MÜNCHEN. Das oberste Verwaltungsgericht Bayerns erklärt das Kruzifix im Eingangsbereich eines Gymnasiums für unzulässig – Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) will das nicht hinnehmen. Mit markigen Worten verteidigt er das christliche Symbol als Grundpfeiler gesellschaftlicher Werte. Dass die Richter die Religionsfreiheit von Schülern verletzt sehen, hält ihn nicht auf: „Dann hängt das halt über einen anderen Eingang.“
Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) offenbart ein merkwürdiges Rechtsverständnis. Er will das Kruzifix-Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs so nicht hinnehmen. „Allen denjenigen, die sagen, man soll die Kreuze abhängen, denen sagen wir: Wir wollen diese Kreuze aufhängen“, sagte der CSU-Politiker beim Sender Welt TV. Dobrindt räumte ein, dass er das Urteil noch nicht gelesen habe, riet aber zu einem pragmatischen Umgang damit, dass das Gericht das Kreuz über dem Eingang der betreffenden Schule verboten hatte: „Dann hängt das halt über einen anderen Eingang.“
Es gehe „schlichtweg um das Grundverständnis unseres Zusammenlebens“, mahnte Dobrindt. Und weiter: Das Kreuz drücke „mehr aus als den christlichen Glauben“, nämlich „eine Wertehaltung dieser Gesellschaft“. Er finde es richtig, dass viel von Toleranz gesprochen werde, gebe jedoch zu bedenken: „Die Grundlage der Toleranz ist der christliche Glaube. Das könnte man ja auch mal mit einem Kreuz zur Darstellung bringen.“
Worum es geht: Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof urteilte in der vergangenen Woche (BayVGH, Urteil vom 8. Juli 2025, Az. 7 BV 21.336), dass ein Kruzifix im Eingangsbereich eines staatlichen Gymnasiums in Bayern die Religionsfreiheit von Schülern verletzt (News4teachers berichtete).
Zwei ehemalige Schülerinnen hatten dagegen geklagt, dass während ihrer Schulzeit ein 150 Zentimeter hohes und 50 Zentimeter breites Holzkreuz mit einem gekreuzigten Christus im Haupteingangsbereich ihres Gymnasiums angebracht war und die Schule sich weigerte, es abzuhängen – und sie bekamen Recht. Der Verwaltungsgerichtshof entschied, dass die Schule «verpflichtet gewesen wäre, das Kruzifix zu entfernen».
«Das groß dimensionierte Kruzifix war an einer sehr exponierten Stelle angebracht und zeichnete sich durch eine figurenhaften Darstellung des Leichnams Jesu aus»
Er sieht in der «Konfrontation mit dem Kruzifix als religiösem Symbol einen Eingriff in die verfassungsrechtlich verbürgte negative Glaubensfreiheit». Zur Begründung der Entscheidung heißt es: «Die Klägerinnen waren wegen der Schulpflicht zwangsweise und immer wiederkehrend sowie im Hinblick auf dessen Positionierung ohne (zumutbare) Ausweichmöglichkeit mit dem Kruzifix konfrontiert. Das groß dimensionierte Kruzifix war
an einer sehr exponierten Stelle angebracht und zeichnete sich durch eine figurenhaften
Darstellung des Leichnams Jesu aus.»
Ob das Kruzifix im Eingangsbereich hängen dürfte, wenn es dafür einen entsprechenden Landtagsbeschluss gäbe – dies ließ das Gericht ausdrücklich offen. Unter den umstrittenen, 2018 in Kraft getretenen «Kreuzerlass», wonach in jedem staatlichen Gebäude in Bayern ein Kreuz hängen muss, fällt ein Kruzifix in einem Gymnasium nach Auffassung der Verwaltungsrichter nämlich nicht.
Im April 2018 hatte das bayerische Kabinett auf Initiative des damals frisch zum Ministerpräsidenten aufgestiegenen Markus Söder (CSU), der stets betont, das Kreuz gehöre zu Bayern, den «Kreuzerlass» beschlossen. Trotz heftiger Kritik – sogar von den Kirchen, die Söder vorwarfen, das christliche Symbol für Wahlkampfzwecke zu missbrauchen – trat der Erlass im Juni 2018 in Kraft. In Paragraf 28 der Geschäftsordnung für die Behörden des Freistaats heißt es seither: «Im Eingangsbereich eines jeden Dienstgebäudes ist als Ausdruck der geschichtlichen und kulturellen Prägung Bayerns gut sichtbar ein Kreuz anzubringen.»
Und auch der Artikel 7 des Bayerischen Gesetzes über das Erziehungs- und Unterrichtswesen, wonach in Grundschulen in jedem Klassenzimmer ein Kreuz aufzuhängen ist, und der über sogenannte Verweisungsnormen auch für Mittel- und Förderschulen gilt, gilt demnach nicht für Gymnasien. «Für Gymnasien gibt es eine solche Norm nicht», heißt es vom Verwaltungsgerichtshof. Die Revision gegen die Entscheidung wurde nach Gerichtsangaben nicht zugelassen – dagegen kann aber binnen einer Woche noch Beschwerde eingelegt werden.
Die Schulleitung wollte sich auf Anfrage nicht zu dem Urteil äußern und auch nicht zu der Frage, ob das Kreuz dort bereits abgenommen wurde oder nicht. Sie verwies an das bayerische Kultusministerium. Nach Angaben auf der Homepage des Gymnasiums ist die Schule religiös geprägt. «Neben Meditationsraum und Altar besitzt unsere Schule auch ein großes Kreuz für die Gottesdienstfeiern und zahlreiche kleine Kreuze, die die Klassenräume zieren. Auch diese wurden von den Schülern im Rahmen des Kunstunterrichts aus Holz, Nägeln und Scherben gebaut», heißt es dort. News4teachers / mit Material der dpa
Abhängen! CSU kritisiert Kruzifix-Urteil, Kultusministerin will Konsequenzen prüfen
