BERLIN. „Bildungskriminell“ – so bezeichnet die „Bild“-Chefredakteurin ernsthaft Kultusministerinnen und -minister. Ihr Vorwurf: zu viele Migrantenkinder in Schulklassen. Wer hier wirklich verantwortungslos agiert, ist eine andere. Ein Kommentar von News4teachers-Herausgeber Andrej Priboschek.
„Bild“-Chefredakteurin Marion Horn nennt Kultusministerinnen und Kultusminister in Deutschland – und zwar alle, die Schulen in westdeutschen Großstädten zu verantworten haben – „bildungskriminell“. Alle anderen Andersdenkenden gleich mit. Und zwar deshalb, weil sie (wie in allen westdeutschen Großstädten nunmal aufgrund der Bevölkerungsstruktur unumgänglich) „immer noch Schulklassen mit mehr als der Hälfte Migrantenkinder dulden“. Damit greift sie in die Debatte um einen Vorstoß von Bundesbildungsministerin Karin Prien (CDU) ein (News4teachers berichtete).
Horn fordert in einem prominent platzierten Kommentar eine „Obergrenze für Kinder mit Migrationshintergrund, damit Klassen nicht kippen und dann alle verlieren“. 30 bis 40 Prozent schweben der Redaktionsleiterin, die laut „Wikipedia“ von eigenen Mitarbeitenden im persönlichen Umgang als „im Ton vergreifend“, „prollig“ und „übergriffig“ beschrieben wird, vor – das würden „Experten“ (welche?) als „Verträglichkeits-Obergrenze“ definieren.
Ein paar Fakten: Rund 30 Prozent der Schülerinnen und Schüler in Deutschland haben einen Migrationshintergrund – im Ruhrgebiet wesentlich mehr als in Ostdeutschland. Um auf eine Höchstgrenze von 30 Prozent in Gelsenkirchen zu kommen, müssten also Familien beispielsweise nach Bautzen zwangsumgesiedelt werden. Mit welchem Recht? Gut die Hälfte der Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland sind Deutsche – und zwar keine Deutsche zweiter Klasse. Sie haben dieselben Rechte wie alle anderen deutschen Staatsbürger. Und die sind im Grundgesetz verbürgt, darunter (Artikel 11): „Alle Deutschen genießen Freizügigkeit im ganzen Bundesgebiet.“ Heißt: Sie können leben, wo immer sie möchten.
“Dass sich ausgerechnet die ‘Bild’-Chefredakteurin zur Kämpferin für ein besseres Bildungssystem macht, entbehrt nicht unfreiwilliger Komik”
Horn mischt, wie mittlerweile üblich im zunehmend rechtspopulistischen (rechtsextremen?) Hause Springer, in ihrem Kommentar alle Stereotype gegenüber Migranten zusammen, bis eine giftige, fremdenfeindliche Suppe daraus geworden ist: Islamismus („Islam ist hier der Chef“), vermeintliche oder tatsächliche Bildungslücken („Kinder wissen nicht, was ein Bach ist“ – hä?), PISA, Unternehmensklagen über fehlende Ausbildungsreife, Sprachprobleme.
Fast schon lustig – Horn beteuert dabei: „Es geht nicht darum, Kinder auszusortieren, sondern darum, endlich die Voraussetzungen zu schaffen, damit alle Kinder lernen können.“ Um im nächsten Satz ebendas zu fordern: auszusortieren. „Einschulungen ohne ausreichende Deutschkenntnisse darf es nicht mehr geben.“ Kein Wort dazu, dass bis heute Sprachförderung in deutschen Kitas und Schulen allenfalls sporadisch geschieht, wie unlängst erst die Ständige Wissenschaftliche Kommission der KMK festgehalten hat. Kein Wort darüber, was denn mit Kindern passieren soll, die dann nicht eingeschult werden dürfen – oder die der Migrantenquote zum Opfer fallen. Die populistische Lösung (die übrigens ursprünglich von der AfD stammt) lautet einfach nur: weg.
Horn meint mit Blick auf ihre Umverteilungsfantasien: „Wer einen besseren Vorschlag hat, soll sich gern melden.“ Hätte ich, sogar mehrere: mit systematischer Sprachförderung flächendeckend bereits in der Kita beginnen und die dann in der Grundschule weiterführen, digitale Lernprogramme zur Sprach- und Leseförderung (deren Wirksamkeit unlängst erst in einer Studie bestätigt wurde) zielgerichtet einsetzen, Kitas und Schulen personell und multiprofessionell deutlich besser ausstatten, die Migrantenquote in den Lehrerkollegien mittels gezielter Anwerbung deutlich erhöhen, um mehr Bildungsvorbilder für Kinder aus eingewanderten Familien zu haben, kurzum: Deutschland nach über fünf Jahrzehnten endlich als Einwanderungsland anerkennen – und das Bildungssystem auf die damit verbundenen Herausforderungen einstellen!
Dass sich ausgerechnet die „Bild“-Chefredakteurin zur Kämpferin für bessere Bildung macht, entbehrt nicht unfreiwilliger Komik: Die ehemalige Leiterin des Erotikmagazins „Das neue Wochenend“ und der Frauenzeitschrift „Fritz“ – nicht gerade intellektuelle Leuchttürme in der deutschen Medienlandschaft – steht für einen Verlag, der immer wieder gegen politisch unliebsame Wissenschaftler wie den Virologen Prof. Christian Drosten und gegen wirtschaftlich unbequeme Erkenntnisse wie die Klimakrise (Verlagschef Mathias Döpfner: „Ich bin sehr für den Klimawandel“) mobil macht. Ein Aufruf des US-Milliardärs Elon Musk zur Wahl der AfD im Vorfeld der Bundestagswahl in der „Welt“ passt ins Bild: Hass und Hetze gehören zum Geschäftsmodell. Ich würde sagen – um in der Diktion von Frau Horn zu bleiben: Das ist „medienkriminell“. Leider jetzt auch in der Bildung. News4teachers
“Ich bin sehr für den Klimawandel”: Was die Affäre Döpfner mit der Bildung in Deutschland zu tun hat