Website-Icon News4teachers

Kita-Krise: Kommunen setzen auf ausländische Erzieher:innen – Lösung mit Rückflugticket?

Anzeige

HANNOVER/BREMEN. Bei der Betreuung von Kleinkindern gibt es Engpässe. Zunehmend werben Kommunen daher Erzieher:innen aus dem Ausland an. 600 Fachkräfte sollen allein über das Programm «Willkommen im Kindergarten» von 2022 bis Ende 2024 nach Deutschland gekommen seien, überwiegend aus Spanien. Doch die Frage ist: Wollen sie auch bleiben?

Rückflug schon gebucht? (Symbolfoto) Foto: Shutterstock

Es ist ein Abenteuer: Brenda Hornos Justicia hat ihre Heimat Barcelona gegen den kleinen niedersächsischen Ort Krähenwinkel getauscht. Die 29-Jährige ist eine von inzwischen Hunderten spanischen Erzieherinnen, die von deutschen Behörden angeworben wurden, um die Personalnot in Kindertagesstätten abzumildern. In Spanien ist die Geburtenrate niedrig und es gibt es einen Überhang an gut ausgebildeten Erzieherinnen. Seit September gehört Brenda zum Team der Kita Krähenwinkel in der Region Hannover und betreut mit Kolleginnen die «Puckis», eine Gruppe von 15 Ein- bis Dreijährigen.

Abends sei es schon sehr ruhig in Krähenwinkel, erzählt Brenda, die sich dafür entschuldigt, dass ihr Deutsch während des Heimaturlaubs über den Jahreswechsel schlechter geworden sei. In Barcelona unternehme sie mehr in ihrer Freizeit, jedoch sei sie kein Strand-Typ und möge keine Hitze. «Ich würde auch gern in Finnland leben», sagt die Spanierin lachend. «Ich liebe das deutsche Wetter.»

Anzeige

14 spanische Erzieherinnen hat die Region Hannover anwerben können. Eigentlich standen in dem Pilotprojekt 22 Plätze zur Verfügung. Jedoch konkurrieren inzwischen mehrere deutsche Bundesländer sowie skandinavische Länder und Irland um die Fachkräfte. «Deutschland hat die Arme ausgebreitet für mich», sagt Brenda, die besonders die Arbeit im Team in ihrer neuen Kita schätzt. Ihr Ziel sei es, neue pädagogische Konzepte kennenzulernen.

Mehrmonatiger Deutschkurs vorweg

In Deutschland war die junge Pädagogin vor dem Start des Programms noch nie, Deutsch hat sie auch nicht in der Schule gelernt. Im April begann ihr bezahlter, mehrmonatiger Deutschkurs in Barcelona. Ihre Kita in der Nähe des Flughafens Hannover lernte sie in einer Schnupperwoche kennen. Der Vertrag der Spanierin mit der Kita Krähenwinkel läuft bis Anfang 2026. Absolviert sie das Projekt erfolgreich, steht am Ende die Anerkennung als staatlich anerkannte Erzieherin in Deutschland. In Spanien arbeitete Brenda nach ihrem Universitätsabschluss 2016 bereits mehrere Jahre als Erzieherin.

Kita-Leiterin Melanie Lüschen kann die Spanierin als Sozialassistentin und zusätzliche Fachkraft einsetzen. «Das ermöglicht uns, die Gruppen aufrechtzuerhalten, wenn Kollegen nicht da sind», sagt sie. Das Team profitiere von Brendas Ausbildung und Berufserfahrung. «Sie sieht, welche Bedürfnisse beim Kind sind» Mit ihrer fröhlichen Persönlichkeit sei die 29-Jährige eine Bereicherung. «Brenda ist ein Herzensmensch», betont die Pädagogin.

Das spüren die Kleinkinder. In der Eingewöhnungsphase bei den «Puckis» strich die Spanierin geplante freie Tage und kam in die Gruppe, weil ein neues Mädchen zu ihr eine innige Beziehung aufgebaut hatte, wie die Kita-Leiterin erzählt. Dass die junge Frau aus Barcelona bisher nicht so gut Deutsch spricht, finden die Eltern nicht schlimm. «Brenda macht das toll», sagt Elternvertreterin Jessica Napieraj. «Die Kinder können von ihr lernen, und sie kann von den Kindern lernen.»

Im Einverständnis mit der spanischen Arbeitsverwaltung

Welche deutschen Worte sind im Kita-Alltag besonders wichtig? «Achtung» und «Vorsicht», fallen der 29-Jährigen auf Anhieb ein. Auch «Wickeln» bei den Ein- bis Dreijährigen. «Eichhörnchen» und «Weihnachten» spielten zuletzt eine große Rolle.

