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“Lehrkräfte benötigen einen Überblick über gefährdende Inhalte” – Wie das Internet Schule und Eltern herausfordert

DÜSSELDORF. Mehr als die Hälfte57 Prozent – der befragten Eltern in Deutschland zeigen sich besorgt, dass ihre Kinder Desinformation im Netz ausgesetzt sind. Und 41 Prozent der Eltern haben Bedenken hinsichtlich der Sicherheit und des Wohlbefindens ihrer Kinder, wenn diese online sind. 48 Prozent nehmen sich selbst in die Verantwortung, ihren Kindern einen sicheren Umgang im Netz beizubringen – 29 Prozent sehen allerdings die Verantwortung bei den Schulen. Das sind Ergebnisse einer repräsentativen Befragung des Meinungsforschungsinstituts IPSOS im Auftrag der Vodafone Group Foundation.

Das Internet bietet eine Menge Inhalte, die für Kinder verstörend sind. Illustration: Shutterstock

Danach bewerten 42 Prozent der deutschen Eltern den Einfluss des Smartphones und Computers auf die mentale Gesundheit des Kindes als neutral. Die überwiegende Mehrheit (92 Prozent) sehen sowohl sich selbst als auch die Schulen (89 Prozent) in einer ähnlich hohen Verantwortung, ihre Kinder im ausgewogenen Umgang mit elektronischen Geräten zu unterstützen. Mit Blick auf die unterschiedlichen Schulstufen in Deutschland ergibt sich ein recht einheitliches Bild. So sind Eltern mit Kindern, die bereits die Sekundarstufe II besuchen, nur etwas weniger besorgt als Eltern von Grundschulkindern oder Kindern der Sekundarstufe I. Zugleich sind 66 Prozent der Eltern davon überzeugt, dass sich ihre Kinder der Gefahren von Fehlinformationen im Netz bewusst sind.

Als die zwei wichtigsten Verbesserungsmöglichkeiten, die Schulen ergreifen können, sehen Eltern die Aufnahme von Themen wie Online-Sicherheit, Desinformation und mentale Gesundheit in den Lehrplan sowie den Einsatz externer Expertinnen und Experten an den Schulen. Darüber hinaus erfahren Maßnahmen wie Themenwochen, Informationsveranstaltungen für Eltern, schriftliche Anleitungen für Schülerinnen und Schüler und Appelle an die Betreiber von Online-Plattformen, Kinder aktiver zu schützen, Zustimmung. Derzeit geben 56 Prozent der deutschen Eltern an, dass das Thema „Sicherheit im Netz“ in den Schulen thematisiert wird. 21 Prozent der befragten deutschen Eltern geben an, dass die Schule ihres Kindes Schülerinnen und Schüler bisher noch nicht über Online-Sicherheit aufklärt.

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“Die Stundentafeln müssen dringend entfrachtet werden, damit mehr Zeit für den Aufbau von Medienkompetenz bleibt”

Fast die Hälfte der befragten Eltern in Deutschland (48 Prozent) sehen sich selbst in der Hauptverantwortung, um ihren Kindern einen sicheren Umgang mit dem und ein sicheres Bewegen im Netz beizubringen. Außerdem verorten 29 Prozent der Eltern in Deutschland die Verantwortung bei den Schulen. Werden die Eltern nach unterschiedlichen Maßnahmen zu Verbesserung der Kompetenz des sicheren Umgangs mit und sicheren Bewegens im Netz gefragt, stimmt eine Mehrheit der Eltern für Unterrichtseinheiten durch externe Expert:innen an Schulen (47 Prozent). 45 Prozent der deutschen Eltern fordern die Aufnahme des Themas in die Lehrpläne. Auch Themenwochen für Schülerinnen und Schüler (41 Prozent) sowie Informationsveranstaltungen für Eltern (35 Prozent) werden befürwortet.

