.
An meiner Schüler haben wir auch letztes Jahr einen Schüler durch einen schweren Unfall auf dem Schulweg verloren. Der folgende Tag, war mit Abstand der schlimmste Tag in meiner Schullaufbahn.
Vermutlich werde ich in meiner Lehrerlaufbahn noch das ein oder andere Mal eine solche Situation erleben müssen, mir graut es jetzt schon davor.