Website-Icon News4teachers

Studie: Ärmere Jugendliche sind auch bei Freundschaften benachteiligt – Status zählt

ZÜRICH. Jugendliche aus einkommensschwachen Familien sind nicht nur hinsichtlich des Lernerfolgs benachteiligt, sie schließen in der Schule auch weniger Freundschaften. Das zeigt eine Studie von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Universitäten Zürich und Stockholm. Schon einfache Mittel könnten Abhilfe schaffen.

Freundschaften in der Schule sind wichtig für die Entwicklung während der Adoleszenz und prägen die soziale Kompetenz im späteren Leben. Fühlen sich Jugendliche in der Schulklasse gut integriert, fördert dies das psychische Wohlbefinden, die schulischen Leistungen – und im Endeffekt damit auch das Vorankommen in der Arbeitswelt. Gleichzeitig ist die Abhängigkeit des Bildungserfolgs, mithin der schulischen Leistungen vom Elternhaus respektive dem Einkommen der Eltern nicht zuletzt in Deutschland ein vielkonstatierter und hochumstrittener Befund.

Auch in Klassen mit vielen Jugendlichen aus armen Haushalten pflegen diejenigen aus den ärmsten 20 Prozent weniger Freundschaften als ihre Mitschülerinnen und Mitschüler (Symbolfoto). Foto: Shutterstock

In einer aktuellen Studie gingen nun Soziologinnen und Soziologen der Universitäten Zürich und Stockholm der Frage nach, wie das Einkommen der Eltern das soziale Gefüge in einer Schulklasse beeinflusst. Dazu untersuchten Isabel Raabe, Chaïm la Roi und Stephanie Plenty Erhebungs- und Verwaltungsdaten von 4787 schwedischen Jugendlichen im Alter von 14 und 15 Jahren in 235 Schulklassen. Zusätzlich analysierten sie deren Freundschaftsnetzwerke. Auf diese Weise ermittelten die Forscherinnen und Forscher schließlich, dass Jugendliche aus einkommensschwachen Familien unabhängig vom Kontext der Schule weniger sozial integriert waren als ihre finanziell besser gestellten Altersgenossen.

Anzeige

Einkommen und Status beeinflussen Freundschaften

«Wir stellten fest, dass Schülerinnen und Schüler aus ärmeren Haushalten seltener als Freundin oder Freund ausgewählt werden und somit weniger freundschaftliche Beziehungen pflegen als solche aus einkommensstärkeren Haushalten», umreißt Studienautorin Isabel Raabe vom Soziologischen Institut der Universität Zürich den Befund. Erstaunlicherweise sei dies auch in Klassen mit vielen Jugendlichen aus armen Haushalten der Fall. Als arm werteten die Soziologinnen und Soziologen in ihrer Studie Familien in den untersten 20 Prozent der Einkommensskala Schwedens.

«Uns hat überrascht, dass selbst innerhalb einkommensschwacher Gruppen das elterliche Einkommen eine Rolle spielt. Das könnte bedeuten, dass der soziale Status mit entsprechenden Attributen wie modischer Kleidung oder trendigen Freizeitbeschäftigungen beim Schließen einer Freundschaft wichtig ist», so die Studienautorin Raabe. Eine weitere Erklärung könnte sein, dass arme Jugendliche weniger Geld für Sport oder Hobbies zur Verfügung hätten und so weniger zusätzliche Kontakte außerhalb der Schule knüpfen könnten. Möglicherweise litten sie auch unter wirtschaftlichem und familienbezogenem psychosozialem Stress, der sich auf ihr Verhalten auswirkt und sie als Freunde weniger attraktiv macht.

Netzwerk von Freundinnen und Freunden

Würde sich das Freundschaftsgefälle verringern, wenn das elterliche Einkommen keine Rolle für das Entstehen von Freundschaften spielen würde? Auch dieser hypothetischen Frage ging die Studie nach. Isabel Raabe: «Wir konnten allerdings nur etwa ein Drittel dieses Freundschaftsgefälles tatsächlich durch Unterschiede im elterlichen Einkommen erklären.» Also müsse es im sozialen Netzwerk noch weitere Mechanismen geben, welche die vorhandenen finanziellen Unterschiede noch verschärfen – zum Beispiel die Beliebtheit. Wer schon viele Freunde hat, findet leichter weitere. Denn Menschen neigen dazu, sich mit den Freundinnen und Freunden ihrer Freunde anzufreunden – in diesem Sinne kann jede Freundschaft potenziell weitere generieren. Wenn Ärmere allerdings von vornherein weniger Kameradschaften pflegen, ist demgemäß auch die Wahrscheinlichkeit geringer, neue Kontakte zu knüpfen. So könnten sich Rabe zufolge, die einkommensbezogenen Unterschiede bei Freundschaften noch weiter verstärken und Kinder und Jugendliche aus finanzschwachen Haushalten am Anfang ihrer Bildungs- und Berufslaufbahn benachteiligen.

Sozioökonomische Durchmischung wichtig

Um diesen Tendenzen entgegenzuwirken, sollten die Schulen mehr Gelegenheiten zum Aufbau neuer Freundschaften schaffen. «Dies könnte geschehen, indem man die Sitzordnung in den Klassen sowie in Lern- oder Projektgruppen regelmäßig in Bezug auf den sozioökonomischen Hintergrund durchmischt oder klassenübergreifende Nachmittagsaktivitäten oder Sportangebote bietet», sagt Raabe. Denn es liege in der öffentlichen Verantwortung, Chancengleichheit für Kinder aller Schichten zu gewährleisten. (zab, pm)

Von wegen „Streber“: Leistungsstarke Schülerinnen und Schüler sind zumeist beliebt

Die mobile Version verlassen