BERLIN. Der Bund der Steuerzahler mischt sich in die Debatte um die Zukunft des Beamtentums ein – und nimmt dabei auch Lehrkräfte ins Visier. Präsident Reiner Holznagel fordert, die Verbeamtung drastisch einzuschränken. CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann hatte die Diskussion vor zwei Wochen angestoßen. Nun schlagen Beamtenbund und Lehrerverband Alarm – und warnen vor fatalen Folgen für die Schulen.
Der Bund der Steuerzahler heizt die ohnehin aufgeheizte Debatte um den Beamtenstatus von Lehrkräften weiter an. Präsident Reiner Holznagel fordert, die Zahl neuer Verbeamtungen drastisch einzuschränken – auf „hoheitliche Kernbereiche“ wie Polizei, Finanzverwaltung und Justiz. „Die öffentlichen Haushalte werden durch die XXL-Beamtenverhältnisse enorm belastet“, sagte Holznagel der Rheinischen Post. Privilegien wie das Pensionssystem könnten „keinem Beschäftigten in der freien Wirtschaft mehr erklärt werden, weil die finanzielle Schere immer weiter auseinandergeht.“
Damit stellt sich der Bund der Steuerzahler an die Seite von CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann, der bereits vor zwei Wochen einen Vorstoß in dieselbe Richtung gewagt hatte. Holznagel fordert: Die Verbeamtung dürfe kein Automatismus mehr sein – und Lehrerinnen und Lehrer gehören seiner Ansicht nach nicht zu den Berufsgruppen, die unbedingt in den Beamtenstatus gehören.
Beamtenbund: „Unsinniger Vorschlag ohne Einsparungseffekt“
Die Gegenreaktion lässt nicht lange auf sich warten. Volker Geyer, Bundesvorsitzender des Deutschen Beamtenbundes (DBB), weist die Forderungen entschieden zurück – und spricht von einer gefährlichen Illusion. „Wollen Linnemann, Holznagel und Co. Bürgern und Wirtschaft gegebenenfalls wirklich Streiks an den deutschen Schulen zumuten?“, fragt er in den Zeitungen der Funke-Mediengruppe.
Für Geyer ist klar: Bildung sei eine hoheitliche Aufgabe – und damit ein klassisches Feld für Verbeamtung. Wer den Beamtenstatus zurücknehme, spare dem Staat nicht einen Cent, betont er: „Das löst kein einziges Problem der Rentenversicherung oder der öffentlichen Haushalte.“ Vielmehr drohe eine Entwicklung, die das Bildungssystem destabilisiere. „Ich kann vor dieser Debatte wirklich nur warnen.“
Lehrerverband: „Mottenkiste des Sozialneids“
Auch der Deutsche Lehrerverband positioniert sich deutlich gegen die Vorschläge. Präsident Stefan Düll verweist auf die besondere Rolle des Beamtenstatus bei der Sicherung der Attraktivität des Lehrerberufs. „Die Verbeamtung macht den Beruf der Lehrkraft attraktiv, darum verbeamten Länder wie Berlin oder Sachsen ihre Lehrkräfte seit einigen Jahren, um sie in den Beruf zu bringen und dort zu halten“, sagt er ebenfalls den Funke-Zeitungen.
Hinzu komme ein Aspekt, der angesichts gesellschaftlicher Spannungen immer wichtiger werde: Verfassungstreue. „Wenn etwas eine hoheitliche Aufgabe ist, dann die Demokratie- und Wertebildung unserer Kinder und die unvoreingenommene Benotung und Zuweisung von allgemein anerkannten Abschlüssen“, betont Düll.
Sein Fazit fällt scharf aus: „Der Griff in die Mottenkiste des Sozialneids gegenüber den Privilegien der Beamten, insbesondere der Lehrkräfte, zeigt Ideenlosigkeit und Unwissenheit.“ Zudem sei es schlicht falsch zu glauben, die Abschaffung der Verbeamtung spare Geld: „Wer rechnen kann, weiß, dass die Ent- beziehungsweise Nichtverbeamtung der Lehrkräfte teurer kommt als das bisherige Alimentationsprinzip.“
Linnemanns Vorstoß: Angriff auf das Fürsorgeverhältnis
Die neuerliche Eskalation hat einen klaren Hintergrund: CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann hatte beim „Tag des Handwerks“ in Paderborn eine große Rentenreform an die Bedingung geknüpft, parallel die Beamtenversorgung zu reformieren. „Ich werde keiner großen Rentenreform zustimmen, wenn wir nicht an das Thema Beamtenversorgung gleichzeitig rangehen. Die Gesellschaft wird es auf Dauer nicht aushalten“, erklärte er.
Sein Vorschlag: Verbeamtet werden sollen künftig nur noch diejenigen, die „klassische hoheitliche Aufgaben“ erfüllen – also Polizisten, Richter, Staatsanwälte, Finanzbeamte und Zoll. Lehrkräfte? Fehlanzeige. „Nicht jeder soll verbeamtet werden“, so Linnemann – „übrigens auch nicht in den Verwaltungen.“
Der Verband Bildung und Erziehung (VBE) reagierte umgehend empört. Vorsitzender Gerhard Brand sprach von einem „Angriff auf das Fürsorgeverhältnis“. Angesichts der Dauerüberlastung und des akuten Lehrkräftemangels sei der Vorstoß eine „Frechheit“ und ein „unsinniger Bärendienst für die Attraktivität des gesamten Berufsfeldes“.
Pensionslasten als Treiber der Debatte
Hintergrund der Debatte sind die wachsenden Belastungen durch Beamtenpensionen. Bund, Länder und Kommunen zahlten 2024 bereits 91 Milliarden Euro an Pensionen – doppelt so viel wie 2007. Die langfristigen Verpflichtungen summieren sich nach Berechnungen auf rund 903 Milliarden Euro. Zwar haben viele Bundesländer Rücklagen gebildet, doch diese wurden teils zweckentfremdet.
Mit dem demografischen Wandel wächst der Druck, an den Stellschrauben zu drehen – sei es beim Ruhestandsalter oder bei der Zahl der Beamten. Doch die Bildungsverbände sehen in den Vorschlägen von Linnemann und Holznagel keinen konstruktiven Beitrag, sondern eine Gefahr für die Schulen. „Eine gute Bildung ist vielleicht die wichtigste Stütze einer demokratischen Gesellschaft“, warnte VBE-Chef Brand. „Eine solche Forderung kann langfristig Schaden anrichten.“ News4teachers / mit Material der dpa
Nächster Pensions-Hammer: Jetzt sollen Beamte fünfeinhalb Jahre später in Ruhestand gehen
