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Schulen laden immer öfter Jugendoffiziere der Bundeswehr ein – ein Ortstermin

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BAMBERG. Immer häufiger halten Jugendoffiziere an Schulen Vorträge über Sicherheitspolitik. Die Bundeswehr sieht das nicht als Nachwuchswerbung, sondern als Beitrag zur politischen Bildung.

Werbung oder politische Bildung? Auftritte von Jugendoffizieren in Schulen sind umstritten (Symbolfoto). Foto: Shutterstock

«Wie sicher fühlt Ihr Euch in Deutschland – auf einer Skala von eins bis zehn?» fragt Jugendoffizier Dhany Sahm die Schülerinnen des Maria-Ward-Gymnasiums Bamberg. Fast alle, die er aufruft, sagen «sieben» oder «acht», eine beziffert ihr Sicherheitsgefühl auf sechs.

Im Gespräch mit den Zehntklässlerinnen des Mädchengymnasiums arbeitet Dhany Sahm heraus, warum sich die meisten Menschen in Deutschland zumindest derzeit noch recht sicher fühlen: «Wir haben genug zu essen, sichere vier Wände – und der Klimawandel ist hier noch nicht ganz so bemerkbar.»

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Hauptmann Dhany Sahm hat selbst erlebt, dass es mit der Sicherheit nicht überall auf der Welt so weit her ist: Zweimal war er für die Bundeswehr für jeweils knapp sechs Monate im Afghanistan-Einsatz. Dort ging ständig die Angst vor Selbstmordattentätern um. «Ich dachte mir immer: Wie verzweifelt muss ein Mensch sein, um so etwas zu tun?», erzählt der Jugendoffizier.

Es geht um politische Bildung, nicht um Nachwuchswerbung

Geboren in Norddeutschland, kam er im Jahr 2000 als Wehrpflichtiger zur Bundeswehr – und blieb. Vor einigen Jahren zog es ihn aus familiären Gründen nach Oberfranken, wo er die Stelle des Jugendoffiziers antrat. Die Arbeit mit den Schülerinnen und Schülern mache ihm viel Freude, sagt Dhany Sahm.

Als Jugendoffizier ist er an Schulen in ganz Oberfranken unterwegs. Insgesamt seien in Bayern zwölf Jugendoffiziere stationiert, sagt ein Sprecher der Bundeswehr: «Im Jahr 2023 haben die Jugendoffiziere 1.127 Einsätze mit 36.289 Teilnehmenden durchgeführt.» Rund 80 Prozent dieser Veranstaltungen seien Schulvorträge gewesen. Daneben nehmen die Jugendoffiziere auch an Podiumsdiskussionen teil, geben Seminare oder halten Vorträge für ein erwachsenes Publikum.

Seit dem russischen Überfall auf die Ukraine im Jahr 2022 würden die Jugendoffiziere immer häufiger angefragt. «Bei den Schulvorträgen geht es nicht um Nachwuchswerbung», betont der Sprecher der Bundeswehr. «Sondern ausschließlich um politische Bildung.»

Ein Überblick über die zahlreichen globalen Probleme

Lehrerin Marga Braun, Fachbereichsleiterin für die Fächer Geschichte und Politik und Gesellschaft, hatte den Jugendoffizier an das Maria-Ward-Gymnasium eingeladen. Viele der Zehntklässlerinnen durften bei der Europawahl 2024 zum ersten Mal mitwählen, da das Wahlalter auf 16 Jahre herabgesetzt worden war.

Dhany Sahms Vortrag, den er vor zwei zehnten Klassen des Bamberger Gymnasiums hält, ist mit «Sicherheitspolitische Herausforderungen im 21. Jahrhundert» überschrieben. Es ist ein Überblick über die zahlreichen globalen Probleme, die uns seit Jahren beschäftigen: Klimawandel, Kriege und militärische Konflikte, immer höhere Flüchtlingszahlen, nukleare Aufrüstung, die Systemkonkurrenz zwischen westlichen Demokratien und autoritären Großmächten wie China und Russland. Und: Welche Rolle spielen UNO und Nato dabei?

