ERFURT. Thüringens Bildungsminister Christian Tischner (CDU) und die Brombeer-Koalition im Freistaat wollen die Schulordnung ändern – mit Instrumenten aus der Vergangenheit. Ein Entwurf dazu stößt bei Eltern im Land auf Kritik. Die Opposition sieht ein «Zurück in ein Bildungssystem der 80-er Jahre.»
Thüringens Bildungsminister Christian Tischner (CDU) will die Schulordnung ändern und das Sitzenbleiben wieder ab Klasse sechs ermöglichen. Außerdem sollen Kopfnoten in allen Klassenstufen eingeführt werden, mit Ausnahme der Abschlussklasse. «Kinder brauchen eine Rückmeldung zu ihrem Verhalten», erklärte ein Sprecher die Haltung der Brombeer-Landesregierung (aus CDU, SPD und BSW) zu diesem Thema.
Die Landeselternvertretung kritisiert einen Entwurf zur Schulordnung und sieht die Konzepte der Gemeinschaftsschulen in Gefahr. «Bei einer Umsetzung des Verordnungsentwurfs sehen wir den versprochenen Schulfrieden gefährdet», teilte die Landeselternvertretung mit. Es gebe Verständnis für die Pläne, Sitzenbleiben an Gymnasien und Regelschulen wieder ab Klasse 6 zu ermöglichen. «Der Vorstoß, auch den Gemeinschaftsschulen eine solche Versetzungsentscheidung aufzuzwingen, stößt jedoch weithin auf Unverständnis», heißt es in einer Mitteilung der LEV.
Grund seien die Konzepte der Gemeinschaftsschulen, die oft jahrgangsübergreifend sind. «Der Minister hat uns mehrfach einen Schulfrieden versprochen. Der jetzige Verordnungsentwurf ist jedoch ein Angriff auf die Existenz der Thüringer Gemeinschaftsschulen», so die LEV.
«Die neuen Regelungen zu Sitzenbleiben, zu verpflichtender Notengebung und zur Einführung von Kopfnoten in der Grundschule sind rückwärtsgewandte Bildungspolitik»
Auch die Thüringer Grünen kritisierten die Pläne zur Änderung der Schulordnung. «Es ist keine 100 Tage her, dass die Brombeer-Regierung einen Schulfrieden angekündigt hat – jetzt ruft die Landesregierung offenbar klammheimlich den Krieg gegen die Thüringer Gemeinschaftsschulen aus», sagte Grünen-Landessprecherin Ann-Sophie Bohm.
Sie warnte davor, in die Bildungspolitik der 1970er Jahre zurückzukehren. «Die neuen Regelungen zu Sitzenbleiben, zu verpflichtender Notengebung und zur Einführung von Kopfnoten in der Grundschule sind rückwärtsgewandte Bildungspolitik und lösen keine der Probleme im Bildungswesen.» Die Grünen forderten die Landesregierung auf, den Entwurf für eine neue Schulordnung zurückzuziehen.
Kritik kam auch von der Linken. Deren Abgeordnete Ulrike Grosse-Röthig sagte, sie habe einen Selbstbefassungsantrag im Bildungsausschuss eingereicht. Der Bildungsminister werde gebeten, über seine Pläne zu berichten. Sie wies darauf hin, dass auch im Brombeer-Koalitionsvertrag steht, dass die Schularten unangetastet bleiben sollen. Ihrer Meinung nach sei das durch die Pläne nicht mehr gegeben.
«Das längere gemeinsame Lernen funktioniert nur durch die längere Erprobungsphase», sagte sie. Wenn an einer Gemeinschaftsschule eine Versetzungsentscheidung getroffen wird, werde vorher entschieden, in welche Schulart versetzt werde. «Damit ist ja die Erprobungsphase hin», monierte sie. «Wenn ich schon nach dem Regelschulzweig bewerte und versetze, kann ich auch nicht mehr in den gymnasialen Zweig wechseln.»
Auch die Kopfnoten kritisierte Grosse-Röthig. «Ein Zurück in ein Bildungssystem der 80er Jahre hat Thüringen nicht verdient», sagte sie. Es gehe bei den Kopfnoten ausschließlich um Repression und Sanktion. «Solange wir an diesem Punkt sind, werde ich mich gegen Kopfnoten aussprechen.»
Auch die Landeselternvertretung kritisierte die geplante Wiedereinführung von Kopfnoten bis Klasse acht. «Zum einen fehlen klare Bewertungsmaßstäbe, zum
anderen wird keiner Schülerin und keinem Schüler geholfen, wenn Verhalten lediglich negativ bewertet wird», heißt es von der LEV.
Thüringens Bildungsministerium verteidigte unterdessen die Pläne zur Änderung der Schulordnung. Versetzungsentscheidungen seien ein wichtiges Motivations- und Frühwarnsystem und verhinderten, dass Wissens- und Lernlücken von Klasse zu Klasse mitgenommen werden, erklärte ein Sprecher des Ministeriums. «Im Sinne des Schulfriedens sollen dabei die Schularten gleich behandelt werden.» News4teachers / mit Material der dpa
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