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Regenbogen-Eklat bei Schuleröffnung: Wie viel Vielfalt duldet die katholische Kirche?

KÖLN. Als „Schule für alle“ wurde der neue katholische Bildungscampus Köln-Kalk beworben – doch bei der feierlichen Eröffnung entbrannte ein Streit um Regenbogen-Symbole. Eltern, Lehrkräfte und kirchliche Mitarbeitende warfen dem Erzbistum Köln vor, queere Zeichen gezielt unterdrückt zu haben. Die Schulleitung und das Erzbistum dementieren ein Verbot. Doch der Konflikt wirft eine Grundsatzfrage auf: Wie offen ist eine Schule, wenn Vielfalt zwar gepredigt, aber nicht sichtbar sein darf?

“Kindern Perspektiven eröffnen, die in unserer Gesellschaft oft übersehen werden“: Kardinal Rainer Maria Woelki. Foto: Erzbistum Köln

Am Montag nach dem Kölner Christopher Street Day (CSD) wurde der neue Erzbischöfliche Bildungscampus Köln-Kalk eröffnet – ein moderner, 80 Millionen Euro teurer Schulstandort mit Grundschule und Gesamtschule, der laut Kardinal Rainer Maria Woelki für kulturelle, soziale und religiöse Vielfalt stehen soll. Doch das Fest geriet zum Eklat. Streitpunkt: Regenbogen-Symbole, das Erkennungszeichen der queeren Community.

Schon im Vorfeld kursierten unter Eltern Gerüchte über ein mögliches Verbot solcher Symbole. Die Vorsitzende der Schulpflegschaft, Dorothea Bujotzek, berichtete laut WDR, dass in einer Elterngruppe entsprechende Hinweise geteilt wurden. Die Reaktion: Viele Eltern kamen bewusst mit Regenbogen-Accessoires zur Feier, um ein Zeichen für Vielfalt zu setzen.

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Schriftliche Aufforderung zur „Zurückhaltung“

Wie schwulissimo.de und queer.de unter Berufung auf den Kölner Stadt-Anzeiger berichten, hatte die Schulleitung im Vorfeld tatsächlich in einer schriftlichen Mitteilung darum gebeten, auf „provokative Kleidung“ und „Symbole der LGBTIQ+-Community“ zu verzichten. Genannt wurde ausdrücklich eine Regenbogen-Krawatte. Der Sprecher des Erzbistums, Wolfram Eberhardt, begründete dies damit, dass man „gesellschaftliche Kontroversen bei diesem festlichen Anlass außen vor lassen“ wollte.

Für viele Beteiligte war das ein fatales Signal. Aus ihrer Sicht wurde damit ausgerechnet ein Symbol für Frieden, Toleranz und Vielfalt ausgegrenzt – und damit auch Menschen, die sich damit identifizieren.

Protest mit Farbe und Symbolen

Eltern und Lehrkräfte ließen sich das nicht gefallen: Aus einem Klassenzimmer wehte eine Regenbogenfahne, Kinder trugen Sticker, das Buffet war mit Regenbogenfähnchen dekoriert. Auch ein Pfarrer trug während des Gottesdienstes ein entsprechendes Symbol.

Besonders brisant: Die Gemeindereferentin Marianne Arndt verteilte nach eigenen Angaben ebenfalls Sticker – und wurde daraufhin des Geländes verwiesen. Der Fachbereichsleiter für katholische Schulen im Erzbistum, Thomas Kamphausen, soll ihr gegenüber Regenbogen-Symbole als „Kampfsymbol gegen das Erzbistum“ bezeichnet haben. Gegenüber Eltern sei erklärt worden, dass solche Zeichen „an dieser Schule nichts zu suchen“ hätten, so schwulissimo.de.

Arndt zeigte sich entsetzt: „Wo kommen wir hin, wenn der Träger dieser Schule schon bei der Eröffnung so agiert? Ich finde es unsäglich, welch große Angst man vor Menschen zu haben scheint, die ein Symbol der Freiheit, des Friedens und der Toleranz zeigen – und das an einer Schule, die beansprucht, für alle da zu sein.“

Kirche dementiert – aber Eltern widersprechen

Pfarrer Franz Meurer von der Katholischen Kirchengemeinde Höhenberg/Vingst sprach im WDR von einem Missverständnis. Auch das Erzbistum erklärte in einer Stellungnahme, es bedauere, „wenn der Eindruck entstanden ist, dass im Erzbischöflichen Bildungscampus Köln-Kalk nicht alle willkommen sind.“ Niemand dürfe wegen seiner sexuellen Orientierung diskriminiert werden.

Doch viele Eltern lassen diese Erklärung nicht gelten. Eine Mutter sagte gegenüber dem Kölner Stadt-Anzeiger: „Wenn mein Kind queer ist, ist es hier nicht erwünscht.“ Ein Vater ergänzte: „Ohne die Aufforderung, keine Regenbogen-Farben zu tragen, hätten wir heute ein unbeschwertes Fest gefeiert.“ Lehrerinnen und Lehrer seien durch die Anweisung in eine schwierige Lage gebracht worden. Ein anderer Elternteil sprach von einer „rückwärtsgewandten und absurden“ Haltung.

Kritik an Woelki – und dem kirchlichen Umgang mit Homosexualität

Die Kritik entzündet sich nicht nur an der Einzelsituation, sondern auch an Kardinal Woelki selbst. Der Erzbischof gilt als einer der entschiedensten Gegner von Reformen in der katholischen Kirche, etwa der Segnung homosexueller Paare oder der Öffnung für queere Lebensrealitäten. Er widersetzte sich dem Reformprozess „Synodaler Weg“ und fiel in der Vergangenheit mehrfach mit restriktiven Positionen auf.

„Die Einweihung des Bildungscampus in Köln-Kalk erfüllt mich mit großer Freude“, erklärte Woelki laut Pressemitteilung des Erzbistums (die mit keinem Wort auf den Eklat eingeht). „Der Campus bietet Schülerinnen und Schülern einzigartige Lernbedingungen und begleitet sie in einer prägenden Lebensphase – unabhängig von Herkunft oder familiärem Umfeld.“

Der Bildungscampus Köln-Kalk verstehe sich als „Schule für alle“. Das pädagogische Konzept beruhe auf selbstorganisiertem Lernen, individueller Begleitung und flexiblen Unterrichtsformen. Lehrkräfte, Therapeuten und pädagogische Fachkräfte arbeiten interdisziplinär zusammen. Die Kinder würden in ihrer Einzigartigkeit wahrgenommen und gezielt gefördert. „Unser Ziel ist es, gerade jenen Kindern Perspektiven zu eröffnen, die in unserer Gesellschaft oft übersehen werden“, so Woelki.

Die Kölner Kontroverse reiht sich ein in eine bundesweite Debatte. Auch auf politischer Ebene steht die Regenbogenflagge inzwischen im Zentrum eines Kulturkampfs. CDU-Politikerinnen wie Bundestagspräsidentin Julia Klöckner und CSU-Mann Alexander Dobrindt sprachen sich zuletzt gegen das Hissen von Regenbogenflaggen an öffentlichen Gebäuden aus. Bundesarbeitsministerin und SPD-Chefin Bärbel Bas kündigte hingegen beim Kölner CSD an, sich solchen Verboten widersetzen zu wollen. News4teachers / mit Material der dpa

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