Von wegen „Streber“: Leistungsstarke Schülerinnen und Schüler sind zumeist beliebt

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BERLIN. Stereotype über unbeliebte Streberinnen und Streber halten sich hartnäckig – nicht zuletzt aufgrund einer häufig klischeehaften Darstellung in den Medien. Ein Forschungsteam vom Hector-Institut für Empirische Bildungsforschung an der Universität Tübingen und dem Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) an der Humboldt-Universität zu Berlin hat nun anhand von Daten einer großangelegten Studie untersucht, wie es tatsächlich um die soziale Integration von leistungsstarken Schülerinnen und Schülern steht.

Das Klischee von der nerdigen Streberin trifft nicht zu. (Symbolfoto) Foto: Shutterstock

Das Ergebnis: Jugendliche, die gute Schulleistungen erbringen, sind in der Regel auch besser in ihre Klassen integriert als solche, die schlechter abschneiden. Außerdem werden leistungsstarke Schülerinnen und Schüler wesentlich häufiger um Hilfe gebeten als leistungsschwächere. Am deutlichsten ausgeprägt ist dies bei jenen Jungen und Mädchen, die in mehreren Fächern leistungsstark sind. Diese Erkenntnisse widersprechen dem weitverbreiteten Klischee, wonach Heranwachsende mit guten schulischen Leistungen vermehrt Hänseleien ausgesetzt und eher Einzelgängerinnen und Einzelgänger sind.

Für ihre Studie untersuchten Neuendorf und ihr Team die Daten aus dem IQB-Bildungstrend von etwa 45.000 Schülerinnen und Schülern der neunten Jahrgangsstufe in Deutschland. Ziel war es, einen Zusammenhang zwischen schulischer Leistung und mehreren Facetten der sozialen Integration, wie Freundschaft, Akzeptanz, Kontakt und subjektive Integration, herzustellen.

Für die ersten drei Facetten wurden die Schülerinnen und Schüler konkret gefragt, wer ihre Freunde in der Klasse sind. Aus den Antworten konnten dann soziometrische Maße berechnet werden, zum Beispiel wie beliebt jemand ist, von wie vielen er oder sie um Hilfe gefragt wird, wer eher abgelehnt wird („Neben wem möchtest du nicht sitzen?“) und wie viele reziproke Freundschaften jemand hat. Die subjektive Integration wurde über psychometrische Maße festgestellt, das heißt, die Schülerinnen und Schüler wurden gefragt, wie gut integriert sie sich selbst fühlen.

Dabei interessierte die Bildungsforschenden auch, wie die Situation bei Jungen und Mädchen ist, die gute Leistungen in Fächern erbringen, die dem jeweils anderen Geschlechterstereotyp zugeordnet werden. Sie gelangten zu der Erkenntnis, dass auch Jungen, die leistungsstark in Sprachen und Biologie sind, und Mädchen, die gut in Mathematik und Physik sind, eine gute soziale Integration aufweisen.

„Die Botschaft unserer Studie lautet, dass viele leistungsstarke Kinder sehr gut sozial integriert sind, unabhängig davon, ob ihre Leistungen vermeintlich genderkonform oder non-konform sind“, sagt Dr. Claudia Neuendorf, die das Projekt leitete. „Diese Erkenntnis ist hoffentlich ein weiterer Baustein, um Ängste und Vorurteile in der Hinsicht abzubauen.“

Die Bildungsforscherin betont, dass Stereotype aller Art in allen Bereichen der Gesellschaft aufgelöst werden müssen, damit Kinder und Jugendliche unabhängig von ihrem Geschlecht ihr Potenzial entfalten können. Damit dies gelingt, sollten sich Lehrkräfte, Eltern, Medienschaffende, aber auch die Wissenschaft dafür einsetzen, dass Stereotype sich nicht verfestigen.

Neuendorf, C. & Jansen. M. (2023). Comparing different facets of the social integration of high-achieving students in their classroom: No gender stereotyping, but some non-linear relationships. Journal of Educational Psychology, 115(4), 609-623. https://dx.doi.org/10.1037/edu0000778 

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SchadeMarmelade
3 Monate zuvor

Cool.
Dann sind also alle meine „real life“ Erfahrungen der letzten Jahrzehnte falsch. Gut zu wissen. Kann ich den ganzen guten SchülerInnen der letzten Jahre dann mal per Brief mitteilen. All jenen die systematisch nieder gemacht wurden in den tollen Gemeinschaftsschulklassen.

Pälzer
3 Monate zuvor
Antwortet  SchadeMarmelade

Liegt es am Schultyp?

