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Kriminologen warnen (Union) vor politischer Instrumentalisierung von Straftaten

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HANNOVER. In einer aktuellen Stellungnahme haben 77 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus dem Bereich der Strafrechtswissenschaften dazu aufgerufen, die Debatte um die jüngsten Gewalttaten in Aschaffenburg auf einer sachlichen und evidenzbasierten Grundlage zu führen. Die Unterzeichner warnen davor, dass die Diskussion durch populistische Instrumentalisierung und verzerrte Darstellungen geprägt sei. Statt wissenschaftlich fundierter Erkenntnisse dominierten derzeit emotionale Reaktionen und politische Reflexe. Dies könne einer effektiven und verfassungskonformen Kriminalpolitik entgegenstehen.

Ist offensichtlich Adressat der Erklärung: CDU-Chef Friedrich Merz. Foto: Shutterstock / photocosmos1

„Ein sachlicher, wissenschaftlich fundierter Umgang mit Kriminalität ist essenziell, um wirksame, nachhaltige und verfassungskonforme Lösungen zu entwickeln“, heißt es in der Erklärung. Ein zentrales Anliegen der Forscherinnen und Forscher sei es, darauf hinzuweisen, dass Kriminalität nicht kausal mit der Staatsangehörigkeit einer Person in Verbindung stehe.

Kritik an aktuellen politischen Forderungen

Besonders kritisch sehen die Wissenschaftler Forderungen, die im Zuge der Tat in Aschaffenburg von CDU und CSU erhoben werden. So werde beispielsweise der Familiennachzug für Geflüchtete infrage gestellt. Dabei zeige die Forschung, „dass soziale Integration eine der wichtigsten Präventivmaßnahmen gegen Kriminalität ist“. Eine Einschränkung des Familiennachzugs könne jedoch Vereinsamung und soziale Instabilität verstärken, was wiederum das Risiko von Kriminalität erhöhen könne.

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Durchaus könne über Herausforderungen in der Integration und über Kapazitätsgrenzen diskutiert werden. Eine direkte Verknüpfung mit Straftaten sei jedoch problematisch, da sie eine rationale Auseinandersetzung erschwere.

Ein weiteres Beispiel sei die Forderung, Personen mit Aufenthaltsberechtigung nach zwei Straftaten abzuschieben – selbst wenn es sich um geringfügige Delikte wie Schwarzfahren handele. Die Wissenschaftler*innen weisen darauf hin, dass „die Strafwürdigkeit dieser und anderer vergleichbarer Delikte ohnehin bereits umstritten“ sei. Zudem müsse die Verhältnismäßigkeit beachtet werden, denn eine derartige Sanktionierung sei in dieser Form fragwürdig.

Unsachgemäßer Umgang mit Kriminalstatistiken

Ein weiteres Problem sei die unsachgemäße Nutzung von Kriminalstatistiken. „Ein häufiges Problem ist die Gleichsetzung registrierter Straftaten mit der tatsächlichen Kriminalitätsentwicklung“, so die Unterzeichner. Sie betonen, dass polizeiliche Kontrollmechanismen, eine veränderte Anzeigebereitschaft sowie andere Faktoren oft größeren Einfluss auf die Zahlen hätten als eine tatsächliche Zunahme von Kriminalität. Dies werde in der öffentlichen Debatte oft nicht ausreichend berücksichtigt.

Insbesondere die selektive Darstellung bestimmter Delikts- und Personengruppen beeinflusse die Wahrnehmung. Hierzu stellen die Wissenschaftler klar: „Kriminalität ist keine Folge der Staatsangehörigkeit.“

Für eine sachgerechte Analyse sei es notwendig, die kontextuellen Ursachen zu erforschen. Nur so könnten langfristig tragfähige Lösungen gefunden werden.

Forderung nach evidenzbasierter Kriminalpolitik

Angesichts dieser Entwicklungen rufen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler dazu auf, sich von populistischen Verzerrungen zu lösen und wissenschaftliche Erkenntnisse in die kriminalpolitische Debatte einzubeziehen. Sie formulieren dazu konkrete Forderungen:

  1. Eine rationale, empiriebasierte Analyse von Kriminalitätsphänomenen
  2. Einen sachlichen Umgang mit Kriminalstatistiken
  3. Die Berücksichtigung kriminologischer Erkenntnisse bei Gesetzesvorhaben
  4. Die Wahrung der Verhältnismäßigkeit im Strafrecht
  5. Die strikte Trennung von Straf- und Aufenthaltsrecht

Abschließend betonen die Wissenschaftler die Notwendigkeit einer evidenzbasierten und verfassungskonformen Kriminalpolitik. „Eine evidenzbasierte, verfassungskonforme Kriminalpolitik ist unabdingbar, um sowohl Sicherheit als auch Rechtsstaatlichkeit nachhaltig zu gewährleisten“, heißt es in der Stellungnahme. News4teachers

Hier geht es zu der vollständigen Stellungnahme.

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