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Oberverwaltungsgericht: Eltern können Mitschüler nicht aus der Klasse entfernen lassen

DÜSSELDORF. Ein Vorfall im Sportunterricht endete vor Gericht: Eltern wollten erzwingen, dass ein Mitschüler ihres Kindes versetzt oder von der Schule entfernt wird. Das Oberverwaltungsgericht NRW hat den Vorstoß zurückgewiesen – und klargestellt, dass allein die Schule über Ordnungsmaßnahmen entscheidet. Der Anwaltsverein nutzt den Fall aber, um zu betonen, dass Eltern keineswegs rechtlos in solchen Streitfällen wären.

Das Gericht hat geurteilt. (Symbolfoto) Foto: Shutterstock

Eltern, deren Kind Opfer eines Fehlverhaltens geworden ist, können die Schule nicht zwingen, gegenüber anderen Schülern bestimmte Ordnungsmaßnahmen zu verhängen – das hat das Oberverwaltungsgericht NRW (Az.: 19 B 217/25) in einem nun rechtskräftigen Beschluss klargestellt. Im konkreten Fall hatten die Eltern eines Jungen nach einem Vorfall im Sportunterricht auf die Versetzung eines Mitschülers oder sogar dessen Entlassung gedrängt. Die Richter machten deutlich: Solche Entscheidungen liegen allein im pädagogischen Ermessen der Schule – ein einklagbares Mitspracherecht Dritter gibt es nicht.

Der Streit begann im Januar 2025: Während einer Sportstunde „berührte ein Schüler einen Klassenkameraden unangemessen körperlich“, so die juristische Formulierung im Urteil. Die Eltern des betroffenen Jungen empfanden die anschließende Reaktion der Schule als viel zu milde. Die kommissarische Schulleiterin verhängte zunächst einen Unterrichtsausschluss vom 16. bis 23. Januar 2025. Zusätzlich musste der betreffende Schüler ein Reflexionstagebuch unter sozialpädagogischer Begleitung führen, sich mit Kinderrechten auseinandersetzen und eine schriftliche Entschuldigung formulieren. Diese Maßnahmen sollten bis zum Ende des Schuljahres andauern.

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Für die Eltern des betroffenen Kindes war das nicht genug. Sie beantragten beim Verwaltungsgericht Aachen den Erlass weitergehender Maßnahmen – mindestens die Versetzung in eine Parallelklasse, hilfsweise die Entlassung von der Schule.

Bereits das Verwaltungsgericht Aachen lehnte ab – nun bestätigte das Oberverwaltungsgericht in Münster diese Entscheidung in allen Punkten. § 53 Schulgesetz NRW sehe vor, dass erzieherische Einwirkungen und Ordnungsmaßnahmen können ergriffen werden – die Vorschrift verleihe aber „Schülerinnen und Schülern ebenso wenig wie Eltern ein subjektives Recht“, solche Maßnahmen einzufordern.

„Schulordnungsmaßnahmen sind keine Strafen und dienen nicht der Vergeltung begangenen Unrechts“

Die Richter stellten klar: Das Schulgesetz schützt in dieser Frage nicht die Interessen einzelner Eltern oder Mitschüler. Selbst wenn eine Maßnahme auch einem betroffenen Kind zugutekommen könnte, begründet das kein eigenes einklagbares Recht. Das Gesetz sei darauf ausgerichtet, der Schule pädagogischen Handlungsspielraum zu lassen – etwa unter Berücksichtigung von Persönlichkeit, Entwicklungsstand und Einsichtsfähigkeit des betroffenen Schülers. „Schulordnungsmaßnahmen sind keine Strafen und dienen nicht der Vergeltung begangenen Unrechts. Die Schule soll das aus ihrer Sicht pädagogisch sinnvollste Mittel zur Zielerreichung wählen.“

Auch eine Berufung auf das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 GG) ändere daran nichts: Dieses begründe nur dann eine staatliche Pflicht zum Eingreifen, wenn „gravierende offensichtliche Verstöße“ vorlägen – was die Richter hier nicht sahen.

Nach Einschätzung des Gerichts gab es nach den verhängten Auflagen keine weiteren Pflichtverletzungen des Schülers. Der Vorwurf, er habe später noch einmal gedroht, sei nicht belegt worden. Ebenso wenig gebe es Hinweise, dass das Reflexionstagebuch nicht geführt oder die Entschuldigung nicht ernst gemeint sei. Die Richter betonten den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit: Von den möglichen Ordnungsmaßnahmen – vom schriftlichen Verweis bis zur landesweiten Schulverweisung – müsse stets die mildeste gewählt werden, die noch geeignet ist, die Unterrichts- und Erziehungsarbeit zu sichern.

Auch wenn Eltern keine rechtlich durchsetzbare Möglichkeit haben, bestimmte Maßnahmen gegen Mitschüler zu erzwingen, sind sie nicht ohne Druckmittel gegenüber der Schule – wie der Deutsche Anwaltsverein (DAV) aus Anlass des Falles erklärt.

Wie sollten Väter und Mütter in Konfliktfällen vorgehen? Der DAV empfiehlt, sich zunächst mit Lehrkräften, Schulleitung und gegebenenfalls Schulsozialarbeit an einen Tisch zu setzen, um Bedenken und mögliche Lösungen zu besprechen – denn die Schule sei verpflichtet, auf Vorfälle zu reagieren. Parallel sollten Eltern sorgfältig dokumentieren, was geschehen ist: Zeit, Ort, beteiligte Personen und Ablauf. Eine präzise Schilderung könne der Schule helfen, die Lage richtig einzuschätzen. Ebenso raten die Juristen, sich mit der jeweiligen Schulordnung vertraut zu machen, um Rechte und mögliche Konsequenzen zu kennen. Und nicht zuletzt sollten Eltern ihr Kind emotional stützen. News4teachers / mit Material der dpa

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