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Schulleitung sagt Abitur-Feier ab – weil Schüler aus Protest gegen den Gaza-Krieg mit Palästinensertuch erscheinen wollten?!

BERLIN. Der islamistische Terrorangriff auf Israel führt zu Spannungen. Im Kontext mit dem Gaza-Krieg kommt es vor allem an Universitäten zu Ausschreitungen – auch an Schulen gab es Konflikte. Abiturient*innen eines Gymnasiums bekommen das nun zu spüren: Ihre Abiturfeier wurde von der Schulleitung abgesagt. Der Landeselternratssprecher nennt das «merkwürdig»; die AfD sieht sich in ihrer Migrantenfeindlichkeit bestätigt.

Das Tuch des Anstoßes: eine Kufiya. Foto: Shutterstock

Ein Berliner Gymnasium hat seine geplante Abiturfeier wegen angekündigter politischer Protestaktionen abgesagt. Die Behörde sei über «die Absage und den Grund, den die Schulleitung dafür sieht», informiert worden, sagte eine Polizeisprecherin und bestätigte den Vorgang am Mittwoch.

Die Schulleitung des Gymnasiums Tiergarten wisse nach eigenen Angaben aus «sicherer Quelle», dass bei der für den 5. Juli geplanten Feier «massive konfrontative politische Kundgebungen durch einen großen Teil des diesjährigen Abiturjahrgangs geplant sind», berichtet der «Tagesspiegel». Offenbar wollten zahlreiche Schülerinnen und Schüler dabei mit Kufiya – einem Palästinensertuch – erscheinen.

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Laut «B.Z.» und «Bild» sollen sich in einer Whatsapp-Gruppe 50 von insgesamt 120 Schülern dazu entschlossen haben, die Zeugnisvergabe für eine solche Protestaktion zu nutzen. Die beiden Springer-Medien behaupten allerdings auch: «Der Judenhass zieht immer größere Kreise.» Belege dafür, dass die angeblich drohenden Schüler*innen-Proteste tatsächlich antisemitisch motiviert sind, liefern die Blätter nicht.

Die Schulleitung schließt jedenfalls Ausschreitungen während der feierlichen Übergabe der Abiturzeugnisse nicht aus. Die Sicherheit der Veranstaltung könne nicht gewährleistet werden, darum werde sie abgesagt. Die Schülerinnen und Schüler könnten sich ihr Zeugnis Anfang Juli in der Schule abholen, heißt es in dem Schreiben der Schulleitung und der Schulsozialarbeiter an die Abiturienten und deren Eltern, aus denen die Medien zitieren.

Einen Vorschlag der Elternschaft, aus eigener Tasche Sicherheitsleute für die Zeremonie zu bezahlen, lehnte die Schulleitung laut «B.Z.» ab. Schon die zu den traditionellen Abi-Feiern gehörende Mottowoche sei wegen solcher Vorfälle an dem Gymnasium untersagt worden. «Alles, was von unserer Seite versucht wurde, um die Verleihung zu retten, ist von der Schulleitung abgelehnt worden», so zitiert die Zeitung einen Angehörigen. Es sei extrem schade, dass die Schülerinnen und Schüler sich nicht mal von ihren Mitschülern und Lehrern verabschieden können.

Im Netz gab es bereits Kritik an der Entscheidung; auch Landeselternratssprecher Norman Heise fand laut «Tagesspiegel» die Absage zunächst «merkwürdig». Er zeigte sich am Mittwoch jedoch zuversichtlich, dass es doch eine kleine Feier mit entsprechenden Sicherheitsvorkehrungen geben könnte für die Abiturienten. Entsprechende Gespräche gebe es derzeit, sagte Heise nach Kontakten mit der Elternvertretung des Gymnasiums.

Die Schulleitung habe zwischenzeitlich mehr Fakten genannt, die deren Entscheidung in Teilen nachvollziehbar machten. «Zu kritisieren ist jedoch eine zunächst mangelnde Kommunikation», sagte Heise. Nach seinen Angaben trägt der Gaza-Krieg im Umgang mit einigen Schülern zu einer Anspannung bei. Heise sprach von «gewissen Verhärtungen».

Die AfD nutzt den Fall unterdessen für ihre Propaganda. «Der islamistische Mob hat gewonnen, die Deutschen haben das Nachsehen», so behauptet die Partei auf X und polemisiert: «Heute ist es ‚nur‘ die verbotene Abifeier, morgen müssen die Abiturientinnen besser mit Kopftuch erscheinen.»

Die Schulleitung des Gymnasiums wollte sich zu dem Vorgang nicht äußern, sondern verwies an die Senatsbildungsverwaltung. Von dort hieß es, man sei aus der Presse über den Vorgang informiert worden und habe die Schulaufsicht eingeschaltet. «Unser Ziel ist es, gemeinsam mit der Schule eine Lösung zu finden und sicherzustellen, dass die Übergabe der Abiturzeugnisse in einem angemessenen Rahmen stattfindet», erklärte ein Sprecher der Bildungsverwaltung.

«Sanktionen und Verbote allein sind meiner Meinung nach eine hilflose Aktion und kein wirklich zielführendes Angehen der Ursachen»

Der Gaza-Krieg sorgt an den Berliner Hochschulen und Schulen für eine teils angespannte und aufgeladene Stimmung. Wenige Tage nach dem Terrorangriff der islamistischen Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 gab es in diesem Zusammenhang an einem Neuköllner Gymnasium eine gewalttätige Auseinandersetzung zwischen einem Schüler und einem Lehrer. Vor diesem Hintergrund räumte Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU) Berlins Schulen die Möglichkeit ein, das Tragen von sogenannten Palästinensertüchern und anderen Symbolen für den Fall zu verbieten, dass dadurch der Schulfrieden gestört wird.

«Sanktionen und Verbote allein sind meiner Meinung nach eine hilflose Aktion und kein wirklich zielführendes Angehen der Ursachen», hatte der Vorsitzende der Kreuzberger Initiative gegen Antisemitismus, Dervis Hizarci, zu möglichen Verboten von Palästinensertüchern an Schulen seinerzeit erklärt (News4teachers berichtete). So funktioniere Pädagogik und politische Bildung nicht. Die Schule sei ein Lernort.

«Als ich gelesen habe, dass Schulen das Tragen von Palästinensertüchern untersagen können, habe ich gedacht: Das wird ganz klar nach hinten losgehen.» Das sei wie eine Einladung zur Provokation. «Wird Antisemitismus bekämpft, wenn ich sage „Tragt keine Palästinensertücher“?» Sein Anliegen sei, einseitige, problematische, gefährliche Einstellungen und Denkweisen bei Menschen zu ändern. «Wo hat man gesehen, dass man das durch solche Sanktionen hinbekommt?» News4teachers / mit Material der dpa

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