A.J. Wiedenhammer
3 Monate zuvor

-„Außerdem werden leistungsstarke Schülerinnen und Schüler wesentlich häufiger um Hilfe gebeten als leistungsschwächere.“
-Neeeiin? Echt? Wohlmöglich gar bei unterrichtsspezifischen Dingen?

-„Jugendliche, die gute Schulleistungen erbringen, sind in der Regel auch besser in ihre Klassen integriert als solche, die schlechter abschneiden“
– Kann es vielleicht auch sein, dass nicht gut in eine Klasse integriert zu sein auch nicht besonders förderlich für die Schulleistungen ist?
Ich denke, Ursache und Wirkung lässt sich manchmal schwer voneinander trennen.

Und außerdem gibt es durchaus einen Unterschied zwischen „leistungsstark“ und Streber „.
Ich glaube gerne, dass der Schüler, der lässig und wie nebenbei seine Intelligenz
durchscheinen lässt, beliebter in der Klasse sein kann als der etwas weniger Begabte, der aber seine (Frei-)Zeit damit verbringt zu lernen.

Unfassbar
3 Monate zuvor

Leider gibt es keine Details über die Art der Vernetzung innerhalb der Klasse. Sind die Leistungsstarken und die Leistungsschwachen auch untereinander befreundet? Wie hängt die Vernetzung der Leistungsstarken in der Klasse vom Leistungsstand der Alphatiere in der Klasse ab? Besonders letzteres halte ich für sehr wichtig.

Pälzer
3 Monate zuvor

“ … in Fächern, die dem jeweils anderen Geschlechterstereotyp zugeordnet werden“
Gute Güte! Als ich vor 25 Jahren in den Schuldienst kam, hatte man gerade eine Studie zu Mädchen und Jungen im Physikunterricht abgeschlossen. Hier werden jahrzehntealte Klischees wieder aufgewärmt – IHR seid es, die Geschlechterstereotype verbraten. Die Kinder sind längst weiter.

Mary-Ellen
3 Monate zuvor

Was ist mit den sogenannten „underachievern“(Minderleistern)?
Angeblich gibt es unter diesen auch jene, die sich trotz überdurchschnittlicher Intelligenz leistungsmäßig lieber an das allgemeine Klassenniveau anpassen aus der Befürchtung heraus, ansonsten nicht dazuzugehören.
Dann wäre diese Befürchtung laut Artikel gegenstandslos?

Gelbe Tulpr
3 Monate zuvor

Aber auch nur, wenn sie stark an Muskelkraft sind.

447
3 Monate zuvor
Antwortet  Gelbe Tulpr

Voll ins Schwarzr.

borsi
3 Monate zuvor

Ich frage mich, inwieweit beim Ergebnis der Schülerbefragung nicht auch die von den Jugendlichen vermutete Erwartungs- oder Wunschvortstellung der Befrager eine Rolle gespielt hat.
Lehrer kennen doch alle die Beobachtung, dass auch die schlimmsten SuS erstaunliche Frömmigkeit an den Tag legen, wenn sie ahnen, welche Meinung erwünscht ist und am besten ankommt.

447
3 Monate zuvor
Antwortet  borsi

Ist der übliche „Studien“-Unsinn…kommt der Umfrager, wirds lammfromm.

Klar gibt es selten auch gute Schüler, die beliebt sind.
Die sind dann (wie gelbe Tulpe schon schrieb) erstaunlich oft „sportlich“ oder sonstwie durchsetzungsstark.

potschemutschka
3 Monate zuvor
Antwortet  447

„lammfromm“ in Zukunft bitte ersetzen, z. B. durch „veilchenfromm“. 🙂

447
3 Monate zuvor
Antwortet  potschemutschka

Jawoll! Ich plädiere für „löwenzahnfromm“. 🙂

Lisa
3 Monate zuvor

Wenn der Schüler oder die Schülerin gut aussieht, sich wehren kann, seine Gruppe oder ihren Freundeskreis hat, ein adäquates Hobby, cool/ it- Girl ist und dazu noch gute Noten schreibt, steht seiner/ ihrer Beliebtheit nichts im Weg. Das trifft besonders auf Gymnasien zu.

GS in SH
3 Monate zuvor
Antwortet  Lisa

Ist schon in der Grundschule so.
Gilt übrigens auch für I-Kinder. Sportlich und/oder gut aussehend ist gut für die Integration.

GriasDi
3 Monate zuvor

Ist wie bei den Hochbegabten. Die gehören sozial auch meist zu den Hochbegabten. Nur in Ausnahmefällen Verhalten sie sich so wie häufig dargestellt.