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Selbst der Kanzler nutzt die Plattform, aber: Debatte um TikTok-Verbot entbrennt

FRANKFURT/MAIN. TikTok nimmt an Bedeutung zu: Inzwischen nutzt mit 51 Prozent mehr als die Hälfte aller 14- bis 29-Jährigen die App regelmäßig, wie eine repräsentative Befragung für die Studie «Jugend in Deutschland 2024» im April ergeben hatte. Doch die Kurzvideo-App steht wegen seines Umgangs mit Daten und wegen unzureichendem Jugendschutz in der Kritik; es droht ein Verbot in den USA. Wie stehen die Landesregierungen zu dem Social-Media-Portal? Eine erste plädiert für ein gemeinsames Vorgehen.

“Ein treuer Freund”: TikTok-Kanal des Bundeskanzlers. Hier geht es hin. Foto: Screenshot

Für den weiteren Umgang mit dem umstrittenen Social-Media-Portal TikTok plädiert Hessens schwarz-grüne Landesregierung für eine koordinierte Position von Bund und Ländern. «Die kritischen Fragen, die sich im Zusammenhang mit der Nutzung und dem Betrieb von TikTok-Accounts ergeben, stellen sich grundsätzlich für alle 16 Landesregierungen sowie die Bundesregierung gleichermaßen», erläuterte der Chef der Staatskanzlei, Benedikt Kuhn, in Wiesbaden auf eine parlamentarische Anfrage der FDP-Landtagsfraktion.

Zum weiteren Umgang mit TikTok halte die Landesregierung ein abgestimmtes Vorgehen zwischen Bund und Ländern sowie auf Bundes- und EU-Ebene für sinnvoll. «Die Landesregierung befindet sich dazu mit den zuvor genannten Akteuren im Austausch», ergänzte Kuhn.

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«Es reicht nicht, nur zu wissen, wie das Kind nach dem Sportunterricht nach Hause kommt, sondern auch, mit wem es virtuell abhängt und was ihm dort begegnet»

Im April war ein US-Gesetz in Kraft getreten, das einen Eigentümerwechsel bei der Kurzvideo-App erzwingen soll. Damit droht TikTok die Verbannung aus amerikanischen App-Stores, falls die App in einem Jahr noch im Besitz des in China ansässigen Bytedance-Konzerns sein sollte. Zur Begründung wird auf das Risiko verwiesen, dass China sich Zugriff auf Daten verschaffen und politischen Einfluss ausüben könnte. TikTok ist gegen das Gesetz vor Gericht gezogen. Das Unternehmen erklärte, zu 60 Prozent im Besitz westlicher Investoren zu sein und den Firmensitz auf den Caymaninseln in der Karibik zu haben.

Thüringens Verfassungsschutzchef Stephan Kramer warnt aber: «TikTok funktioniert wie ein Trojaner.» Es lese Kontakte aus dem Adressbuch der Nutzer aus und könne Eingaben auf der Tastatur mitlesen.

In den vergangenen Monaten sind gleichwohl immer mehr Politikerinnen und Politiker auf TikTok aufgetaucht, weil die AfD dort offensichtlich unter Jugendlichen erfolgreiche Kampagnen fährt. Dem wollen die demokratischen Parteien ein Angebot entgegensetzen. Auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) ist mittlerweile auf der Plattform aktiv. Das hessische Kultusministerium hatte 2023 zur Gewinnung von Nachwuchslehrkräften in Zusammenarbeit mit einer Marketingagentur Werbezeiten bei vier Influencerinnen und Influencern gebucht, die auch über TikTok aktiv waren.

Jugendschützer warnen allerdings. Aus gutem Grund: Mehr als 60 Prozent der minderjährigen TikTok-Nutzer in Deutschland sind auf der Plattform regelmäßig auf Inhalte gestoßen, die bei ihnen Unwohlsein verursachen. Das war das Ergebnis einer repräsentativen Studie im Auftrag der Landesanstalt für Medien NRW vom vergangenen Februar. Dazu hatten Forscherinnen der Ludwig-Maximilians-Universität München Jugendliche im Alter von zehn bis 16 Jahren befragt, die die Online-Plattform TikTok benutzen.

Die meisten der Jugendlichen gaben dabei an, dass es sich um Videos gehandelt habe, die bei ihnen Ekel hervorgerufen hätten. Mehr als die Hälfte berichtete jedoch auch von Videos, in denen andere absichtlich verletzt werden. Knapp 40 Prozent gaben an, ihnen sei extremistisches Gedankengut begegnet.

Die Forscherinnen werteten außerdem auch den Inhalt von mehr als 2.500 TikTok-Videos aus. Dabei kamen sie zu dem Ergebnis, dass etwa 30 Prozent der Challenges auf TikTok potenziell schädlich, ein Prozent sogar potenziell tödlich seien. Inhalte, die laut dem Jugendmedienschutz-Staatsvertrag absolut unzulässig sind, seien aber eine seltene Ausnahme. In den meisten Fällen handelte es sich demnach um Schmerzdarstellungen, etwa wenn Teilnehmer sich versehentlich bei einer Challenge verletzen. Darunter fallen aber auch gewollte schmerzhafte Darstellungen wie bei der «Hot Chip Challenge». Dabei sollten sich Teilnehmer filmen, wie sie einen besonders scharfen Chip essen – der Hersteller hat die Chips inzwischen zurückgerufen, weil sie zu scharf seien.

Diese Challenge nennt die Studie auch als Negativbeispiel dafür, wie TikTok potenziell gesundheitsgefährdende Inhalte wenig bis gar nicht reguliere und diese sich so schnell verbreiten können. Bei potenziell tödlichen Challenges gehe TikTok hingegen konsequent vor, die Studie kritisiert allerdings mangelnde Transparenz, nach welchen Kriterien TikTok reguliert.

Tobias Schmid, Direktor der Landesanstalt für Medien NRW, forderte TikTok angesichts der Ergebnisse seinerzeit auf, mehr für den Jugendschutz zu tun, auch wenn es bei der großen Zahl an Inhalten eine Herausforderung sei. Schmid erinnerte aber auch Eltern und Lehrkräfte an ihre Verantwortung: «Es reicht nicht, nur zu wissen, wie das Kind nach dem Sportunterricht nach Hause kommt, sondern auch, mit wem es virtuell abhängt und was ihm dort begegnet.» News4teachers / mit Material der dpa

Rechtsruck unter Jugendlichen: Zustimmung zur AfD schießt hoch (wegen TikTok?)

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