Silke Müller, Schulleiterin und erste Digitalbotschafterin des Landes Niedersachsen, hat über den „verstörenden Alltag im Klassen-Chat“ ein Buch geschrieben („Wir verlieren unsere Kinder“), das in den Bestsellerlisten steht.

Gefragt, welche konkreten Tipps sie Schulen geben würde, das Thema Sicherheit im Netz sinnvoll und nachhaltig aufzugreifen, antwortet sie. „Was es braucht: 1. An jeder Schule muss eine Social-Media-Sprechstunde eingeführt werden. 2. Lehrkräfte benötigen einen regelmäßigen Überblick über gefährdende Inhalte, möglicherweise muss es hier eine Fortbildungsverpflichtung geben. 3. Rechtliche Aufklärung wie von Law4school. de sollte einmal im Jahr für Schüler:innen und Lehrkräfte verpflichtend sein. Eine Elternverpflichtung ist schwerlich durchzusetzen, mindestens eine Selbstverpflichtung hielte ich für ebenso sinnvoll. 4. Die Stundentafeln müssen dringend entfrachtet werden, damit mehr Zeit für den Aufbau von Medienkompetenz bleibt. Hier muss ein neuer und intensiver Fokus in den Bereichen IT-Kompetenzen, Grundverständnis für KI und vor allem für digitale Ethik liegen. Schule bildet diesen Fokus nicht ab, ebenso wenig die Lehramtsausbildung. Es geht eben nicht nur um eine digitale Transformation im Sinne einer neuen Methodik und Didaktik, sondern es geht um nicht weniger als die Frage der Haltung. 5. Kolleg:innen, die sich bereiterklären, auch auf sozialen Netzwerken und in ihnen zu recherchieren, brauchen zwingend ein dienstliches Smartphone. 6. Elterninformationsabende müssen regelmäßig angeboten werden. 7. Das gesamte Thema ‚Sicherheit im Netz‘ braucht eine größere Sichtbarkeit in der Kultusministerkonferenz.“

„Kinder spüren zu lassen, welche Auswirkungen ein falscher Klick auf einen Menschen haben kann, ist ein absolut guter und notwendiger Weg“

Dass fast die Hälfte der Eltern die Aufnahme des Themas in die Lehrpläne fordert, kommentiert sie mit einem Verweis auf die Praxis an ihrer Schule, der Waldschule im niedersächsischen Hatten, wo ein Fach „Leben lernen“ angeboten wird: „Digitale Ethik ist neben dem Aufbau von IT-Kompetenzen und eines Grundverständnisses für KI eines der drei Ziele unsere Medienkompetenzerziehung. Gerade in ‚Leben lernen‘ lässt sich das Ziel digitale Ethik fokussieren, indem Zeit für Dilemmata-Geschichten, Fallbesprechungen etc. bleibt. Es geht hier insbesondere um Gewissensbildung und die Auswirkungen von Verhalten im Netz. Das mag pathetisch klingen, aber Kinder in die Betroffenheit zu holen und ihnen zu zeigen und sie spüren zu lassen, welche Auswirkungen ein falscher Klick auf einen Menschen haben kann, ist ein absolut guter und notwendiger Weg.“

Weitere Ergebnisse der Umfrage: Eine überwältigende Mehrheit der deutschen Kinder und Jugendlichen nutzt digitale Geräte zuhause für Bildungszwecke – nach Elternangaben jedenfalls. Von den befragten Eltern gaben 84 Prozent an, dass ihre Kinder über mindestens ein digitales Gerät von zuhause aus auf Bildungsmaterial zugreifen. 38 Prozent dieser aktiven Nutzer setzen diesen Zugang täglich für Bildungszwecke ein, während 48 Prozent dies mehrmals pro Woche tun. 65 Prozent der Eltern geben an, dass die Schulen ihrer Kinder digitale Bildungsinhalte für zu Hause anbieten, 78 Prozent erklären sich mit diesen Inhalten zufrieden. News4teachers

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