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Ist Beleidigen im Internet strafbar? Was Schüler in einem Medienprojekt interessiert…

AUGSBURG. Beleidigungen, Cybermobbing, Pornografie: Kinder und Jugendliche sind solchen Gefahren täglich in den sozialen Medien ausgesetzt. Wie leicht sie sich selbst strafbar machen können, will ein Projekt den Schülerinnen und Schülern bewusst machen.

Kinder und Jugendliche verbringen täglich Stunden mit ihren Smartphones – nicht immer sinnvoll (Symbolfoto) Foto: Shutterstock

Spätestens seit der Corona-Pandemie sind Bildschirme und das Internet Alltag in der Schule geworden. «Wie viele von Euch haben ein Smartphone?», fragt Richterin Rose Oelbermann die Schüler der neunten Klasse des Peutinger-Gymnasiums in Augsburg. Fast alle Hände gehen in die Höhe.

Der Vortrag ist Teil eines Gemeinschaftsprojekts der bayerischen Justiz- und Kultusministerien. Seit 2021 zielt die Kampagne «Mach dein Handy nicht zur Waffe» darauf ab, Kinder, Jugendliche und Heranwachsende über die Folgen ihrer Internetnutzung zu sensibilisieren. Oelbermann ist Teil der Riege von Richtern und Staatsanwälten, die im Freistaat Schulen besuchen, um über die Folgen der digitalen Spuren zu sprechen.

«Mit Verboten oder Bestrafen kann man nichts erreichen», betont auch Rechtsanwältin Marion Zech. Deshalb sei die Kampagne der richtige Weg, um Kindern die Konsequenzen von deren Internetnutzung zu verdeutlichen, sagt die erfahrene Opferschutzanwältin.

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«Wenn ich unter 14 bin, mache ich mich nicht strafbar, egal was ich tue?», fragt eine Schülerin grinsend während Oelbermanns Vortrag. Solche Fragen bekommt die Richterin jedes Mal bei ihren Vorträgen von den Schülern und Schülerinnen. Fakt ist, dass Kinder unter 14 Jahren nicht strafmündig sind. Geduldig erklärt Oelbermann den Neuntklässlern, dass dies nicht bedeutet, «dass man seine 13-jährige Schwester instrumentalisieren darf, um Straftaten zu begehen».

Auch ernstere Fragen werden mit erstaunlicher Naivität gestellt: Ab wann ist Rassismus im Internet strafbar? Ist es illegal, ein Nazi zu sein? Ist die Beleidigung des besten Freundes auch eine Straftat?

Solche Diskussionen kommen für die Richterin nicht überraschend. Beleidigungen oder Hassparolen werden oft in Klassenchats geäußert. Dabei werden sie ohne viel Nachdenken an Klassenkameraden oder sogar Lehrer gerichtet. Das sei oft eine Gruppendynamik, erklärt Oelbermann. Bei Hassparolen wolle «jeder den anderen toppen und es kommt zu Gewaltfantasien», ergänzt Anwältin Zech.

Pornografische, rassistische oder verbotene Inhalte wie Hakenkreuze werden von Schülern ohne Hintergedanken weitergeleitet, oftmals angeblich einfach aus Spaß. Online sei die Hemmschwelle viel niedriger als in der analogen Welt, sagt die Richterin. Wenn die Jugendlichen dann im Gerichtssaal stünden, komme oft die Unbedachtheit als Begründung für die Taten.

«Dabei ist den Schülerinnen und Schülern oft gar nicht bewusst, wie schnell sie sich strafbar machen können und welche Konsequenzen das hat»

Auch die Jungen und Mädchen selbst wissen, wieso Chats manchmal in den strafbaren Bereich eskalieren. Man könne sich völlig anonym austauschen und müsse sich nicht gegenüberstehen, bemerkten sie bei der Diskussion mit der Juristin. In der analogen Welt können Lehrer und Eltern das Handeln der Kinder mitverfolgen und bei Bedarf eingreifen. Bei den digitalen Nachrichten würden die Gefahren «komplett unterschätzt», sagt Zech. Oft würden Eltern nicht mal verstehen, was genau sie kontrollieren sollen.

Daher will das Kultusministerium bei Elternabenden oder speziellen medienpädagogischen Veranstaltungen aufklären. Themen wie Cybermobbing, sexualisierte Gewalt und auch Cybergrooming, also die gezielte Ansprache von Minderjährigen über das Internet zur Anbahnung von Sexualkontakten, werden dort erörtert.

Insbesondere Kinderpornografie ist ein alltägliches Problem. Kinder sowie Jugendliche können dort sowohl Opfer als auch Täter sein – indem sie sexuelle Fotos von Minderjährigen besitzen oder verbreiten. «Dabei ist den Schülerinnen und Schülern oft gar nicht bewusst, wie schnell sie sich strafbar machen können und welche Konsequenzen das hat», erklärt Oelbermann.

Sogenannte Rachepornos werden auch als Druckmittel eingesetzt, sagt Rechtsanwältin Zech. Sie weist aber darauf hin, dass die Kinder deswegen noch nicht frühreif seien. Vielmehr seien bestimmte Verhaltensweisen zur Normalität geworden, wie beispielsweise das Versenden oder Empfangen von Genitalbildern. «Schick’ Nacktbilder» – Parolen wie diese seien keine Neuheit in Privatchats mehr.

Im Jahr 2021 wurden nach Angaben des Justizministeriums 160 Jugendliche und Heranwachsende in Bayern nach dem Jugendstrafrecht wegen der Verbreitung, des Erwerbs oder des Besitzes von kinderpornografischen Inhalten verurteilt. «Die Staatsanwaltschaften werden immer häufiger mit kinderpornografischen Inhalten auf Schülerhandys konfrontiert», sagt eine Sprecherin des Ministeriums.

Die Kampagne «Mach dein Handy nicht zur Waffe» habe eine gute Resonanz – nicht nur in Bayern. «Uns erreichen laufend Nachfragen aus dem gesamten Bundesgebiet», betont die Pressesprecherin. Von Sabina Crisan, dpa

Hier geht es zum Projekt: “Mach dein Handy nicht zur Waffe”.

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