BERLIN. Nach dem Pisa-Schock wird hektisch nach politischen Antworten auf das schlechte Abschneiden deutscher Schüler gesucht. Thüringens Bildungsminister Helmut Holter (Linke) plädiert für längeres gemeinsames Lernen – und eine Verfassungsänderung, die den Bund stärker ins Spiel bringt. Dabei findet nicht mal der Vorschlag, eine Ministerpräsidentenkonferenz einzuberufen, Anklang.
Angesichts der schlechten Ergebnisse deutscher Schüler in der Pisa-Studie hat Thüringens Bildungsminister Helmut Holter mehr Engagement des Bundes in Bildungsfragen gefordert. «Der Bund muss sich dauerhaft auch in Bildungsfragen finanziell engagieren», sagte der Linke-Politiker in Erfurt. Er plädierte dafür, eine «Gemeinschaftsaufgabe Bildung» im Grundgesetz festzuschreiben.
Seit Donnerstag läuft in Berlin die Kultusministerkonferenz, die sich auch mit den Pisa-Ergebnissen beschäftigen wollte. Nach dem schlechten Abschneiden der deutschen Schülerinnen und Schüler wurden teils auch Forderungen nach einer Sonder-Ministerpräsidentenkonferenz zu den Ergebnissen laut.
«In Deutschland, auch in Thüringen wird in der vierten Klasse im Grunde entschieden über die Schullaufbahn und damit auch über die Lebensbiografie von Kindern»
Holter stellte das gegliederte Schulsystem in Frage. «In Deutschland, auch in Thüringen wird in der vierten Klasse im Grunde entschieden über die Schullaufbahn und damit auch über die Lebensbiografie von Kindern.» Internationale Erfahrungen aber zeigten, dass das längere gemeinsame Lernen die Antwort darauf sei, was Pisa und andere Studien zu Tage gebracht hätten.
Bildung ist in Deutschland Länder-Sache, das ist auch im Grundgesetz festgeschrieben. In den vergangenen Jahren beteiligte sich der Bund aber zunehmend finanziell – etwa mit einem Programm zur Digitalisierung, dem sogenannten Digitalpakt. Holter erneuerte seine Forderung, das sogenannte Kooperationsverbot im Grundgesetz aufzugeben. «Ich bin der Überzeugung, dass gerade, wenn es ums Geld geht, aus dem Kooperationsverbot ein Kooperationsgebot werden muss», sagte er.
Brandenburgs Regierungschef Dietmar Woidke (SPD) hängt das Thema deutlich niedriger. Er sieht nach den schlechten Ergebnissen deutscher Schülerinnen und Schüler bei der Pisa-Studie erst einmal nur die Kultusministerinnen und Kultusminister am Zug. «Die aktuellen Pisa-Ergebnisse und damit der Stand des Bildungssystems an den Schulen in Deutschland müssen zunächst auf der Ebene der zuständigen Länderressorts in Verbindung mit der KMK ernsthaft beraten werden», sagte Brandenburgs Regierungssprecher Florian Engels in Potsdam.
Der Vorsitzende des Bundestagsbildungsausschusses, Kai Gehring (Grüne), hatte wegen der schlechten Ergebnisse eine Sonder-Ministerpräsidentenkonferenz der Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder (MPK) gefordert, um eine bundesweite Abstimmung zu ermöglichen. Üblicherweise wird die Bunderegierung darin einbezogen. Gehring hält die schlechten Bildungsergebnisse für ein Alarmzeichen. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zeigte sich ebenfalls besorgt über die desaströsen Resultate.
In der Studie hatten die 15-/16-Jährigen aus Deutschland im Lesen, in Mathematik und in Naturwissenschaften die schwächsten Leistungswerte erreicht, die für Deutschland jemals im Rahmen von Pisa gemessen wurden. Die Studie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), die zuletzt am Dienstag veröffentlicht wurde, vergleicht die Leistungen in Industrieländern. News4teachers / mit Material der dpa