Die Zentrale Auslands- und Fachvermittlung (ZAV) der Bundesagentur für Arbeit wirbt mit dem Einverständnis und der Unterstützung der spanischen Arbeitsverwaltung die Fachkräfte an. In kleinerem Umfang werde auch in Italien rekrutiert, berichtet die für die Zuwanderung von Fachkräften zuständige Behörde mit Sitz in Bonn.

Allein über das Programm «Willkommen im Kindergarten» haben laut ZAV von 2022 bis Ende 2024 rund 600 Erzieherinnen und Erzieher in Deutschland ihre Arbeit aufgenommen, weit überwiegend aus Spanien. Es läuft schon länger in Bremen, Baden-Württemberg, Bayern und Hessen. Nordrhein-Westfalen. Niedersachsen und Sachsen-Anhalt sind in der Pilotphase. Ein ähnliches Pilotprojekt wie in der Region Hannover mit den Kommunen Langenhagen, Seelze und Garbsen gibt es in Melle im Landkreis Osnabrück.

Bundesweit ist die Situation in vielen Kitas äußerst angespannt. Vielerorts fehlen Fachkräfte, sodass Betreuungszeiten etwa bei Krankheitsausfällen verkürzt werden oder Kitas tageweise ganz schließen müssen. Laut dem Fachkräftebarometer Frühe Bildung 2021 werden bis 2030 in Westdeutschland rund 252.000 zusätzliche Kita-Fachkräfte benötigt, um ein bedarfsdeckendes Angebot zu sichern. In Ostdeutschland würden dagegen mehr Personen ausgebildet, als für den Gesamtbedarf von 31.000 erforderlich seien. Gegen den Fachkräftemangel sollen auch Quereinsteiger-Programme helfen.

Deutsche Kommunen hoffen, dass Spanierinnen bleiben

Seit ihrer Ankunft im September hat Brenda viel über Deutschland gelernt. Sie hat sich über Schnee gefreut, über die Taktung und Zuverlässigkeit von Bussen und S-Bahnen gewundert. Sie habe sich für eine Wohnung in der Nähe der Kita entschieden, damit sie nicht auf den Bus angewiesen sei und zu Fuß gehen könne, erzählt sie. Zunächst waren die spanischen Erzieherinnen in Gastfamilien untergebracht, die Wohnungssuche als Ausländerin auf dem angespannten Markt funktionierte nur mit Unterstützung von Kolleginnen.

Die Region Hannover hat ein Interesse daran, dass Brenda Hornos Justicia nach ihrer staatlichen Anerkennung als Erzieherin in Deutschland in einer ihrer 21 Kommunen bleibt. Schon jetzt fehlten in der Kinderbetreuung der Region 600 Fachkräfte, bis 2030 werden es nach Berechnungen 6.122 offene Stellen sein, sagt Projektkoordinatorin Leena Wilke. In der Region Hannover leben rund 1,2 Millionen Menschen.

Die Bezahlung in der niedersächsischen Kita ist besser als in Barcelona, die Arbeit findet Brenda Hornos Justicia spannend, doch ihr Vater und Bruder sowie viele Freunde leben in Spanien. Aktuell könne sie nicht sagen, wie lange sie bleiben werde, sagt die 29-Jährige: «Es ist gut hier zu leben für einige Zeit. Ich bin zufrieden im Moment.»

Bildungsverwaltung berichtet von geringer Abbrecherquote

Bremen, eines der ersten Bundesländer, das spanische Erzieherinnen nach Deutschland geholt hat, hat bislang gute Erfahrungen mit den Fachkräften aus dem Ausland gemacht: Lediglich neun Personen seien nach Spanien zurückgekehrt. Die Abbrecherquote in dem Programm sei relativ gering, lässt das Bremer Bildungsressort wissen. Von 152 in den vergangenen Jahren angeworbenen Kita-Fachkräften schlossen demnach 124 Erzieherinnen und Erzieher das Programm erfolgreich ab, 115 von ihnen wurden unmittelbar danach in Einrichtungen des Landes Bremen angestellt.

Für Bildungssenatorin Sascha Karolin Aulepp (SPD) sind die Fachkräfte eine Bereicherung für die Kitas. «Sie bringen nicht nur andere Perspektiven und kulturelle Vielfalt ein, sondern stärken auch den interkulturellen Austausch in unseren bunten Kitas, deren kulturelle Vielfalt von den Kindern mitgebracht und gelebt wird.» Sie zeigten beispielhaft, welch Gewinn die Öffnung des Arbeitsortes bieten könne. News4teachers / mit Material der dpa

Eine qualifizierte Erzieherin (plus Hilfskräfte) für 60 Kinder reicht: Personalvorgaben gelockert

Anzeige
Die mobile Version verlassen