Bei seinem Referat bezieht der Jugendoffizier immer wieder die Schülerinnen mit ein. Manche kennen sich gut aus und melden sich oft, andere sind eher schweigsam – wie in einer normalen Unterrichtsstunde auch.

Was moderne Kriegführung bedeutet

Eine zentrale Rolle im Vortrag spielen der russische Überfall auf die Ukraine am 24. Februar 2022 und die Zeitenwende-Rede des Bundeskanzlers Olaf Scholz (SPD) drei Tage später. «Diese Rede könnte in die Geschichte eingehen», sagt Dhany Sahm. Denn sie habe klargemacht: Krieg ist wieder ein reales Szenario, Deutschland muss mehr für seine Sicherheit tun.

Russland führe den Krieg nicht nur auf dem Schlachtfeld, erklärt der Jugendoffizier den Zehntklässlerinnen: «In den Tagen nach dem 24. Februar 2022 sind in ganz Europa hunderte Windkraftwerke ausgefallen. Sie wurden durch Satelliten gesteuert, die offenbar gehackt wurden.»

Moderne Kriegführung bedeute, andere Länder zu destabilisieren, sagt Dhany Sahm: «Zum Beispiel, indem man gezielt Gerüchte und Falschmeldungen streut.» Oder indem man, siehe das Beispiel mit den Satelliten, lebenswichtige Infrastruktur angreift.

«Ich bin Soldat geworden, damit der Frieden gewahrt bleibt»

Eine Schülerin fragt, ob Russland Atomwaffen einsetzen könnte. Dies hält der Jugendoffizier für sehr unwahrscheinlich: «Vor allem deswegen, weil Russlands wichtigste Partner China und Indien klargemacht haben, dass sie dagegen sind. Mit den beiden Staaten kann es sich Russland nicht verscherzen.»

Allerdings, findet er, solle man sich darauf gefasst machen, dass China den benachbarten Inselstaat Taiwan angreifen könnte: «Im Jahr 2049 feiert die Volksrepublik China ihr 100-jähriges Gründungsjubiläum. Chinas Führung hat deutlich gesagt, dass China bis dahin mit Taiwan “wiedervereinigt” sein soll. Das ist faktisch eine Kriegserklärung an Taiwan.»

Deutschland müsse sich für die vielfältigen globalen Herausforderungen wappnen, resümiert der Jugendoffizier. Wenn wir unsere Demokratie erhalten wollen, müssten wir verteidigungsfähig sein. «Ich bin Soldat geworden, damit der Frieden gewahrt bleibt», sagt Dhany Sahm.

Schülerin Ella: Es gab klare Antworten, nicht wie bei Politikern

Schülerinnen und Lehrkräften sind zufrieden mit dem Vortrag. «Ich finde, Herr Sahm hat die Themen sehr gut heruntergebrochen», sagt Lehrer Sebastian Deusel. «Vom Niveau her war es genau richtig für eine zehnte Klasse. Wenn Leute, die direkt vom Fach sind, bei uns an der Schule Vorträge halten, ist das für die Schülerinnen noch authentischer.»

Schülerin Mia Geister sagt nach dem Vortrag: «Interessant fand ich vor allem die Erklärung, warum ein Atomkrieg unwahrscheinlich ist. Das war für mich neu». Mitschülerin Ella Haaß fand den Vortrag «sehr informativ»: «Mir hat gefallen, dass Herr Sahm auf unsere Fragen klare Antworten gegeben hat. Bei Politikern ist das anders. Sie weichen Fragen oft aus».

Beide Schülerinnen hätten gerne noch etwas mehr über die Bundeswehr erfahren. Denn sie verfolgen die Debatte über eine mögliche Wiedereinführung der Wehrpflicht, die – eine Änderung des Grundgesetzes vorausgesetzt – dann auch für Frauen gelten könnte. Von Philipp Demling, dpa

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