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US-Lehrer warnt Kollegien in Deutschland vor Repression: Frühzeitig wachsam sein!

WASHINGTON. Zensierte Bücher, eingeschüchterte Schüler:innen, entlassene Lehrer:innen: In Florida erlebt das öffentliche Schulwesen seit Jahren, was unter Donald Trump nun für die ganze USA Realität werden könnte. Andrew Spar, Lehrer und Präsident der „Florida Education Association“, schildert aktuell in einem Interview, wie politische Einflussnahme die Bildungslandschaft verändert – und welche Warnzeichen auch Lehrkräfte in Deutschland und dem übrigen Europa ernst nehmen sollten.

Vorbild USA? Illustration: Shutterstock

„Was Trump jetzt mit ganz Amerika vorhat, erleben wir in Florida schon seit Jahren“, sagt Andrew Spar. Der Lehrer und Präsident der größten Lehrergewerkschaft Floridas, der Florida Education Association, sowie Vizepräsident der landesweiten American Federation of Teachers, zeichnet im Interview mit dem Deutschen Schulportal ein erschütterndes Bild des Zustands öffentlicher Schulen in seinem Bundesstaat. Und er warnt: Was dort geschieht, kann auch anderswo passieren – auch in Europa.

Klima der Angst an Schulen

Spar berichtet von einem Schulalltag, in dem sich viele Schülerinnen und Schüler nicht mehr sicher fühlen. Besonders marginalisierte Gruppen, etwa queere Jugendliche oder Kinder mit Migrationsgeschichte, seien zunehmend Repressionen ausgesetzt. Ein Beispiel, das er nennt: „Letzte Woche machte an einer unserer Schulen das Gerücht die Runde, dass ICE-Agenten, also Einwanderungsbeamte, vor dem Gebäude standen. […] Trotzdem waren die Schülerinnen und Schüler panisch. Viele fragten sich: Werde ich, wird meine Familie jetzt abgeschoben?“

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Gleichzeitig verschwänden Bücher aus den Schulbibliotheken – insbesondere solche, die sich an Kinder aus hispanischen Communities, die afroamerikanische Bevölkerung oder queere Jugendliche richten. Für Spar ist klar: „Die unterschwellige Botschaft an diese Kinder und Jugendlichen lautet: Da diese Bücher verboten sind, stimmt womöglich auch mit mir etwas nicht.“

Verlorene Schutzräume für queere Jugendliche

Besonders betroffen sind LGBTQ+-Jugendliche. „Viele Jugendliche trauen sich nicht mehr, sich zu outen – aus Angst vor Repressalien oder der Reaktion ihrer Eltern.“ Selbst Schülergruppen wie „Gay-Straight-Alliances“ würden bürokratisch behindert. Schulen forderten mitunter schriftliche Einverständniserklärungen der Eltern, bevor sich Jugendliche solchen Gruppen anschließen dürfen – ein Widerspruch zum eigentlichen Zweck solcher Angebote, wie Spar betont.

Einer der aufsehenerregendsten Fälle war die Entlassung einer Lehrerin, weil sie einen transidenten Schüler mit seinem gewählten Namen ansprach – ein Verhalten, das für sie selbstverständlich war, nun aber gegen ein neues Gesetz verstößt. „Es geht hier um menschliches Verhalten, das plötzlich als Regelverstoß gewertet wird“, kritisiert Spar. Die Konsequenz: Verunsicherung und Selbstzensur bei vielen Lehrkräften.

Zensur im Klassenzimmer

Diese Selbstzensur zeige sich auch in anderen Bereichen: „Viele Lehrkräfte zensieren sich inzwischen selbst, sei es bei der Auswahl von Literatur oder bei historischen Themen.“ Der gesetzliche Rahmen sei oft vage, gleichzeitig aber mit harten Konsequenzen verbunden. So sei es in Florida mittlerweile verboten, die Black-Lives-Matter-Bewegung im Unterricht zu behandeln – eine Bewegung, die Spar als „eine Ausweitung der Bürgerrechtsbewegung“ versteht.

Noch absurder: Der offizielle Lehrplan suggeriere inzwischen, dass Sklaven von der Sklaverei profitiert hätten. „Lehrerinnen und Lehrer wollen jedoch keine beschönigte Geschichte vermitteln und schon gar nicht eine, die Opfer zu vermeintlichen Profiteuren macht“, sagt Spar – und beschreibt einen Beruf, der zunehmend nicht mehr im Einklang mit pädagogischen Werten ausgeübt werden kann. Viele Kolleg:innen würden daher den Beruf verlassen: „Ich kenne Kollegen, die 20 oder 25 Jahre im Dienst waren und freiwillig gehen, weil sie sagen: Ich kann meinem Anspruch an guten Unterricht nicht mehr gerecht werden.“

Auch auf politischer Ebene verschärft sich die Lage weiter: Das US-Bildungsministerium hat den Bundesstaaten angedroht, Fördergelder zu streichen, sollten sie nicht alle DEI-Programme (Diversity, Equity, Inclusion) abschaffen. Dabei geht es laut Spar um nichts weniger als „interkulturelle Kompetenz, das Verständnis unterschiedlicher Hintergründe und das Gefühl, gesehen zu werden“. Der mögliche Wegfall dieser Programme hätte massive Auswirkungen – vor allem auf Kinder mit Behinderungen, mit anderen Muttersprachen oder aus einkommensschwachen Familien.

Warum aber ist Bildung zum Schauplatz eines politischen Kulturkampfs geworden? Für Spar geht es um Kontrolle – und um Geld. Rechte Kräfte wollten das öffentliche Schulsystem bewusst schwächen, um Raum für Privatschulen zu schaffen. „Jetzt geht es darum, das öffentliche System so unattraktiv zu machen, dass Eltern sagen: Ich suche lieber eine Alternative.“ Während öffentliche Schulen zensiert und eingeschränkt würden, blieben Privatschulen von diesen Vorgaben unberührt. „Das ist politisch gewollt“, sagt Spar.

Was können Lehrkräfte in Europa aus dieser Entwicklung lernen? Spars Antwort ist deutlich: „Das erste Warnsignal ist fast immer ein Angriff auf die Rechte von Lehrkräften.“ In Florida begann alles mit dem Verlust der Arbeitsplatzsicherheit. Heute gebe es nur noch Einjahresverträge – ein Druckmittel, um Kritik zu unterdrücken. „Von da an eskalierte die Situation schnell. Aber das geschah nicht über Nacht.“

Seine Botschaft an Lehrkräfte in Deutschland und Europa: „Angriffe auf Bildung beginnen oft im Klassenzimmer. Je früher man sie erkennt und sich dagegen wehrt, desto besser. Wenn wir die Zukunft von Bildung und Demokratie schützen wollen, müssen wir frühzeitig und laut unsere Stimme erheben.“ News4teachers

Hier geht es zum vollständigen Interview auf dem Deutschen Schulportal.

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