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Regenbogen unerwünscht? Katholische Schulen und der schwierige Umgang mit Vielfalt

KÖLN. Ein Papier, das für Offenheit sorgen soll, sorgt zunächst für Streit: Die Schulkommission der Deutschen Bischofskonferenz arbeitet an einer Handreichung zum Umgang mit queeren Jugendlichen an katholischen Schulen – mit dem Ziel, Diskriminierung zu verhindern und Vielfalt sichtbar zu machen. Doch noch vor der Veröffentlichung wird der Entwurf heftig attackiert.

Tolerant? Naja. (Symbolfoto). Foto: Shutterstock

Von außen modern – innen rückwärtsgewandt? Bei der Eröffnung des neuen katholischen Bildungscampus in Köln-Kalk prallten unlängst Welten aufeinander: Während Kardinal Rainer Maria Woelki Vielfalt predigte („Der Campus begleitet Schülerinnen und Schüler in einer prägenden Lebensphase – unabhängig von Herkunft oder familiärem Umfeld“), wurden Regenbogen-Symbole auf dem Fest offenbar gezielt unterdrückt. Für viele war das ein fatales Signal – zumal ausgerechnet an einer Bildungseinrichtungen, die sich selbst als „Schule für alle“ versteht (News4teachers berichtete).

„Ich finde es unsäglich, welch große Angst man vor Menschen zu haben scheint, die ein Symbol der Freiheit, des Friedens und der Toleranz zeigen – und das an einer Schule, die beansprucht, für alle da zu sein.“ So empörte sich eine Gemeindereferentin, nachdem sie bei der Eröffnungsfeier Sticker mit Regenbogen-Motiven verteilt hatte – und vom Gelände verwiesen wurde.

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Der Streit um die Sichtbarkeit queerer Zeichen bringt eine Grundsatzfrage auf die Tagesordnung: Wie offen dürfen katholische Schulen mit sexueller und geschlechtlicher Vielfalt umgehen – und wie offen wollen sie überhaupt sein? Diese Fragen will eine neue Handreichung der Schulkommission der Deutschen Bischofskonferenz aufgreifen – zumindest auf dem Papier. Unter dem Arbeitstitel „Geschaffen, geformt und geliebt – Sichtbarkeit und Anerkennung der Vielfalt sexueller Identitäten in der Schule“ wird derzeit innerkirchlich ein rund 20-seitiger Textentwurf diskutiert, wie die Katholische Nachrichtenagentur kna berichtet. Benanntes Ziel: Diskriminierungen gegen queere Schülerinnen und Schüler verhindern, stattdessen Offenheit und Dialog fördern.

Doch bezeichnenderweise handelt es sich laut Bericht nicht um ein offizielles Papier der Bischofskonferenz, sondern nur um eine Veröffentlichung der Schulkommission unter Leitung von Bischof Heinrich Timmerevers – was kirchenpolitisch einem halbherzigen Kompromiss gleichkommt. Zwar mache das symbolisch kaum einen Unterschied, heißt es intern. Doch inhaltlich ist die Richtung klar: lieber Impulsgeber als kirchliches Bekenntnis.

Vielfalt anerkennen – aber ohne Sexualmoral?

Der Textentwurf spricht sich für eine Schule aus, „die allen Schülerinnen und Schülern Raum gibt, also auch nicht-binären und nicht-heterosexuellen Jugendlichen, sie sichtbar macht und achtet“. Es gehe darum, „bestehende Irritationen und Verunsicherungen im Umgang mit der Vielfalt sexueller Identität zu benennen und abzubauen“. Die Schule soll ein Ort sein, „in dem Kinder und Jugendliche Gewissheit über ihre sexuelle Orientierung und geschlechtliche Identität erlangen können“. Queerfeindliche Vorurteile, Mobbing und Diskriminierung dürften keinen Platz haben.

Dabei verzichte der Entwurf bewusst auf „sexualmoralische Beurteilungen“, heißt es. Stattdessen wolle man „schulpädagogische Akzente setzen“, etwa durch geschlechtergerechte Sprache oder spezifische Handlungsempfehlungen für Lehrkräfte, Schülervertretungen und Schulleitungen. Für Religionslehrkräfte enthält der Text ein eigenes Kapitel.

