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Deutlich mehr Schülerinnen wegen Essstörung im Krankenhaus – schon Zehnjährige

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WIESBADEN. Zwei Zara-Kampagnen, in denen Models „unhealthily thin“ wirkten, sind in Großbritannien verboten worden – ein Signal gegen ungesunde Körperbilder. Die gibt es auch in Deutschland: Hierzulande nimmt die Zahl von Schülerinnen mit Essstörungen seit Jahren drastisch zu. Neue Daten belegen, wie dramatisch die Entwicklung ist.

Das Maß aller Dinge? Foto: Shutterstock

Großbritannien hat jüngst erneut ein Zeichen gegen ungesunde Körperbilder in der Modewelt gesetzt: Gleich zwei Werbekampagnen des Modekonzerns Zara wurden verboten, weil die dort abgebildeten Models „unhealthily thin“ wirkten. Die britische Werbeaufsicht ASA bemängelte unter anderem Schatten, die Beine noch dünner erscheinen ließen, sowie Posen, bei denen „hervorstehende Schlüsselbeine“ zum Blickfang wurden. Die Werbung sei „unverantwortlich“ und dürfe in der bisherigen Form nicht mehr erscheinen, entschied die Behörde.

Zara entfernte die beanstandeten Bilder – obwohl die betroffenen Models laut eigenen Angaben medizinische Zertifikate über ihre Gesundheit vorgelegt hatten. Auch andere große Handelsketten wie Marks & Spencer und Next hatten in diesem Jahr Werbeverbote kassiert, weil Models zu dünn dargestellt wurden. Die ASA betont, dass solche Darstellungen gerade bei jungen Menschen das Risiko für Essstörungen steigern können.

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Auch in Deutschland sind Essstörungen ein Problem – und zwar ein wachsendes: Immer mehr Mädchen und junge Frauen werden deshalb stationär behandelt, wie aktuelle Zahlen des Statistischen Bundesamtes aufzeigen. 2023 mussten doppelt so viele Patientinnen im Alter zwischen 10 und 17 Jahren in eine Klinik wie noch 2003 – der Anstieg von 3.000 auf 6.000 Fälle binnen 20 Jahren ist dramatisch.

Der Anteil von Mädchen und jungen Frauen an allen Krankenhauspatientinnen und -patienten mit Essstörungen stieg im selben Zeitraum von 23,4 auf 49,3 Prozent. Insgesamt wurden im Jahr 2023 rund 12.100 Menschen wegen Magersucht, Bulimie oder anderer Essstörungen behandelt – etwas weniger als 2003, als es noch 12.600 Fälle waren.

Vor allem Magersucht dominiert: Bei gut drei Vierteln der Fälle lautete die Diagnose Anorexia nervosa, bei elf Prozent Bulimie. Frauen sind deutlich häufiger betroffen: Ihr Anteil stieg von 87,6 auf 93,3 Prozent. Und die Behandlung dauert im Schnitt sehr lange: 53,2 Tage blieben Patientinnen und Patienten 2023 im Krankenhaus – der höchste Wert seit 2003. Zum Vergleich: Der durchschnittliche Klinikaufenthalt in Deutschland liegt bei 7,2 Tagen. 78 Menschen starben 2023 an den Folgen einer Essstörung.

„Soziale Kontakte und Freundschaften sind sehr wichtig bei der Beantwortung der Frage, wie stark ich meinen Selbstwert von der Figur abhängig mache“

Nach Einschätzung von Stephan Bender, Direktor der Kinder- und Jugendpsychiatrie an der Uniklinik Köln, gibt es bis heute keine Trendwende – im Gegenteil: Die Fallzahlen steigen seit den 1990er Jahren kontinuierlich. Die Corona-Kontaktbeschränkungen hätten wie ein „Beschleuniger“ gewirkt.

„Soziale Kontakte und Freundschaften sind sehr wichtig bei der Beantwortung der Frage, wie stark ich meinen Selbstwert von der Figur abhängig mache“, sagt Bender. Während der Pandemie sei jedoch die Nutzung sozialer Medien gestiegen – und dort bleibe der Fokus auf fragwürdige Schönheitsidealen hoch.

Auch Beate Herpertz-Dahlmann, Seniorprofessorin der Uniklinik Aachen, nennt die Kontaktbeschränkungen während der Corona-Pandemie als eine vermutete Ursache. Kinder seien davon am meisten betroffen gewesen, da sie Freundschaften nicht mehr pflegen und keinen Sport mehr treiben konnten. Sie seien regelrecht vereinsamt und viele hätten sich deshalb mehr mit den Themen Essen und Gewicht sowie sozialen Medien beschäftigt. Die Häufigkeit von Magersucht sei bei jungen Patienten zwischen 10 und 14 Jahren am meisten gestiegen.

„In Deutschland wird viel zu wenig getan, um die Früherkennung und die ambulante Behandlung zu verbessern“, sagt Herpertz-Dahlmann. Es gebe teilweise monatelange Wartezeiten, und wenn die Betroffenen dann ins Krankenhaus kämen, seien sie häufig bereits schwer krank.

Laut einer Hochrechnung der KKH Kaufmännischen Krankenkasse lebten 2023 fast 460.000 Menschen in Deutschland mit einer diagnostizierten Essstörung. 7,5 Prozent davon waren Mädchen zwischen 12 und 17 Jahren. Die Krankenkasse verweist ebenfalls auf die boomende Selbstoptimierungs-Szene und soziale Medien, die gezielt junge Mädchen ansprechen.

Was ist die Lösung: Strengere Regeln wie in Großbritannien? Die aktuellen Werbeverbote dort zeigen, dass die Aufsicht im Königreich entschlossen eingreift – und zwar nicht nur bei Zara. Auch Kampagnen von Marks & Spencer und Next wurden in diesem Jahr gestoppt. Nach dem Next-Verbot allerdings stellte sich eine neue Frage: BBC-Leser wunderten sich öffentlich, warum bislang keine Werbung verboten wird, in der Models ungesund übergewichtig erscheinen. Damit ist klar – die Debatte über extreme Körperbilder in der Modewelt ist in Großbritannien längst nicht beendet. News4teachers / mit Material der dpa

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