Zustimmung an der Basis – Kritik an der Spitze

Der Hintergrund: In einer Umfrage des Berliner Instituts für christliche Ethik und Politik hatten rund 2.000 Schülerinnen, Schüler, Lehrkräfte und Eltern an katholischen Schulen den Umgang mit sexueller Vielfalt als wichtige Schulaufgabe benannt. Rund 20 Prozent gaben an, Diskriminierungen gegen queere Jugendliche erlebt oder beobachtet zu haben.

Doch die Kirchenleitung tut sich offenbar schwer mit dem Papier. Zwar habe es aus den Schulabteilungen der Bistümer Zustimmung gegeben, wie es heißt. Doch im Ständigen Rat der Bischöfe wurde zuletzt heftig diskutiert. Kritiker fordern sogar, das Papier komplett einzustampfen – was jedoch als unwahrscheinlich gilt.

Besonders laut: der Tübinger Moraltheologe Franz-Josef Bormann, der dem Entwurf vorwirft, „unwissenschaftlich“ und „von Wohlfühl- und Akzeptanz-Rhetorik getragen“ zu sein. Wörtlich kritisierte er: „Das Papier verschweigt die medizinischen und psychologischen Probleme vieler queerer oder trans-empfindender Jugendlicher.“ Es fehle eine klare Haltung im Sinne der katholischen Morallehre, insbesondere werde der Grundsatz der Zweigeschlechtlichkeit relativiert.

„Lehrer müssen zum Beispiel wissen, dass eine große Anzahl von Kindern, die trans empfinden, behandlungsbedürftige psychische Begleiterkrankungen hat. Sie benötigen psychotherapeutische Unterstützung“, so Bormann. „Und das Papier unterschlägt zudem, dass die allermeisten Unsicherheiten über die eigene geschlechtliche Identität nur zeitlich befristet sind.“

Der Entwurf selbst bleibt bei medizinischen Fragen bewusst vage, so heißt es in dem kna-Bericht. Zwar wird erklärt, dass es bei Kindern bis zur Pubertät zu „Inkongruenzen“ zwischen körperlicher und seelischer Geschlechtsidentität kommen könne – ob und wann geschlechtsverändernde Eingriffe sinnvoll seien, wird jedoch offengelassen. Stattdessen will man das Thema ins Zentrum der Bildungsarbeit rücken. Wörtlich heißt es im Entwurf: „Das Wachhalten der Gottesfrage zeigt sich als erstes darin, die Vielfalt sexueller Identität nicht vor der Gottesfrage abzuschirmen und sie allein der Sexualpädagogik zu überantworten.“

Zwischen Praxis und Politik: Die Realität an den Schulen

Längst ist das Thema queerfreundlicher katholischer Schulen keine graue Theorie mehr. Im Erzbistum Hamburg gibt es ein entsprechendes Rahmenkonzept, in Freiburg unterrichtet eine Transperson als Religionslehrkraft, und im Bistum Passau wurde eine Schule als queerfreundlich ausgezeichnet – organisiert von einer AG Queer, die sich für mehr Sichtbarkeit einsetzt. Doch auch hier gibt es Grenzen: Bischof Stefan Oster verweigert Segensfeiern für queere Paare. AG-Sprecherin Rebecca Sürth kritisiert: „Wir organisieren Queer-Gottesdienste, aber dürfen queeren Paaren nicht den Segen Gottes zusprechen.“

Vor diesem Hintergrund bekommt der Streit in Köln-Kalk eine zusätzliche Brisanz. Das Erzbistum betonte in einer Stellungnahme, man bedauere „wenn der Eindruck entstanden ist, dass nicht alle willkommen sind“. Doch viele Eltern lassen das nicht gelten. Eine Mutter befand gegenüber dem Kölner „Stadt-Anzeiger“: „Wenn mein Kind queer ist, ist es hier nicht erwünscht.“ News4teachers 

Katholische Religionslehrkräfte outen sich als queer: “Gott würde es nicht wollen, dass ich das verstecke”

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